Wien verdankt dem mährischen Städtchen Prostějov (dt. Prossnitz), in unserem Fall eher Schtedtl, viel.
Elfriede Jelinek. Foto: Karin Rocholl. Rowohlt Verlag, mit freundlicher Genehmigung.
Der Architekt Max Fleischer stammt von hier, genauso wie der Komponist Ignaz Brüll, der Begründer der Manz‘schen Verlags-Buchhandlung Richard Stein oder die Vorfahren der Schriftsteller Stefan Zweig und Hermann Broch. – Und der Vater von Elfriede Jelinek.
Dieser von den Nazis verfolgte Friedrich Jelinek durchzieht das gesamte Werk der Schriftstellerin. In ihrem jüngsten Buch „Angabe der Person“ kommt Elfriede Jelinek zu Autobiographischem, zu ihrer in Auschwitz ermordeten Grosstante Flora Felsenburg, zu ihrem Onkel, der Dachau überlebte und danach Suizid beging, und eben auch wieder auf ihren Vater, über den sie schon im Jahre 2009 geschrieben hatte:
„Mein Vater, Dipl. Ing. Dr. Friedrich Jelinek, Halbjude, hat unter grössten Schwierigkeiten unter den Nazis sein Studium abschliessen dürfen, als Chemiker durfte er dann nach mühevoller und von Schikanen begleiteter Beendigung seines Studiums, als eine Art Edel-Zwangsarbeiter, dienstverpflichtet bei Semperit Traiskirchen, wo er ebenfalls seine ganz eigene Ehre bekommen hatte, und zwar die, gegen seinen Willen an kriegswichtigen Erfindungen für die Nazis mitwirken zu dürfen, sein Teil beitragen, ein Teil, das ihm bis zu seinem Lebensende dann, ihn quälend, gefehlt hat“.
Jelineks Vater überlebte diese Verfolgung, erkrankte aber, sodass er 1969 im Irrenhaus, am Wiener Steinhof, starb.
Anlässlich der Zuerkennung des Literatur-Nobelpreises äusserte sich die österreichische Schriftstellerin zu ihrem Schaffen,
„ dass das mit dem verschwundenen jüdischen Biotop zu tun hat, von dessen Rändern ich doch irgendwie herkomme.“
Sie sieht sich selbst in der Tradition Ludwig Wittgensteins und Karl Kraus‘, einer sehr sprachzentrierten Literatur, die eigentlich weniger mit Inhalten arbeitet als mit der Lautlichkeit, mit dem Klang von Sprache.
Bei ihr, so meinte sie einmal, komme noch das barocke Element hinzu, das sie als das mütterlich-katholische Erbe betrachtet, das barocke Über-Die-Ufer-Treten der Sprache.
Buchcover. Foto: Rowohlt Verlag, mit freundlicher Genehmigung.
Nachlese
Elfriede Jelinek: Angabe der Person. Hamburg: Rowohlt 2022.
192 Seiten, Euro 25,50.-
ISBN: 978-3-498-00318-0