Adolph Fischhof wurde als Sohn jüdischer Eltern am 8. Dezember 1816 in Ofen (Budapest) geboren. Er ging als liberaler Publizist und Arzt in die Geschichte der Habsburgermonarchie während der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein. Sein Vater Joseph stammte aus Eibenschitz/Mähren, seine Mutter Rosalie (Löwy) kam gleichfalls aus dem heutigen Budapest.1 Er besuchte das Piaristengymnasium in Pest, anschliessend studierte Fischhof an der Universität Wien Medizin, promovierte im Jahr 1845 und kam im Jahr 1848 als Sekundararzt ins Allgemeine Krankenhaus.2
Foto: Grabstätte von Adolph Fischhof. Fotos: Susanne Mader.
Am 13. März 1848 lenkte Fischhof das erste Mal die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich. Mit dem Rufe "der Freiheit eine Gasse"3 durchschritt Fischhof den Ständehof, um den versammelten Ständen die Wünsche der Universität vorzutragen. Der junge Arzt fordert in aller Öffentlichkeit Presse-, Lehr- und Lernfreiheit, Geschworenengerichte und eine nationale Verständigung der Völker Altösterreichs auf Grund freier Vereinbarungen.4 Fischhoff war der also erste, welcher an jenem Tag im Ständehaus die Stimme erhob:
"Wir haben heute eine ernste Mission zu erfüllen. Es gilt, ein Herz zu fassen, entschlossen zu sein und mutig auszuharren. Wer an diesem Tag keinen Mut hat, gehört in die politische Kinderstube. (...) Eine übel beratene Staatskunst hat die Völker Österreichs auseinandergehalten, sie müssen sich jetzt brüderlich zusammenfinden und ihre Kräfte durch Vereinigung erhöhen. Die Schwächen der Nationalität werden hierbei in den Tugenden der anderen ihren Ausgleich finden und die Vorzüge aller durch ihre Zusammenfassung eine Steigerung erfahren."
Und weiter:
„Ja, auf uns ruht der schwere Fluch eines erstickenden Qualms. Aus den Beinkammern des Wiener Systems weht eine verpestete Luft uns an, die unsere Nerven lähmt, unseren Geistesflug bannt. (...) Eine Dynastie, die sich auf die Freiheit der Völker stützt, wird stets Enthusiasmus erregen, denn von Herzen treu kann nur ein freier Mann sein. (...) Ja, löbliche Stände! Es ist meine feste Überzeugung, dass die Zukunft der Dynastie an die Verbrüderung der verschiedenen Völker der Monarchie gebunden ist, und diese Verbrüderung kann mit Achtung der bestehenden Nationalitäten nur der Kitt der Konstitutionalität zustande bringen, der überall verwandte Gefühle erweckt. Bureaus und Bajonette sind ein elendes Verbindungsmittel."5
Foto: Grabstätte von Adolph Fischhof. Fotos: Susanne Mader.
Desgleichen wurde die in einer Flugschrift in deutscher Sprache abgedruckte Rede von Kossuth, die am 3. März vor dem Reichstag in Pressburg gehalten wurde, verteilt und verlesen. Schon wenige Tage später zählte Fischhof zu den anerkannten Führern der Wiener Studentenschaft.6 Nach einigen Wochen sah er sich zum Obmann des mit der Führung der Exekutive betrauten Sicherheitsausschusses der Hauptstadt betreut. Fischhof spielte als Präsident des Sicherheitsausschusses eine nachhaltige Rolle und nahm die Stellung zwischen den gesetzlichen Gewalten einerseits und den regellosen Massen andererseits so gut als nur möglich wahr.
Als später der Reichstag zusammentrat, nahm daran Fischhof als gewählter Vertreter vom Bezirk Matzleinsdorf teil. Er hatte den Ruf, ein Liebling der Studenten zu sein, und galt als hinreissender Redner.7 Als Mitglied des Wiener und dann Kremsierer Reichstages zeigte sich Fischhof im Verfassungsausschuss in hervorragender Weise aktiv. Im Reichstag selbst zeichnet er sich weniger im Ergreifen der Initiative bei Anträgen aus als in der Art und Weise, wie er jene unterstützte. So stimmte er für den Antrag der Rückkehr Kaiser Ferdinands und sprach sich für die Abschaffung der Todesstrafe aus. Am 5. August 1848 unterstützte Fischhof den Antrag über „die Notwendigkeit, dass bei Interpellationen Verzögerungen und hemmende Formen beseitigt werden". Am 25. August zog er beim Antrag von Kudlich in der Robot- und Ablösefrage mit und wollte am 29. August, „dass die Aufhebung aller Lasten, welche aus dem Untertans-Verhältnis erwachsen, unverweilt ausgesprochen werden". Am 6. Oktober erstattete Fischhof „Bericht über seinen Versuch, Grafen Baillet de Latour zu retten". Am 9. Oktober stellte er einen Antrag zur „Debatte über ein Nationalgardegesetz", und am 8. Jänner 1849 wandte sich Fischhof gegen den Antrag des Abgeordneten Pinkas, worin dieser „die Erklärung des Ministeriums vom 4. Jänner 1849 als gegen § 1 der Grundrechte: Alle Gewalt geht vom Volke aus" gerichtet angesehen wissen wollte.8
Während seiner parlamentarischen Tätigkeit leitete Fischhof als k.k. Ministerialrat das Sanitätsreferat im Ministerium des Inneren und unternahm u.a. eine Reise nach Galizien zur Eingrenzung der Cholera, die dort ausgebrochen war.9 Als der Reichstag in Kremsier vom Militär im März 1849 aufgelöst wurde, gab Fischhof auf den Rat seiner Freunde, auch ins Ausland zu flüchten, bekannt, dass er bleiben wolle. „Bleibe ich, dann kann mich das Kriegsgericht vielleicht verurteilen, fliehe ich, dann verurteilt mich die öffentliche Meinung gewiss. Die Wahl ist nicht schwer, ich bleibe!"10
Nachdem er den Gedanken an Flucht abgelehnt hatte, erfolgte seine Verhaftung und ungerechtfertigte Anklage des Hochverrats. Allerdings liess man nach einem dreiviertel Jahr Haft Fischhof aus Mangel an Beweisen wieder in Freiheit setzten. Seine vollen und uneingeschränkten Bürgerrechte bekam er jedoch erst wieder mit der Amnestie von 1867.11 Fischhof praktizierte daraufhin sehr erfolgreich als selbständiger Arzt in Wien.12 Im Jahr 1856 bekam er ein starkes Kopfleiden und unternahm mehrere Erholungsreisen in die Schweiz, nach Süddeutschland und Italien.13
Schon 1861 verfasste Fischhof seine Gedanken hinsichtlich des weiteren Zusammenlebens von Österreichern und Ungarn, das auf einer dualistischen Verfassungslösung begründen solle. Gemeinsam mit J. Unger gab er die Schrift Zur Lösung der ungarischen Fragen heraus, in der er seinen Auffassungen Ausdruck verlieh. Wenn auch die Bürokratie jener Zeit die Vorschläge Fischhofs ignorierte, so sollten sie im Ausgleich von 1867 weitgehend politische Realität werden. Fischhofs Schrift Ein Blick auf Österreichs Lage, die er nach dem österreichisch-preussischen Krieg von 1866 veröffentlichte, war eine patriotisch gehaltene Broschüre, die gegen Gefühle der Entmutigung auftrat.
Foto: Grabstätte von Adolph Fischhof. Fotos: Susanne Mader.
Fischhof trat später für eine Art von Föderalisierung der österreichischen Reichshälfte ein. Im Jahr 1869 legte er seine Auffassung zur Nationalitäten-Frage in der Schrift Österreich und die Bürgschaften seines Bestandes dar. Bald darauf wurde die Schrift auch ins Tschechische übersetzt. Fischhof sprach sich dabei für eine Föderalisierung nach Schweizer Vorbild aus.14 Im Jahr 1870 verzichtete Fischhof nach Wiederherstellung seiner uneingeschränkten bürgerlichen Rechte auf einen Ministerposten im Kabinett Potocki, um seine Unabhängigkeit sowohl gegenüber den deutschliberalen Zentralisten als auch den slawischen Zentralisten zu wahren.15
Seine Absage bedeutete jedoch keineswegs das Nachlassen seiner Anteilnahme an der politischen Zukunft der Völker der Monarchie. Für Fischhof stand die publizistische Tätigkeit im Mittelpunkt seiner politischen Aktivität. Dabei widmete er sich vorwiegend der Nationalitäten-Frage. Im Jahr 1875 zog Fischhof wegen seiner hartnäckigen Krankheit in das Dorf Emmersdorf in Kärnten.16 In seinem einsamen Landhaus (genannt Koglhof) verbrachte er dann fast zwei Jahrzehnte. Hier setzte er in einfachen Verhältnissen seine politische Gedankenarbeit bis zu seinem Tode fort. Zwischen Fischhof, M. Etienne (Herausgeber und Chefredakteur der „Neuen Freien Presse"), L. Rieger (Jurist), A. Scharf (Begründer der „Wiener Sonn- und Montagszeitung") kam es zu den „Emmersdorfer Konferenzen", die eine Herbeiführung eines Ausgleichs zwischen Deutschen und Tschechen bezweckten. Im sogenannten „Emmersdorfer Memorandum" verpflichteten sie sich, die Führer der politischen Parteien zur Teilnahme an einer Konferenz zu bewegen. Doch das vorgehabte Projekt scheiterte.17
Im Jahr 1882 betrat Fischhof noch einmal in Wien die politische Arena, als er gemeinsam mit Robert von Walterskirchen eine „Deutsche Volkspartei" ins Leben rufen wollte. Sie wollte eine Koalition sämtlicher liberaler Elemente darstellen und mehr Bereitschaft zeigen, Kompromisse einzugehen, als dies bei den Deutschliberalen der Fall war. Doch nachdem diese Vereinigung gescheitert war, zog er sich von der öffentlichen Bildfläche endgültig zurück.18
Adolph Fischhof starb am 23. März 1893 in Emmersdorf.19 Für Fischhof waren die folgenden drei Leitgedanken von besonderer Bedeutung: 1) Das Deutschtum solle sich auf Grund hervorragender Kulturleistung (und nicht besonderer Privilegien) seine führende Stellung wahren. 2) Eine auf der Gemeindeebene verankerte Demokratie sei besser gesichert als ein Repräsentativsystem mit einzigem Schwerpunkt in einem zentralen Parlament. 3) Eine Regelung der Sprachenfrage sei der Schlüssel zur Lösung der nationalen Frage überhaupt.20
Sein Biograph sah Fischhof als ersten „Deutschen", der es verstanden hat „eine wohlverstandene Nationalitätenpolitik zum Mittelpunkt seiner Ausführungen" zu machen.21
1 Vgl. Kann, Robert A, in: Neue Deutsche Biographie, Bd. 5 (Fischhof), Berlin 1961, S. 214.
2 Österreichisches Biographisches Lexikon (ÖLB), Bd. 1/Fischhof, Wien 1957, S. 325.
3 Wurzbach, Constantin: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Österreich, Bd. 4/Fischhof, Wien 1858, S. 253. - Vgl. das Gedicht von Georg Herwegh: „Der Freiheit eine Gasse".
4 Vgl. Kann, 1861, S. 214.
5 Die Welt der Habsburger: Fischhof, unter http://text.habsburger.net/module/buergerinnen-fassen-mut-die-ersten-oeffentlichen-reden [04.09.2010].
6 Vgl. Kann, 1861, S. 214.
7 Vgl. Sak, Robert: Adolf Fischhof und Frantisek Ladislav Rieger: Versuch einer nationalen Verständigung, in: Winkelbauer, Thomas (Hrsg.): Kontakte und Konflikte - Böhmen, Mähren und Österreich: Aspekte eines Jahrtausends gemeinsamer Gefühle/Referate des Symposiums „Verbindes und Trennendes an der Grenze III", Horn/Waidhofen an der Thaya 1993, S. 305.
8 Wurzbach, 4/1858, S. 254.
9 Vgl. ÖLB, 1957, S. 325
10 Wurzbach, 4/1858, S. 254.
11 Vgl. Kann, 1961, S. 214.
12 Vgl. Sak, 1993, S. 306.
13 Vgl. ÖBL, 1/1957, S. 325.
14 Vgl. Sak, 1993, S. 306.
15 Vgl. Kann, 1961, S. 214.
16 Vgl. ÖBL, 1/1957, S. 325.
17 Vgl. Sak, 1993, S. 309.
18 Wikipedia: Adolf Fischhof, unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_Fischof [04.09.2010].
19 Vgl. ÖBL, 1/1957, S. 325.
20 Vgl. Kann, 4/1861, S. 214.
21 Sak, 1993, S. 305.