Ausgabe

Die Haut des Feindes Erinnerungen an Sally Perel s.A. (1925–2023)

Monika Kaczek

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Sally Perel bei der Buchmesse Madrid, 2014. Quelle: wikimedia commons, gemeinfrei:

https://de.wikipedia.org/wiki/Sally_Perel#/media/Datei:Sally_Perel_-_01.jpg

; https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/

 

Im Jahre 1990 erschien Agnieszka
Hollands
Film Hitlerjunge Salomon. Er schildert das bewegte Leben von Salomon Perel, der als „Volkdeutscher“ getarnt den Zweiten Weltkrieg überlebte. Am 2. Februar verstarb Perel im Alter von 97 Jahren in Israel.  

Inhalt

Salomon „Sally“ Perel wurde am 21. April 1925 in Peine bei Braunschweig als Sohn eines Rabbiners geboren. Als er zehn Jahre alt war, zwang die Verfolgung die sechsköpfige Familie zum Umzug ins polnische Łódź, von wo er in die UdSSR fliehen konnte. Nach dem Überfall deutscher Truppen auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941 fiel er deutschen Truppen in die Hände. 

 

Der Satz seiner Mutter „Du sollst leben!“ begleitete ihn die ganze Zeit, und als er von der Wehrmacht gefangen genommen wurde, gab er sich als „Volkdeutscher“ namens Josef „Jupp“ Perjell aus – ein angebliches Mitglied der deutschen Streitkräfte, für die Sally Perel als Dolmetsch tätig war. Nach einem Jahr an der Ostfront wurde er auf eine Schule der Hitlerjugend geschickt. Im Sommer 1943 kam „Jupp“ ins Volkswagen-Vorwerk nach Braunschweig, wo er eine Lehre zum Werkzeugmacher begann. Bis zum Kriegsende fürchtete er täglich seine Enttarnung. Als Teil des Volksturms erlebte Sally Perel im April 1945 die Befreiung durch die U.S.-Truppen.

 

Ausser seinen Brüdern David und Isaak, die nach Israel auswanderten, überlebte kein Familienmitglied die Shoah. 1949 zog auch Sally Perel nach Israel, wo er vierzig Jahre brauchte, um seine Lebensgeschichte während des Zweiten Weltkriegs zu verarbeiten: 

 

„Und doch fällt es Sally Perel schwer, sich von seiner falschen Identität zu lösen: ‚Die Haut des Feindes klebte so fest an mir, da hat es eine ganze Zeit gedauert, bis sie sich gelöst hat‘, beschreibt er rückblickend seine Zerrissenheit.“1

 

1959 heiratete er seine Frau Dvora und wurde Vater von zwei Söhnen. Nach einer Herzoperation entschloss er sich 1985 seine Biografie zu verfassen, die er in deutscher Sprache schrieb. Ich war Hitlerjunge Salomon erschien 1991 auf Hebräisch unter dem Titel Korim li Schlomo Perel (dt. Ich heisse Schlomo Perel). Ab den 1990er Jahren führten ihn Lesereisen nach Deutschland, wo er auch Vorträge an Schulen hielt. 1999 wurde er mit dem deutschen Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Seit 2013 vergibt das Volkswagen Werk Braunschweig den Sally-Perel-Preis für Respekt und Toleranz für beispielhafte Initiativen an Schülerinnen und Schüler.

 

In einem Interview, das Felix Wallisch für den Spiegel mit Sally Perel 2018 führte, zieht Perel Parallelen zwischen der heutigen Situation in Deutschland – das immer sein Mutterland war – und der Weimarer Republik. Zur Frage, ob der Aufstieg der AfD und rassistische Ausschreitungen sein Bild von seinem Mutterland veränderten, meinte er: 

 

„Im Gegenteil, das spornt mich an. Ich habe Ähnliches als Kind in der Weimarer Republik erlebt, und das fängt genauso wieder an. Da ich überlebt habe, habe ich mit meiner Geschichte und meinen Erfahrungen etwas beizutragen, das die Jugend vielleicht widerstandsfähiger macht gegen den aufkeimenden Neonazismus. Ich fühle mich wie ein Wächter, der warnt, wie gefährlich es ist, wenn man wieder gleichgültig bleibt. Man muss wachsam sein und etwas dagegen tun. Nicht mit Gewalt – ich glaube, mit Gewalt erreicht man immer das Gegenteil. Aber wenn die sagen, ‘Wir sind das Volk’. Dann muss man sagen: ‘Nein. Wir sind das Volk’.“2

 

Sally Perel starb am 2. Februar im Kreis seiner Familie in Givataim bei Tel Aviv.

 

Anmerkungen

1 https://www.ndr.de/geschichte/koepfe/Sally-Perel-Den-Holocaust-in-der-Haut-des-Feindes-ueberlebt,sallyperel128.html (03.02.2023)

2 https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/hitlerjunge-salomon-sally-perel-ueber-rechtsruck-in-deutschland-a-1227904.html (03.02.2023)