Die jüdischen Gründungsmitglieder der Oesterreichischen Nationalbank 1816 und ihre Grabmäler am jüdischen Friedhof Währing in Wien.
Serie, Teil 9: Wiener Familien
Aus Wien stammten die Familien Wertheim sowie Wertheimstein, die als Gründungsaktionäre der Oesterreichischen Nationalbank aktiv wurden. Unter ihren Vorfahren führen sie den berühmten Hoffaktor und ungarischen Landesrabbiner Samson Wertheimer an, und einer von ihnen wurde sogar Direktor der OeNB.
Aus dem Wiener Zweig der Familie Wertheim wird in den Listen der OeNB-Gründungsaktionäre, wie sie in zeitgenössischen Tageszeitungen abgedruckt waren, der Kaufmann Ignatz Wertheim (1769 – 14.1.1838) genannt. Von ihm heisst es in den Akten, er sei vor Ort alleine tätig gewesen, da sich seine Geschwister alle nicht in Wien aufhielten. Sein Metier war der Handel mit Diskonten und anderen Staatspapieren. Da er erst 1807 um Verleihung der Toleranz – Aufenthalts- und Arbeitsbewilligung als k.k. „tolerierter Jude“ - eingereicht hatte, neun Jahre später aber bereits den Staatshaushalt massgeblich unterstützen konnte, muss er geschäftlich sehr tüchtig gewesen sein. Er blieb unverheiratet und verstarb mit 69 Jahren in seiner Wohnung in der Kärntnerstrasse 9. Direkt neben ihm hat nur vierzehn Tage später ein weiterer OeNB-Gründungsaktionär, der federführende Mitbegründer der IKG Wien, Michael Lazar Biedermann (1769 – 1843), seine plötzlich und tragisch verstorbene Frau bestatten lassen: es ist daher davon auszugehen, dass die Herren Biedermann und Wertheim, die dem gleichen Jahrgang entsprangen, einander auch freundschaftlich eng verbunden waren.
Zu den jüdischen Gründungsmitgliedern der Oesterreichischen Nationalbank zählten unter anderem aber auch mehrere Familien-Clans. Die grösste Anzahl an Familienmitgliedern konnten die Leidesdorf – Pontzen – Trebitsch – Kohn – Wertheimstein zur Rettung der österreichischen Staatsfinan-
zen motivieren.
Grabmäler des Direktors der Oesterreichischen Nationalbank, Sigmund Edler von Wertheimstein, und seiner Ehefrau Nanette
geb. Kohn am jüdischen Friedhof Währing. Zustand 2017.
Foto: T. Walzer, mit freundlicher Genehmigung.
In den veröffentlichten Listen der Gründungsaktionäre sind „H. Wertheimsteins Söhne“, „von Sel. Wertheimstein Sohn“ sowie Heinrich Hermann Edler von Wertheimstein angeführt. Beim hier genannten, im Gründungsjahr der Nationalbank 1816 bereits verstorbenen Vater handelt es sich um den Grosshändler Hermann Edler von Wertheimstein (1753 – 30.03.1812). Er wohnte in einem Haus Ecke Weihburggasse/Franziskanerplatz bei einem Grafen zur Miete und starb im Alter von 59 Jahren, als er vom Schlag getroffen wurde. Sein Grab befindet sich in der alten Prominentengruppe des jüdischen Friedhofs Währing in der Mitte der Reihe 3. Seine Ehefrau Henriette geb. Herzberg (1761 – 18.09.1824) überlebte ihn um zwölf Jahre und führte die Geschäfte weiter, bis ihre Söhne alt genug waren, um die Firma übernehmen zu können. Henriette stammte aus Brody in Galizien, von wo ihr Vater Naftali als Rabbiner nach Saporog im damaligen Russland berufen wurde. Sie wurde 63 Jahre alt, ihr Grab befindet sich östlich von Herman in der nächsten Grabreihe, also zentral im Familiencluster der Wertheimsteins. Beide schönen Grabsteckplatten trugen das Wappen der Wertheimsteins mit dem springenden Hirsch. Sie wurden bedauerlicherweise bei einem Sturmschaden im Jahr 2017 zertrümmert.
Hermanns und Henriettes Sohn Sigmund Edler von Wertheimstein (24.2.1797– 18.06.1854) führte die Geschäfte des Vaters weiter als k.k.privilegiertes Grosshandlungshaus Hermann von Wertheimsteins Söhne und wurde in späteren Jahren sogar Direktor der Oesterreichischen Nationalbank. Er war sehr sozial engagiert: so gründete er unter anderem ein Siechenhaus und richtete testamentarisch ein Legat von 16.000 Gulden für Wohltätigkeitsanstalten ein. Im Jahr 1819 hatte Sigmund sich mit Nanette geb. Kohn (01.01.1800 – 27.04.1849), der Tochter von Kaspar Kohn vermählt. Nanette war nämlich eine der Schwestern von Albert Kohn und Lazar Leopold Kohn, die beide ebenfalls zu den Gründungsaktionären der Oesterreichischen Nationalbank zählen - über sie wurde in Teil 4 dieser Serie eingehend berichtet.1 Nanette fiel im Alter von 49 Jahren einer der Typhus-Epidemien zum Opfer, die immer wieder in der Stadt grassierten. Zuvor war bereits ihr Schwager und Mitbewohner, Sigmunds Bruder Heinrich Hermann Edler von Wertheimstein (1799 – 15.06.1830), mit nur 31 Jahren an der Lungenschwindsucht verstorben. Die Familie hatte gemeinsam eine Wohnung im Häuserblock Spiegelgasse/ Plankengasse/ Dorotheergasse bewohnt. Der so jung dahingeraffte „kleine Bruder“ wurde neben seiner Mama am jüdischen Friedhof Währing bestattet.
In der kommenden Ausgabe des DAVID lesen Sie zu dieser Serie, Teil 10: Berühmte jüdische Familien aus Deutschland als Mitbegründer der Oesterreichischen Nationalbank.