Christa Chorherr: Im Schatten des Halbmonds. Christenverfolgung in islamischen Ländern
Wien - Graz - Klagenfurt: styria premium, 2013
287 Seiten, 23 Abbildungen, 16 Karten, 1 Diagramm, 24,99 Euro
ISBN 978-3-222-13393-0
In seiner Neujahrsansprache, für 2014, sagte Papst Franziskus, man müsse für die Christen beten, denen es in vielen Ländern der Welt ausgesprochen schlecht gehe. Er hätte sie ruhig beim Namen nennen dürfen: denn gemeint hat er vor allem die Christen in arabischen Ländern. Da kommt das nun vorgestellte Buch von Christa Chorherr über „Christenverfolgung in islamischen Ländern" gerade recht.
Wer wissen möchte, wie sich das frühe Christentum - und nach ihm der Islam -- im Nahen und Mittleren Osten ausgebreitet hat, dem sei dieses Buch wärmstens empfohlen. Die Verfasserin verfolgt in zwei Kapiteln die historisch belegte Unterdrückung der Christen: Da gibt es die Deportation der Griechisch-Orthodoxen, den Todesmarsch der Armenier sowie den Rückgang der grossen Kirchen. Viel ist zu erfahren über den Dschihad, den grossen wie den kleinen, über Kalifen, Sultane und Emire, über Dhimma, den „Schutzvertrag" für Christen (und Juden) und die Dschizya, die Abgabe, die Christen (und Juden) an muslimische Behörden leisten müssen. Nicht ganz einverstanden bin ich mit der Ansicht der Verfasserin, die Dhimmis, also die Christen lehrten die Muslime alles, was sie wissen sollten und wollten, angefangen von Architektur, über Medizin bis zum Rechtswesen.
Im 19. und 20. Jahrhundert schliesslich setzt der wohl endgültige Niedergang der Christen im Nahen und Mittleren Osten ein. In einem bedrückenden siebten Kapitel verfolgt Chorherr die Lage der Christen in islamischen Ländern heute, spricht von einer Re-Islamisierung, der Scharia als Grundlage für Recht und Politik, dem Einsatz des Terrorismus und dem Ende der Meinungsfreiheit. Land um Land, von Marokko im Westen über Nigeria, Sudan, Eritrea bis nach Saudi-Arabien, dem Jemen, Pakistan, Afghanistan, mit Malaysia und den Malediven im Westen, zeichnet die Verfasserin ein beklemmendes Bild von Unterdrückung und Verfolgung, Übergriffen und Zwangskonversionen zum Islam. Und auch der „arabische Frühling" in Nordafrika hat den dort seit Jahrhunderten ansässigen Christen keinerlei Erleichterung gebracht, ganz im Gegenteil. In Ägypten müssen die Kopten, immerhin 10 Prozent der Bevölkerung, mit ansehen, wie ihre Kirchen in Brand gesteckt werden. Der Libanon, bis zum Bürgerkrieg 1975 ein vorwiegend christliches Land, ist mittlerweile auch kein christlicher Staat mehr. Und auch die Türkei ist schon seit Längerem bemüht, sich ihrer ungeliebten christlichen Minderheit zu entledigen. Kein Wunder, dass die christlichen Populationen in allen genannten Ländern zusehends schrumpfen und vermutlich schon bald ein Ende einer christlichen Präsenz zumindest in einigen islamischen Staaten abzusehen ist.
Befremdlich ist Chorherrs Blick allerdings auf die Christen im heutigen Staat Israel, das sich nicht als „islamischer Staat" versteht. Bei genauerem Hinschauen ist zu erfahren: „In der Zeit der jordanischen Herrschaft (1948-1973 sic!) über das Westjordanland und Teile Jerusalems wurde der Druck auf die Hierarchie des griechisch-orthodoxen Patriarchats Jerusalems, sich zu arabisieren, verstärkt" (S. 135). Dank des Einmarsches der israelischen Armee im Jahr 1967 wurde dieser Arabisierungsprozess angehalten. Dennoch, sagt Chorherr, bekannten sich die Orthodoxen und die griechischen Katholiken zu ihrem Arabertum. Weniger gut war ihr Verhältnis zum Staat Israel, spielten sie doch in der palästinensischen Bewegung eine bedeutende Rolle. Erwähnt sei Erzbischof Capucci von Jerusalem: Er schreckte nicht einmal davor zurück, in seinem Dienstwagen Waffen für die PLO zu transportieren. Kein Wunder, dass er verhaftet und abgeschoben wurde. Ich hätte gerne gewusst, wie die deutschen Behörden mit einem Bischof umgegangen wären, wenn er seinerzeit für die Bader-Meinhoff-Gruppe Waffen in seinem Dienstwagen geschmuggelt hätte. Und auch sonst ist die gut informierte Verfasserin vage bis ungenau, wenn sie auf Israel zu sprechen kommt. Zwar weiss sie, dass Israel die Halbinsel Sinai 1979 im Rahmen des Friedensvertrags an Ägypten zurückgegeben hat, nicht aber, dass Israel im Jahr 2005 den Gasastreifen völlig geräumt hat - und die Ortschaften auf israelischer Seite seither mit Hunderten von Raketen beschossen werden.
Schade, Frau Chorherr! Wenn Sie bei diesen - mühelos zu überprüfenden -- Fakten so ungenau sind, wie sieht es dann mit der Seriosität und Genauigkeit Ihrer anderen Zahlen aus?