Monika Kaczek
Moshe Zuckermann: Der allgegenwärtige Antisemitismus oder Die Angst der Deutschen vor der Vergangenheit. Mit einem Beitrag von Susann Witt-Stahl
Frankfurt am Main: Westend Verlag 2018.
256 Seiten, Paperback,
Euro 20,60 [AT] / Euro 20,00 [D]
ISBN: 978-3-86489-227-1
Zum Autor
Moshe Zuckermann wurde 1949 in Tel Aviv als Sohn polnisch-jüdischer Shoah-Überlebender geboren. 1960 wanderte die Familie nach Deutschland aus, wo Moshe Zuckermann unter anderem bei Theodor W. Adorno studierte. Seit 1970 lebt Moshe Zuckermann wieder in Tel Aviv. Dort lehrte er am Institute for the History and Philosophy of Science and Ideas (Universität Tel Aviv). Von Februar 2000 bis 2005 leitete er das Institut für Deutsche Geschichte an der Universität Tel Aviv. 2006 und 2007 war er Gastprofessor am Institut für Jüdisch-Christliche Forschung (IJCF) der Universität Luzern.
Cover: Copyright: Westend Verlag Frankfurt am Main
Zum Buch
Im Vorwort zum seinem Buch schreibt Moshe Zuckermann: „Ein Ungeist geht um in Deutschland – es ist, als habe sich der Orwellsche Neusprech ein neues Feld für seine realhistorische Manifestation gesucht und es gefunden: im Antisemitismusdiskurs des heutigen Deutschland. Wahllos und ungebrochen werden Begriffe durcheinandergeworfen, Menschen perfide verleumdet und verfolgt, (...) eine gesamte Debattenkultur in ein Tollhaus neuralgischer Befindlichkeiten und unaufgearbeiteter Ressentiments verwandelt, wobei sich linke Gesinnung nach rechts wendet und rechte Ideologen sich den Anschein der Liberalität zugeben trachten.“ (S. 7).
Die Titel der einzelnen Kapitel zeigen, dass der Autor den Bogen des Themas weiter spannt. In Israel werden wichtige Etappen der Vorgeschichte und Realität des Staates beleuchtet, wie zum Beispiel der erste zionistische Kongress von 1897 und der Sechstagekrieg 1967. Das Kapitel Deutschland behandelt Israelkritik und Antisemitismus, sowie aktuelle Auswirkungen und Entwicklungen. In Miszellen wird auch der „Fall“ Natalie Portman beleuchtet. Die amerikanisch-israelische Schauspielerin, die in Jerusalem geboren wurde, weigerte sich 2018, den „Genesis Prize“ entgegenzunehmen. Der Preis wird von der israelischen Regierung, der Jewish Agency und der Genesis-Stiftung ausgerufen. In einer Presseaussendung schildert die Schauspielerin ihre Beweggründe, die Auszeichnung nicht anzunehmen. Darin machte sie klar, dass sie keineswegs den Staat Israel boykottieren wolle, sich aber nicht als Unterstützerin von Benjamin Netanyahu und dessen Politik sehe. Diese Entscheidung Natalie Portmans schlug in heftige Aggression um, der sogar darin gipfelte, dass Yuval Steinitz, Israels Minister für Energie- und Wasserversorgung, sie heftig kritisierte und ihr unterstellte, antisemitisch zu sein.
Das letzte Kapitel ist ein Beitrag der Journalistin und Autorin Susann Witt-Stahl mit dem Titel „(Anti-)Deutsche Zustände“, der sich unter anderem mit dem Begriff „Antideutsche“ auseinandersetzt, die eine völlig unkritische Pro-USA- und Pro-Israel-Haltung propagieren. Als die im Juni 2018 verstorbene deutsch-israelische Rechtsanwältin und Menschenrechtsaktivistin Felicia Langer 2009 mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde, starteten „Antideutsche“ einen Sturm der Entrüstung. Auch Moshe Zuckermann musste sich oft mit solchen Anfeindungen auseinandersetzen: „Den Höhepunkt unüberbietbar perfider Unverfrorenheit bilden junge nichtjüdische Deutsche (Enkel der Tätergeneration), die israelischen Kritikern ihres Staates (womöglich Kinder von Holocaust-Überlebenden) Antisemitismus und Selbsthass vorwerfen. Schier unbegreiflich, welchen Abgründen ihre Anmassung entstammen muss.“
Ein lesenswertes und facettenreiches Werk. „Zuckermanns Kritik ist radikal und oft polemisch. Trotzdem ist sein Buch keine schnell lesbare populärwissenschaftliche Analyse. Das liegt am dichten Schreibstil des Autors. An manchen Stellen gleicht die Arbeit einem steilen Berg. Es bedarf einer gewissen Anstrengung, ihn zu besteigen. Doch die Mühe lohnt sich. Auf dem Gipfel ist der Horizont weiter.“1
1 https://www.aachener-zeitung.de/kultur/buch/der-allgegenwaertige-antisemit-von-moshe-zuckermann_aid-35180699 (aufgerufen: 21.01.2019)