Peter Härtling: Liebste Fenchel! Das Leben der Fanny Hensel-Mendelssohn in Etüden und Intermezzi. Köln: Verlag Kiepenheuer & Witsch 2011.
384 Seiten, Euro 20,60
ISBN: 978-3-462-04312-9
Sie war ist durchaus gewachsen, dem begabten Bruder, einem musikalischen Wunderkind, der als Felix Mendelssohn Bartholdy in die Musikgeschichte eingehen wird. Fanny Mendelssohn, die vier Jahre ältere Schwester, von Felix zärtlich Fenchel genannt, weist eine ebenso grosse musikalische Begabung auf wie er, komponiert selbst und erlangt überragende Fähigkeiten als Pianistin. Doch die Begabung soll nach dem Willen der Eltern nicht nach Aussen gezeigt werden. Während der jüngere Bruder Felix mit seinen Kompositionen und als Pianist und Dirigent die Welt erobert, bindet man Fanny in ihre häuslichen Pflichten ein. Erst nach dem Tod des Vaters wagt sie, auch mit Unterstützung des Bruders und ihres Mannes, dem Maler Hensel, den Schritt in die Öffentlichkeit. Sie tritt als Dirigentin und Pianistin in Erscheinung, ihre Kompositionen werden gedruckt. Doch bevor sie den Erfolg wirklich geniessen kann stirbt Fanny Hensel-Mendelssohn 1847 überraschend im Alter von nur 41 Jahren. Ihr Bruder folgt ihr wenige Monate später nach.
Peter Härtling, dessen Romanbiografien seit Jahren die deutschsprachige Literaturszene in Verzückung geraten lassen, hat nun mit „Liebste Fenchel!" ein aussergewöhnlich sensibles, sprachlich virtuoses und historisch detailliert recherchiertes Werk vorgelegt, das nicht nur Musikliebhaber begeistern wird. Die intensive und zugleich filigrane Beziehung zwischen den Geschwistern Mendelssohn, der schwierige Umgang mit der jüdischen Identität der Familie, der bei Fanny in der Aussage mündet, sie habe nur eine Religion und die heisse Johann Sebastian Bach, die wunderbare Einbindung autographischer Zeugnisse in fiktionale Zusammenhänge - das alles macht dieses Buch zu ungleich viel mehr als einer Musikerinnenbiografie. Härtling gelingt mit „Liebste Fenchel!: Das Leben der Fanny Hensel-Mendelssohn in Etüden und Intermezzi" nicht weniger als ein Meisterwerk grosser Erzählkunst.