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Denkmal für Maria Grausenburger (20.4.1901 – 22.12.1973)

Ingrid OBERNDORFER

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Maria Grausenburger rettete 1945 vier Menschen das Leben und wurde dafŸr posthum 1978 vom Staat Israel ausgezeichnet - getreu dem Leitsatz, Rettest du ein Menschenleben, rettest du die ganze Welt. Bis zum heutigen Tag haben 87 ...sterreicher den Ehrentitel Gerechte unter den Všlkern verliehen bekommen.

 

Maria Grausenburger, geb. Leonhard wurde in Grafenwšrth-St. Johann geboren. Sie war mit Karl Grausenburger (geb. 1909 Fels am Wagram) verheiratet und Mutter von zwei Kindern, Elfriede und Heribert. Ihr Ehemann Karl wurde an der Front 1942 schwer verwundet und verstarb kurze Zeit danach. Frau Grausenburger rettete gegen Ende des Zweiten Weltkrieges der ungarischen JŸdin Helene Weiss und deren Kindern Ernst, Tibor und Magda das Leben. Die ungarischen Gefangenen waren in einer langen Kolonne auf dem Todesmarsch von Wien Richtung Mauthausen unterwegs und machten in Grafenwšrth kurz Halt. Die Familie Weiss konnte sich aus dem Gefangenenstrom entfernen und wurden von Maria Grausenburger entdeckt, als die Mutter Helene zusammenbrach. Frau Grausenburger nahm die Frau und ihre drei Kinder auf, versteckte sie im Keller ihres Hauses, gab ihnen zu essen und besorgte der Familie falsche Papiere auf den Namen ãVarga". Trotz aller Vorsicht wurden sie verraten. Frau Grausenburger geschah nichts, Helene Weiss und ihre Kinder hingegen wurden von einem Grafenwšrther Nationalsozialisten ins FlŸchtlingslager Gneixendorf abgefŸhrt, da es keinen Beweis gab, dass es sich um Juden handelte. Im FlŸchtlingslager Gneixendorf begannen die beiden kŸnstlerisch begabten Buben Ernst und Tibor zu malen, unter anderem auch ein Portrait vom Lagerkommandanten. Diesem gefiel das Bild so gut, dass er die Familie zu Maria Grausenburger zurŸckkehren liess. In Grafenwšrth besorgte Frau Grausenburger den beiden Buben Arbeit bei Bauern im Ort.

Als der Krieg zu Ende war und die Russen in Grafenwšrth einmarschierten, kehrte Helene mit ihren Kindern zuerst nach RumŠnien (SiebenbŸrgen) und dann nach Ungarn zurŸck, um ihren Ehemann K‡lm‡n Weiss zu suchen. 1946 erhielt sie die Nachricht, dass K‡lm‡n im Konzentrationslager Bergen-Belsen umgekommen war. Der Zeitpunkt war gekommen, um von Wien aus nach PalŠstina zu emigieren, wo bereits Helenes Šltester Sohn lebte. Nach vielen, zum Teil gefŠhrlichen Umwegen versuchte sie, illegal durch die Besatzungszonen nach Italien zu gelangen. Erst beim sechsten Versuch klappte es, so Yaffa Kremer (vormals Magda Weiss).1 Zuerst lebte und arbeitete Helene mit den Kindern ein Jahr in Italien, um Geld fŸr die Weiterreise zu bekommen. Danach fuhr die Familie nach Zypern, wo sie sich ebenfalls fast ein Jahr lang aufhielt. Erst 1948 gelang es Helene Weiss und ihren Kindern, in Israel einzuwandern, um endlich wieder ihren Šltesten Sohn Jenš in die Arme schliessen zu kšnnen. Einundzwanzig Nachkommen der Familie Helene und K‡lm‡n Weiss leben heute in Israel.

Nachdem sich im FrŸhjahr 2009 Prof. Degasperi beim Pfarrer der Katholischen Kirche in Grafenwšrth, Pater Severin, gemeldet und die Errichtung eines Denkmals fŸr Grausenburger in deren Geburtsort angeregt hatte, begannen Vorbereitungen fŸr eine angemessene Ehrung. Der BŸrgermeister der Marktgemeinde Grafenwšrth, LAbg. Mag. Alfred Riedl, sagte seine UnterstŸtzung zu. Daraufhin wurde fŸr Patenschaften eines Denkmals Grausenburger geworben, auch, um damit indirekt ein Signal zu setzen, denn bald nach dem Bekanntwerden des Vorhabens wurden Stimmen ãEwig-Gestriger" gegen eine Aufarbeitung laut.

BundesprŠsident Fischer schrieb am 7. Dezember 2009:

ãÉich bewundere immer wieder die Courage und die SolitaritŠt, mit der einzelne Personen wŠhrend der Nazi-Zeit Verfolgten geholfen haben und dabei selbst ein sehr grosses persšnliches Risiko eingegangen sind. Aus diesem Grund mšchte ich Sie darin bestŠrken, in der Gemeinde von Maria Grausenburger, in Grafenwšrth, ein Denkmal zu initiieren, das die Erinnerung an diese bemerkenswerte Frau wach hŠlt."

 

Patenschaften fŸr das Denkmal Ÿbernahmen Kardinal Schšnborn (Wien), Bischof Kapellari (Graz), Bischof Iby (Eisenstadt), Bischof KŸng (St. Pšlten), Bischof Schwarz (Linz), Bischof Scheuer (Innsbruck), Bischof Fischer (Feldkirch), Generalabt Backovsky (Klosterneuburg), Abt Wilfinger (Melk), Abt Columban Luser (Gšttweig), PrŠlat FŸrnsinn (Herzogenburg), Abt Henckel-Donnersmarck (Stift Heiligenkreuz), Landeshauptmann Pršll (N...), LH-Stv. Sobotka (N...) und Karl Habsburg-Lothringen. Bereits zu Beginn des Projektes Maria Grausenburger war klar, die Geschichte der Familien Grausenburger - Weiss sollte publiziert werden. Der erste Teil des Projektes wurde mit der Baumpflanzung und der DenkmalenthŸllung fŸr Maria Grausenburger abgeschlossen2; der zweite Teil wird nŠchstes Jahr mit der BuchprŠsentation Ÿber die Familien und Ÿber das Projekt beendet werden.

Am 25. Juni 2010 wurde das Kunstwerk der ...ffentlichkeit gezeigt. Der Stein, so der Bildhauer Sebastian-Jan Bunia aus Krems, symbolisiert Maria Grausenburger, die schŸtzend ihre HŠnde Ÿber vier Menschen hŠlt. Yaffa Kremer und ihr Neffe Amir Roggel-Weiss (Sohn des Šltesten Sohnes von Jenš Weiss) kamen nach Grafenwšrth, um die Familie von Maria Grausenburger zu treffen. Nach mehr als 65 Jahren konnten Yaffa und Maria Grausenburgers Tochter Elfriede Lindner und ihre Angehšrigen einander in die Arme schliessen. Vor dem Festakt pflanzten SchŸler des Bundesrealgymnasiums Krems unter Mag. Roswitha Springschitz der Grafenwšrther Gerechten unter den Všlkern einen Baum. Zur anschliessenden Feier im Haus der Musik, wo das Kunstwerk aufgestellt wurde, kamen viele Paten des Denkmals. Aviv Shir-On, Botschafter des Staates Israel in Wien, schrieb, dass ã[É] Maria Grausenburger nach den wichtigsten menschlichen Werten gehandelt [hat], in Zeiten, in denen Menschlichkeit verloren gegangen ist", und sein Staatsbesuch mit Bundeskanzler Faymann in Israel ã[É] soll die šsterreichisch-israelischen Beziehungen weiter ausbauen und verbessern, Beziehungen, die von Frau Maria Grausenburger bereits vor 65 Jahren in die Wege geleitet wurden." Botschaftsrat Dipl.oec. Lajos Szelestey von der Botschaft der Republik Ungarn, der deutsche Gesandte Krausser, Botschafter Dr. Helmut Tichy vom Bundesministerium fŸr europŠische und internationale Angelegenheiten, Dr. Bela Rasky vom Simon Wiesenthal-Institut Wien, Dr. Andreas Maislinger aus Innsbruck vom Austrian Holocaust Memorial Service, Dr. Eduard Habsburg, MŸhlbach, Tassilo Metternich, Schloss Grafenegg, Dr. Steven Andrew Geiger von der MENSCH Ð Foundation International aus Palm Springs / USA, Dr. Heinz Arnberger vom Dokumentationsarchiv des ...sterreichischen Widerstandes in Wien, Leopold Neugebauer von Letter to the Stars in Wien, Vetreter des Vereins der Freunde von Yad Vashem aus Linz, die Nationalratsabgeordnete Anna Hšllerer und viele BŸrgermeister aus den politischen Bezirken Tulln und Krems zeigten durch ihre persšnliche Anwesenheit Zustimmung und UnterstŸtzung, ebenso wie 300 weitere Menschen, die an diesem Abend den Saal fŸllten. BŸrgermeister LAbg. Mag. Alfred Riedl eršffnete den Festakt und enthŸllte mit Yaffa Kremer und Elfriede Lindner das Kunstwerk.

 

PrŠlat FŸrnsinn fasste zusammen,

ã[...] dass heute wirklich viele wieder auf sehr unqualifizierte Art und Weise Ÿber Fremde, auch Ÿber Juden, reden kšnnen, und es steht eigentlich kaum jemand auf. Da, glaube ich, ist es wichtig, dass es auch solche Signale, auch wenn sie zurŸckliegen, gibt - das wollen wir nicht mehr haben. Ich glaube, wir kšnnen daraus lernen, dass es zu jeder Zeit wichtig ist, die Augen, die Ohren offen zu haben, um Menschen zu schŸtzen, die in solche Situationen gedrŠngt werden [É]".3

 

1 Interview, 26. Juni 2010.

2 Vgl. http://www.holocausttaskforce.org/memberstates/member-austria.html

3 PrŠlat FŸrnsinn auf die Frage von Andreas Mittendorfer, warum er dazu ermutigt habe, die Erinnerung an Frau Grausenburger wachzurufen; gesendet in: ORF, Radio, Religion, ErfŸllte Zeit, 11. Juli 2010.