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Jüdisches Filmfestival Wien 2011

Monika KACZEK

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Berührende Schicksale, Akte von Menschlichkeit und Zivilcourage, Sehnsucht nach Freiheit - das alles kann man beim neunzehnten Jüdischen Filmfestival Wien 2011 sehen, das von 17. November bis 1. Dezember im Votivkino und De France Kino stattfindet. Das Festival wird sich neben einem allgemeinen Programm mit neueren Kurz-, Spiel- und Dokumentarfilmen auch heuer wieder auf einen Themenschwerpunkt konzentrieren. Darüber hinaus ist eine Filmreihe als Rahmenprogramm zur Ausstellung Bigger Than Life im Jüdischen Museum Wien konzipiert. In Kooperation mit der Initiative Lobby Vorfilm werden vor einigen Hauptfilmen Kurzfilme von jungen FilmemacherInnen gezeigt.

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Im allgemeinen Programm werden Produktionen aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien, Israel, Österreich, Polen, der Tschechischen Republik und den USA vorgestellt. Die Themen reichen von berührenden Lebens- und Liebesgeschichten sowie menschlichen Schicksalen bis hin zu wiederentdeckten Filmen.

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Joanna (Feliks Falk, PL 2010).
Foto: Jüdisches Filmfestival Wien.

Der Spielfilm Within The Whirlwind/Mitten im Sturm (Regie: Marleen Gorris, D/PL/B 2009) beruht auf der Lebensgeschichte von Eugenia Semjononowa Ginzburg, die 1904 als Tochter einer jüdischen Apothekerfamilie in Moskau geboren wurde. Die Familie übersiedelte nach Kasan, wo Eugenia Ginzburg später als Dozentin für Pädagogik tätig war. Im Februar 1937 wurde sie aus der Kommunistischen Partei ausgeschlossen, wegen angeblicher Verbindung zu den Trotzkisten verhaftet und zu zehn Jahren Haft im sibirischen Arbeitslager Kolyma verurteilt. Erst im Februar 1949 erfolgte die Entlassung. Mit Gedichten aus der von ihr über alles geliebten russischen Literatur gelang es Eugenia Ginzburg (von Emily Watson berührend dargestellt), dem Elend im Lager nicht nur selbst die Stirn zu bieten. Sie schaffte es auch, ihre Leidensgenossinnen im Lager zum Durchhalten zu inspirieren. Immer wieder sprach sie dabei laut Ossip Mandelstams Gedicht Man gab mir einen Körper - was fang ich mit ihm an und besann sich so ihres Menschseins.
Der heurige Schwerpunkt trägt den Titel  „Empört Euch!". Filme über Widerstand und Zivilcourage. Im Alter von 93 Jahren, „wenn das Ende nicht mehr sehr fern ist", wie er schreibt, hat Stéphane Hessel letztes Jahr noch einmal zur Feder gegriffen, um aus der Erfahrung seines Lebens als Widerstandskämpfer der französischen Résistance, Überlebender des Konzentrationslagers Buchenwald und Mitverfasser der Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen einen Aufruf an die heutige Generation zu richten. In seiner Streitschrift Indignez-vous!, die heuer auch in deutscher Sprache mit dem Titel Empört Euch! erschienen ist, nennt er die Gründe für seine Wut: die Behandlung von AusländerInnen, das Schicksal von EinwanderInnen ohne gültige Papiere, das Los der Roma, die Situation im Nahen Osten, die Aushöhlung sozialer Rechte und den Finanzkapitalismus. Deshalb fordert Hessel in einem Interview mit dem „Spiegel"-Magazin, dass sich jede/r von uns auf friedliche Weise empören und engagieren soll. „In dieser Welt gibt es viele Dinge, die unerträglich sind. Ich sage den jungen Leuten: Wenn ihr nur ein wenig sucht, werdet ihr solche Dinge finden."
Von Hessels Thesen angespornt, zeigt das Festival Filme über Widerstand und Zivilcourage, zum Beispiel über die Résistance, die Gerechten unter den Völkern sowie die Rolle von jüdischen ProtagonistInnen der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung. Hier wird in Zusammenarbeit mit dem Polnischen Institut Wien der Spielfilm Joanna (Regie: Feliks Falk, PL 2010) gezeigt, in welchem eine junge Frau während des Zweiten Weltkriegs ein jüdisches Mädchen bei sich zu Hause in Warschau versteckt. „Der Film stellt universelle Fragen. Wie würden wir uns in einer solchen Situation verhalten? Wie viel Liebe steckt in uns? Wie viel sind wir imstande zu opfern? Sind wir wirklich so gut, wie wir von uns denken?" (Polnische Filmwoche Nürnberg 2011).

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Liberté (Tony Gatlif, F 2009). Foto: Jüdisches Filmfestival Wien.

Am 27. März 2010 fand in der Pariser Gedenkstätte „Mémorial de Shoah" die Premiere von Liberté statt, dessen Drehbuch auf einer wahren Geschichte von Zivilcourage beruht. Regisseur Tony Gatlif, Sohn einer andalusischen Roma und eines Kabylen, erzählt hier von Anstand, Menschlichkeit und Freiheit. Für ihn sind Roma und Juden Schicksalsgenossen. In einem Interview für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung" meinte er dazu: „Beide Gesellschaftsgruppen wurden über Jahrhunderte diskriminiert und verfolgt. Vor siebzig Jahren bedeutete die Zugehörigkeit zu einer dieser Gruppen, mitten in Frankreich, fast automatisch den Tod. Die `Zigeuner-Politik´ in Deutschland und Frankreich hatte seit dem Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts den Genozid angekündigt, sie war eine Art Testlauf für die Staatsbürokratien Europas, ein Modell, das man danach in Deutschland und im Vichy-Regime für die Ausgrenzung und vor allem die Deklarierung dieser Bevölkerungsgruppen übernommen hat. Für mich als französischer Regisseur war der Film ein Risiko, denn er rührt an Dinge, die keiner hören oder gar sehen mag. Und er stellt zwangsläufig Parallelen zur Gegenwart her."

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Within the Whirlwind/Mitten im Sturm (Marleen Gorris, D/PL/B 2009). Foto: Jüdisches Filmfestival Wien.

Das Jüdische Filmfestival Wien bietet jedes Jahr in Schulvorführungen LehrerInnen die Möglichkeit, mit ihren SchülerInnen Filme, die während des Festivals gezeigt werden, anzusehen. Das Angebot kann individuell in den Unterricht eingebaut werden, und so besteht die Möglichkeit, auch eine passende Vorführzeit zu vereinbaren.
Detaillierte Informationen über das Programm sind ab Mitte September 2011 auf der Homepage des Jüdischen Filmfestivals Wien zu finden: www.jfw.at

(Stand: 22. August 2011; Änderungen vorbehalten)