Ausgabe

Ein Prachtband zur Geschichte Österreichs

Christoph Tepperberg

 

Inhalt

Österreich. 

99 Dokumente, Briefe und Urkunden. Eine völlig neuartige Geschichte ­Österreichs von den Anfängen bis
zur Gegenwart. 

 

Hrsg. von Wolfgang Maderthaner.
Wien: Brandstätter Verlag 2018. 560 Seiten, ca. 150 Abbildungen,
Euro 50,00 

ISBN: 978-3-7106-0193-4 


Herausgeber und Autoren: Der Herausgeber Wolfgang Maderthaner ist Generaldirektor des Österreichischen Staatsarchivs. Als Koautoren konnte er mehrere Mitarbeiter/innen des Österreichischen Staatsarchivs sowie Personen seines kulturpolitischen Netzwerkes gewinnen.

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Die Genese des Buchprojekts:

Das Österreichische Staatsarchiv ist der zentrale Aufbewahrungsort von Dokumenten zur Geschichte Österreichs. Von den dort verwahrten knapp 200.000 Laufmetern an historischen Unterlagen werden laufend einzigartige Dokumente in Ausstellungen der Öffentlichkeit präsentiert. Meilensteine waren dabei zwei virtuelle Ausstellungen, die – auf der Homepage des Staatsarchivs gepostet – bis heute ein breites internationales Publikum ansprechen: „100 Jahre Erster Weltkrieg“ (2014) und „Kaiser Franz Joseph“ (2016). Auch für das Gedenkjahr „100 Jahre Republik Österreich“ (2018) war ein derartiges Jubiläumsprojekt geplant: 100 signifikante Zimelien, vor allem aus den Beständen des Staatsarchivs, sollten ausgewählt und als Faksimiles mit erläuternden Texten einer breiten Öffentlichkeit präsentiert werden. Obwohl sich die online-Präsentationen des Staatsarchivs wegen ihres internationalen Verbreitungsradius durchaus bewährt hatten, erschien zunächst lediglich der hier vorliegende illustrierte Prachtband. Letztendlich wurde aber im Frühjahr 2019 dann doch noch eine entsprechende virtuelle Ausstellung auf der Website des Staatsarchivs hochgeladen (https://oe99.staatsarchiv.at/).

Der Prachtband und seine 99 Dokumente:

Der Titel des Prachtbandes erinnert auffallend an die „99 Luftballons“, den Erfolgssong der deutschen Popgruppe „Nena“ aus den 1980er Jahren. Der Herausgeber bezieht sich allerdings auf die Ausstellung von Peter Greenaway „100 Objects to represent the World”, die 1992 anlässlich des 300-Jahr-Jubiläums der Akademie der bildenden Künste in Wien zu sehen war. Der Titel „Dokumente, Briefe und Urkunden“ wirkt ein wenig unprofessionell, denn „Dokumente“, ein Sammelbegriff für (schriftliche) Quellen, schliesst Briefe und Urkunden mit ein. Der Grossteil der beschriebenen Texte ist mit WM (Wolfgang Maderthaner) signiert. Ein grosses Lob daher an den Herausgeber, der sozusagen über Nacht vom Zeithistoriker zum Mediävisten und Frühneuzeitler mutierte und neben seinen umfangreichen Leitungsgeschäften als Generaldirektor des Staatsarchivs noch die Zeit fand zahlreiche Dokumente zu entziffern, zu übersetzen und zu kommentieren. Die Beiträge der Autoren sind solid gearbeitet, die Faksimiles von hoher Qualität. Die „feuilletonistischen” Kapitelüberschriften der Beiträge heben das po­pulär­­­wissen-
schaft­liche Habit des Bandes hervor. Der Band ist gut gegliedert und mit nützlichen Handreichen versehen: Literatur- und Signaturverzeichnis, Bildnachweis, Personenregister sowie Kurzbiografien der Autorinnen und Autoren. 

 

Dokumente zum Judentum:

Der Band enthält auch Dokumente über das Judentum in der Habsburgermonarchie, intellektuelle und kulturelle Leistungen assimilierter Juden, Antisemitismus, Holocaust, Emigration und Rückkehr, insbesondere: „Der Gelbe Ring – Zur Kennzeichnungspflicht für Juden” (Judenpatent Kaiser Ferdinands I. 1551); „Kryptogramme der Moderne” (Gustav Mahlers Ernennung zum Wiener Hofoperndirektor 1897); „Der Hofrat der Revolution” (Victor Adler an Friedlich Engels 1892); „Eros und Thanatos” (Professoren der Wiener Universität gegen Gustav Klimt 1900); „Wovon man nicht sprechen kann ...” (Aus dem Kriegstagebuch des Ludwig Wittgenstein 1914); „Attentat, relativiert” (Schreiben von Albert Einstein an Friedrich Adler 1917); „Die Kelsen-Verfassung” (Entstehung der österreichischen Bundesverfassung 1920); „Es, Ich, Über-Ich” (Gutachten Sigmund Freuds zur Heilmethode des Elektroschocks 1920); „Kaisersemmel in Hollywood” (Der Filmschaffende Erich von Stroheim um 1919); „Die Schöne und das Biest” (Film-Nackedei Hedy Lamarr 1930); „Dannenberg” (Robert Dannenberg: Sozialdemokrat, Intellektueller und Opfer des Holocaust 1942); „Eichmanns Zwischenbilanz” (Statistiken von Adolf Eichmann und Alois Brunner 1938-1941); „Banalität des Bösen” (Anmeldung und Beschlagnahme jüdischen Vermögens 1938, 1941); „Musik liegt in der Luft” (Über Nazis, Emigranten und den Wiederaufbau der Wiener Oper 1946); „Der Herr Karl” (Aus dem Originalmanuskript des Carl Maerz und Helmut Qualtinger 1961); „Leon Wolke” (André Heller besingt den Holocaust 2002).

 

„Eine völlig neuartige Geschichte
Österreichs“?

Der Prachtband hält für den Konsumenten schöne Quellenbeispiele, Bilder und Faksimiles, dazu gute Texte in moderaten Leseportionen bereit, ist somit in seiner Konzeption durchaus konventionell. Die Ankündigung des Verlages, es werde hier „die Geschichte Österreichs [...] auf ungewöhnliche und völlig neuartige Weise erzählt“, ist daher nicht ganz nachvollziehbar. Auch die Formulierung des Untertitels „von den Anfängen bis zur Gegenwart“ ist nicht wirklich innovativ, erinnert im Gegenteil an ältere Geschichtsdarstellungen.

Der Prachtband ist im Lexikonformat und „Hardcover mit gold eingefärbtem Überzug, Heissfolien- und Blindprägung“ ausgestattet und wiegt über drei Kilo, – ein ansprechendes voluminöses Geschenk. Nicht ohne Grund erfolgte die Präsentation durch eine Lesung des Herausgebers am Tag des Heiligen Nikolaus in einer Filiale der Geschenkbuchhandlung Thalia, – als Präsent für den gehobenen Bedarf durchaus empfehlenswert.