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Der mundtote Schweizer Private Banker

Tina WALZER

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Mit Der mundtote Schweizer Private Banker legt der Schweizer Autor Roger Reiss einen fulminanten neuen Roman vor. Auf gekonnte Weise schmiedet er aus seinen beruflichen Erfahrungen mit dem Schweizer Bankgeheimnis einen packenden Thriller.

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Roger Reiss, mit freundlicher Genehmigung.

DAVID: Zuletzt führten wir über Ihr Buch Nicht immer leicht, ein Jid zu sein, Geschichten aus dem jüdischen Genf, welches inmitten der Bankenkrise erschien, ein anregendes Gespräch. Bereits damals machten Sie sich echte Sorgen um Ihren Brotberuf Private Banker im Aussendienst?

ROGER REISS: Wer hätte sich vorgestellt, dass die grösste Schweizerische Privatbank, die UBS, von der Schweizerischen Nationalbank vor einem Kollaps gerettet werden musste. Im Jahr 2008 bangten allein in der Schweiz hunderttausende Bankkunden um ihr Vermögen. Nach über siebzig Jahren Prosperität kippte die Stimmung im Banken- und Finanzsektor um, die Tage des Bankgeheimnisses waren gezählt.

DAVID:  Wie war es zu diesem Bankgeheimnis gekommen?

ROGER REISS: Ab 1933, der Machtübernahme der Nazis, wurden begüterte deutsche Juden von der Gestapo verhaftet und erpresst. Inhaftierte, die Schweizer Bankkonten unterhielten, mussten unter Todesdrohung einen unwiderruflichen Zahlungsauftrag zu Gunsten des Deutschen Reiches unterschreiben, welcher von der Schweizer Bank ausgeführt wurde. Um diesen Machenschaften entgegenzutreten, führte die Schweiz, Monate später, ein vom Volk angenommenes Bankgesetz ein. 

DAVID:  Was bewirkte das Ende des schweizerischen Bankgeheimnisses?

ROGER REISS: Das Private Banking Geschäft blühte bis 2008. Den Todesstoss versetzte ihm das UBS-Debakel. Leidtragende waren die Bankkunden, die sich hinter dem viel gepriesenen Bankgeheimnis geschützt gefühlt hatten. Im Steuerstreit mit den Amerikanern händigte die angeklagte UBS auf Geheiss des Bundesrates Bankkunden-Daten amerikanischer Staatsbürger aus, die ihr Vermögen dem US-Fiskus gegenüber nicht deklariert hatten. Diese denkwürdige Denunziation fügte dem Private Banking Geschäft unermesslichen Schaden zu.

DAVID:  Kommen wir auf ihren äusserst spannenden Roman zu sprechen. Warum haben Sie den Plot bewusst in einen historischen Kontext - Südafrika im Monat April 1994 - eingebettet?

ROGER REISS: Für einen Literat ist es leichter, sich einen Roman auszumalen, dessen Schauplatz klar abgesteckt ist. Mit den für Ende April 1994 angesetzten demokratischen Wahlen ging eine Epoche zu Ende. Die Tage der von einer weissen Minderheit geführten Apartheid - Regierung waren gezählt. Durch die Wahl von Nelson Mandela hegte die schwarze Bevölkerung grosse Hoffnungen auf Verbesserungen der soziopolitischen Situation für sie durch den Fall aller Rassengesetze. Mit Karl Engel begibt sich der Leser auf die Geschäftsreise eines Private Bankers bei seinen Versuchen, neue Kunden unter den wohlhabenden Südafrikanern zu gewinnen. Das Buch führt nicht nur nach Südafrika, sondern auch und vielmehr in das Herz des Schweizerischen Bankwesens mit seinen Abgründen, Tücken und Finessen. Während drei Wochen trifft Engel Dutzende von Kleinunternehmern, einen ingeniösen Silberveredler, einen illegalen Goldschürfer und nicht zuletzt einen gerissenen Fischzüchter. Keiner dieser äusserst innovativen Händler scheint es mit den Gesetzen genau zu nehmen, von einer streng geführten Buchhaltung fehlt jegliche Spur. Wie Karl Engel, trotz aller Bedenken, seine Bankkunden prüft, um nicht mit dem eidgenössischen Bankengesetz in Konflikt zu geraten, ist Gegenstand des Romans.

DAVID:  Birgt diese Nähe - eine zu grosse Komplizenschaft mit dem Kunden -  für den Private Banker nicht die Gefahr, dass seine Aktivität unweigerlich zum Verhängnis führt?

ROGER REISS: Tatsächlich. Dieses Spiel mit dem Feuer ist ein gewagtes Unterfangen. Wie Karl Engel sich in dieser vom Bösen und Korruption durchtränkten Geschäftswelt durchschlängelt, und wie er dem psychischen Stress standhält, zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch. A priori interessiert sich die auf Zahlenresultate erpichte Direktion kaum für die näheren Einzelheiten der Kundenbegegnungen eines Private Bankers, ausser dann, wenn dieser über Gesetze stolpert. Dann setzt sie im Nachhinein alle Kräfte ein, um sich unbeschadet aus der Affaire zu ziehen.

DAVID:  Wird Karl Engel von der Direktion nicht zu stark unter Druck gesetzt und bei Nichtgelingen viel zu schnell als Loser abgestempelt?   

ROGER REISS: Bei jeder Gelegenheit berichtet Engel seinen Vorgesetzten, wie schwierig es ist, in dieser bürgerkriegsähnlichen Lage nach superreichen Kunden Ausschau zu halten. Doch stösst er bei der Direktion auf taube Ohren. Gegen Ende des Buches resümiert Karl seine Gemütsfassung: „Ich will doch nur leben. Hab ich mir diesen halsbrecherischen Beruf ausgewählt? Nein natürlich nicht. Wenn ich es nicht mache, macht es ein anderer. So einfach ist das." 

 

DAVID:  Was sagen Sie zum heutigen Bankgeheimnis oder dem, was noch übrigbleibt?

ROGER REISS: Die Zeiten haben sich stark verändert, ein Zurückkommen, so wie es noch vor dem UBS-Debakel gang und gäbe war, ist unvorstellbar. Von Nostalgie kann keine Rede sein, doch ein revidiertes Bankgesetz, das die Spielregeln deutlich festsetzt, ist von Nöten.

Roger Reiss: Der mundtote Schweizer Private Banker, CS Publishing 2015.

376 S., erhältlich als Taschenbuch,  oder im eKindle Format bei www.amazon.de

ISBN: 9781508936671