Barbara Steiner: Die Inszenierung des Jüdischen. Konversion von Deutschen zum Judentum nach 1945.
Göttingen: Wallstein Verlag 2015
352 Seiten, Euro 29,90
ISBN 978-3-8353-1706-2
Es gibt in der deutschsprachigen Literatur zwar eine Reihe von Aufsatzbänden und Selbstzeugnissen über und von Konvertiten zum Judentum. Nun aber hat Barbara Steiner, die jüdische Studien, Philosophie und neuere Geschichte in Heidelberg, Jerusalem und Potsdam studiert hat, das erste, als Dissertation an der Universität Potsdam entstandene wissenschaftliche Buch zum Thema publiziert. Die Autorin hat eine sensibel geschriebene und hervorragend recherchierte Arbeit vorgelegt, die mit dem Potsdamer Nachwuchswissenschaftler-Preis ausgezeichnet wurde.
Neben der publizierten Literatur und Anträgen, die im Zentralarchiv für die Geschichte der Juden in Deutschland in Heidelberg archiviert sind, basiert das Buch auf 14 Fallgeschichten, die auf Interviews mit Personen zurückgehen, deren Namen anonymisiert wurden. Trotzdem war die Quellenlage nicht ideal; Steiner erwähnt viele vergebliche Anfragen um Interviews und Informationen an Gemeinden und Personen. Interviewen konnte sie unter anderen die Berliner Rabbiner Ernst Stein und Walter Rothschild, und zwei Rabbiner, die selbst Konvertiten sind: Rabbinerin Gesa Ederberg und Rabbiner Aharon Shear-Yashuv. Das Buch konzentriert sich auf Deutschland, wobei es auch die Ausnahmebedingungen nach 1945 beschreibt und es bezieht weiters die Situation in Israel ein. Genaue Zahlen konnte Steiner für Deutschland nicht ermitteln. Von 1955 bis 1959 gab die Zentralwohlfahrtsstelle eine Anzahl von 83 Konversionen bekannt; zwischen 2009 und 2013 traten 500 Personen in Deutschland orthodox zum Judentum über. In den USA treten vierzig Prozent der Konvertiten wegen ihrer jüdischen Partner über, in Deutschland dagegen macht diese Gruppe nur einen geringen Anteil aus. Ein beklemmendes Kapitel des Buches ist jenes über „Falsche Juden", Personen, die ihre jüdische Identität fälschten und ihre Umwelt oft erstaunlich lange zum Narren hielten. Was die Frage der Akzeptanz betrifft zieht Steiner ein negatives Fazit: „In Deutschland wie in Israel werden Nichtjuden, die zum Judentum übertreten, nicht zu Juden. Sie werden aus jüdischer Sicht zu Konvertiten". Auch ihr Resümee als Historikerin ist negativ: Die „weitgehende Tabuisierung des Phänomens der Konversion in Deutschland" beruht „auf einem nicht abgesprochenen Übereinkommen aller Beteiligten: der Konvertiten, der Rabbiner und der Gemeinden."