Jeans! Levis Strauss wurde durch seine Jeans unsterblich - obwohl er das Wort selbst nie benutzte. Kein anderer Geschäftsmann verkörpert so sehr den amerikanischen Traum wie Levi Strauss. Er schaffte es vom Hausierer zum Multimillionär. Nicht, weil er selbst etwas Grossartiges erfunden hätte, sondern weil er durch beständige Arbeit zur richtigen Zeit mit den richtigen Menschen mutige Entscheidungen traf.
Levi Strauss.
Foto, ca. 1850, gemeinfrei. Quelle: Wikimedia.org, abgerufen am 16.03.2019.
Löb Strauss wurde 1829 im bayerischen Buttenheim bei Bamberg als jüngster Sohn von Hirsch und Rebecca Haas Strauss geboren. Rebecca war die zweite Frau von Hirsch Strauss. Löb hatte bereits drei ältere Halbbrüder und drei ältere Schwestern. In Buttenheim, zwischen Nürnberg und Bamberg gelegen, hatten sich bereits im 15. Jahrhundert jüdische Familien niedergelassen. Ihre Blüte erlebte die jüdische Gemeinde in den 1820er Jahren, als fast 20 Prozent der 800 Einwohner des Ortes jüdisch waren. Löb wuchs als Mitglied in einer vitalen jüdischen Gemeinde auf: Es gab eine Synagoge, eine Religionsschule, ein rituelles Bad und auch einen jüdischen Friedhof.
Die neunköpfige Familie lebte vom Handel. Löbs Vater war Hausierer für Tuch- und Kurzwaren. Er zog von Ort zu Ort, von Gehöft zu Gehöft und versorgte die ländliche Bevölkerung mit den Waren des täglichen Bedarfs. Als er 1846 an Tuberkulose starb, stand die Familie vor dem Nichts. So wanderte Rebecca Strauss mit Löb und zwei seiner Schwestern im Jahr 1847 in die USA aus. Sie folgten damit den beiden älteren Stiefsöhnen Jonas und Louis, die schon zwei Jahre früher nach New York gegangen waren und sich dort ebenfalls als Hausierer durchschlugen. Doch 1848 konnten die Brüder ein kleines Geschäft am Hebrew Market in der Lower Eastside eröffnen und Löb, der seinen Namen bald in Levi änderte, half zunächst seinen Brüdern in deren New Yorker Firma. Levi zog durch die Umgebung von New York und verkaufte als Hausierer die Waren seiner Brüder. Seine Schwester Fanny und ihren Mann David Stern verschlug der Goldrausch 1850 nach San Francisco, wo sie ebenfalls ein kleines Geschäft eröffneten. Levi beschloss, seiner Schwester zu folgen. 1853 gründete er zusammen mit ihr, seinem Schwager und seinem New Yorker Bruder die Firma „Levi Strauss & Company“.
San Francisco war zu jener Zeit eine gefährliches Pflaster: 1853 gab es bei einer Gesamtbevölkerung von 70.000 Personen zumindest 1.200 Morde. Weitere 2.400 Menschen, die in diesem Jahr dort ankamen, verschwanden spurlos. Im Hafen lagen mehr als 1.000 Geisterschiffe vor Anker – die Besatzungen hatten die Schiffe verlassen und folgten dem Ruf des Goldes. San Francisco wuchs und in der Umgebung wurden allerorts Boom-Towns aus dem Boden gestampft. Mit den Goldgräbern konnte man gute Geschäfte machen: eine Decke, die in New York 5 Dollar kostete, konnte man zu dieser Zeit in San Francisco für 40 Dollar verkaufen! Levi Strauss brachte die Waren seiner Brüder aus New York nach San Francisco und verkaufte sie dort gewinnbringend. Es waren Produkte des täglichen Lebens, unspektakuläre Sachen wie Kurzwaren, Stoffe, Zahnbürsten, Knöpfe, Hosenträger, Stoffballen, Zeltplanen und Nähzeug. Levi blieb beruflich in der Tradition seines Vaters, adaptierte aber das Warenangebot an die Bedürfnisse seiner Kundschaft. Doch schon damals begann er auch für wohltätige Zwecke zu spenden. So unterstützte er zeitlebens katholische und jüdische Waisenheime in San Francisco mit immer höheren Beträgen.
Was die Goldgräber am meisten brauchten, war strapazierfähige Arbeitskleidung. Ursprünglich verkaufte Levi Strauss sogenannte Duck Pants aus Segeltuch. Doch diese Hosen waren für die Goldgräber nicht gut genug. Anfang der 1870er Jahre hatte dann der aus Litauen stammende jüdische Schneider Jacob Youphes (1834-1908), der sich in den USA Davis nannte, eine bahnbrechende Idee. Er lebte in Reno, Nevada und Levi Strauss lieferte ihm Stoffe. Davis kam auf die Idee, die Duck Pants an den Gesäss- und Hostentaschen mit Nieten zu verstärken, so wie er es bereits für Zeltplanen getan hatte. Unter Holzfällern, Cowboys und Handwerkern wurden die Hosen populär, da sie länger hielten. Nach 18 Monaten hatte er 200 Paar Hosen verkauft und die Konkurrenz begann auf seine Hosen aufmerksam zu werden. Da er sich die Patentgebühren von 68 Dollar nicht alleine leisten konnte, nahm er mit seinem Stofflieferanten Levi Strauss in San Francisco Kontakt auf und schlug ihm einen Deal vor: Dieser sollte das Patent bezahlen, dafür würde er zu Hälfte an der Produktion beteiligt werden. Am 20. Mai 1873 genehmigte das Amt das Patent für die genieteten Pants. Davis zog nach San Francisco, verkaufte nun auch seine Hälfte am Patent an Levi Strauss und wurde Mitarbeiter in der Firma. Die vernieteten Waist Overalls verbreiteten sich schnell an der Westküste der USA: 1880 erzeugten über 250 Angestellte Overalls im Wert von 2,4 Mio. Dollar. Farmer, Mechaniker, Minenarbeiter, Eisenbahnarbeiter, Cowboys – Männer wie Frauen trugen Levi Strauss‘ Hosen. Sie wurden zum Dresscode der Arbeiterschaft im Westen der USA. Im Jahr 1890 wurde für eine Serie dieser Arbeitshosen die Partie- nummer „501“ verwendet, die sich fortan als Begriff etablierte.
Später ersetzte Levi Strauss das braune Segeltuch durch den blau gefärbten Baumwollstoff Denim (auch Jeans). Der Baumwollstoff bekam seinen Namen von der französischen Stadt Serge de Nîmes (kurz Denim) und vom italienischen Genua (franz. Gênes = amerik. Jeans), von wo aus der Stoff in die USA exportiert wurde.
Hosen, Jacken und Hemden aus dem blauen Jeansstoff wurden von unterschiedlichen Herstellern hergestellt, doch nur die Firma Levi Strauss durfte diese bis zum Ablauf des Patents im Jahr 1908 mit Nieten herstellen und wurde reich damit. Damals hiessen die Hosen noch „waist overalls“ oder einfach „overalls“ der Name Blue Jeans kam erst später in Mode.
Levi Strauss, der seine Brüder und seinen Schwager überlebte, blieb unverheiratet. 1890 übergab er die Firma seinen Neffen Jakob, Sigmund, Louis und Abraham Stern. Bis zu seinem Lebensende betätigte er sich als Philanthrop: So unterstützte er mehrere jüdische Wohlfahrtsorganisationen finanziell und stiftete 28 Stipendien für die University of California in Berkeley, die auch heute noch ausgeschüttet werden. Als Levi Strauss Ende September 1902 starb, war seine Firma sagenhafte 6 Millionen Dollar wert. Das grosse Erdbeben von San Francisco im Jahr 1906 zerstörte zwar das Firmengebäude, nicht aber die Hosen aus dem blauen Jeansstoff.
Die patentierte Hose.
Aus: Stephen van Dulken: Ideen, die Geschichte machten. Das grosse Buch der Erfindungen, Düsseldorf 2005, S. 70.
Der Begriff Blue Jeans kam nach dem Ersten Weltkrieg auf, als die mit Indigo gefärbten Hosen immer mehr zur Freizeitkleidung wurden. Die „Jeans“ verkörperten den Lebensstil des Westens: 90 Prozent der Produktion wurden in der Zwischenkriegszeit an der Westküste der USA verkauft, nur 10 Prozent an der Ostküste. Im Laufe der Jahre passten sich die Jeans auch immer mehr dem Zeitgeschmack an: In den 1920er Jahren erhielten die Hosen erstmals Gürtelschleifen, die Hosenträgerknöpfe blieben aber noch erhalten, doch der Stoffteil, der die Hosen zum Overall machte, verschwand zusehends. 1934 stellte die Firma erstmals mit der „Levi‘s Lady L2“ eigene Frauen-Jeans her. Während des Zweiten Weltkrieges wurden die Levi’s 501 auch für die US Army produziert, und so kamen die Hosen mit den amerikanischen Soldaten auch nach Europa. Die Traumfabrik Hollywood machte die Hosen nach 1945 weltweit bekannt. Nun assoziierte man mit ihnen nicht mehr das harte Arbeitsleben, sondern die Romantik des frei umherziehenden Cowboys im Wilden Westen.
Das Geburtshaus in Buttenheim.
Quelle: Wikimedia.org, abgerufen am 16.03.2019.
Der Unternehmer Levi Strauss verkörpert durch sein Leben den amerikanischen Traum vom armen Einwanderer zum Dollarmillionär. Sein Name ist heute Synonym für die blauen Baumwollhosen, die seinen Namen weltweit bekannt machten. Die Levi‘s Jeans sind eine Weltmarke, obwohl er selbst nie den Begriff „Jeans“ verwendete und nur von „Duck Pants“ sprach.
Erst 1983 fanden die Buttenheimer heraus, dass Levi Strauss die ersten 18 Jahre seines Lebens in ihrem Ort verbracht hatte und dass das Haus der Familie Strauss noch existierte. Heute ist in seinem Geburtshaus ein Levi Strauss Museum eingerichtet, das nicht nur an sein Leben, sondern auch an das Schicksal der einst so prosperierenden jüdischen Gemeinde in Buttenheim erinnert.