2011 erschien der von Bruno Bauer, Christina Köstner-Pemsel und Markus Stumpf herausgegebene Sammelband NS-Provenienzforschung an österreichischen Bibliotheken. Dass die Forschungen aber auch in den Jahren danach weitergingen, zeigten eindrucksvoll einige Vorträge, die am diesjährigen Österreichischen Bibliothekartag von 15. bis 18. September an der Universität Wien gehalten wurden.
In den Mittelpunkt des Interesses rücken seit 2014 auch die nichtbibliothekarischen Sammlungen der Universitätsinstitute. Monika Schreiber, die Leiterin der Fachbereichsbibliothek für Judaistik, stellte eine in Arbeit befindliche Pilotstudie vor, in der Methoden, Forschungsressourcen und die Praxis der institutionellen Vernetzung diskutiert werden sollen. Sie illustrierte dies an den Provenienzen der Lehr- und Schausammlung der Ägyptologie und an der Musikinstrumentensammlung des Instituts für Musikgeschichte. Diese Sammlung bot sich an, da über das Erbe des prominenten Leiters des Instituts Guido Adler 2013 in Wien eine Tagung stattfand, deren Ergebnisse demnächst veröffentlicht werden. Provenienzforschung an den Sammlungen könne nur mit Hilfe der Institute geschehen, aber die Sammlungsdokumentation nicht ersetzen. Roswitha Hammer und Regina Zodl berichteten über die Provenienzforschung an der Bibliothek der Wirtschaftsuniversität. Gefunden wurden 1.021 Bücher. Als Fallbeispiel nannten sie 669 Bücher des Chemikers Leopold Singer (1869 - 1942), der für die Raffinerie seines Vaters in Rumänien arbeitete. Bücher aus seinem Besitz konnten an eine Erbin in Israel restituiert werden. Aus Graz berichteten Markus Helmut Lenhart und Birgit Scholz über Bücher des Hamburger Juristen, Staatsrats und Vorstandsmitglieds der jüdischen Gemeinde Leo Lippmann, der 1943 vor der Deportation freiwillig aus dem Leben schied. Die Universitätsbibliothek Graz erwarb die 178 Bände von einem Hamburger Antiquariat. Erben konnten mit Hilfe von digitalisierten Zeitungen in Australien gefunden wurden. Marco Brusa von der Universität Pavia stellte das Projekt einer Rekonstruktion der Privatbibliothek des Historikers und Schriftstellers Egon Corti (1886 - 1953) vor. Sie kamen auf unterschiedlichen Wegen an die Universität Pavia, zum Teil aus dem Besitz seiner Witwe Gertrud, geborene Mautner von Markhof. Der Zwischenruf von Murray G. Hall, dass das Wort Datenschutz in Österreich für jeden Schwachsinn herhalten müsse, stimmte nachdenklich, entzündete aber keine Diskussionen. Markus Stumpf, der Leiter der Fachbereichbibliothek für Zeitgeschichte, bemerkte, dass die Dokumentation über die Rückgaben oft extrem schlecht sei. Der schwedische Sachbuchautor Anders Rydell, Autor des Buches Hitlers Bilder. Kunstraub der Nazis - Raubkunst der Gegenwart berichtete kompetent und kenntnisreich über sein neues Projekt, ein zusammenfassendes Buch über den Bücherraub (als Teil einer Trilogie, der dritte Band soll dem Musikalienraub gewidmet sein). Das Buch wird den Raub sozialistischer, freimaurerischer und jüdischer Bibliotheken durch die Nationalsozialisten untersuchen. In Schweden gibt es seiner Ansicht nach kein grosses öffentliches Interesse an diesem Thema. Nach dem Vortrag von Heidemarie Uhl zum geplanten Haus der Geschichte Österreichs wurde in der Diskussion darauf hingewiesen, dass auch dieses Haus eine eigene Sammlung mit einem intelligenten Konzept, um Überschneidungen zu vermeiden, aufbauen wird. Bei der Podiumsdiskussion zum Thema „Kulturerbe - eine gemeinsame Herausforderung", organisiert vom BAM-Austria (Bibliotheken, Archive, Museen Österreich) mit Johanna Rachinger, Gabriele Zuna-Kratky und Thomas Just, moderiert von Lorenz Mikoletzky, klagte Just, der Leiter des Haus-, Hof- und Staatsarchivs, über das jährlich geringer werdende Budget. Er lobte die Strategien der Komplettdigitalisierung und Langzeitarchivierung. Am Ende befand er, dass die Arbeit des Archivars noch nie so interessant wäre wie heute. Deutlich wurde in allen Präsentationen und Debatten, dass noch viel zu tun ist, aber das Engagement und gesammelte Wissen stimmten optimistisch.