Die Nazis haben es nicht geschafft, alle jüdischen Kulturdenkmäler zu zerstören, dazu war im Tausendjährigen Reich zu wenig Zeit. Es sieht so aus, als müsse die heutige Politikergeneration dieses Werk vollenden und alles ruinieren, was noch an die jüdische Vergangenheit Österreichs erinnert.
Gänserndorf braucht kein Rabbinerhaus mehr, das ist offensichtlich, das jüdische Problem wurde schon 1938 gelöst. Aber seit 2018 wird heftig daran gearbeitet, ein denkmalgeschütztes Synagogenensemble zu zerstören und dafür – wie zeitgemäss! – einen Parkplatz zu errichten. Die Kosten der Klagen gegen das Bundesdenkmalamt trägt hoffentlich der Steuerzahler? Jetzt nimmt der Bürgermeister, gestärkt durch die leichten Verluste bei der Gemeinderatsneuwahl 2025[1], einen erneuten Anlauf, um die historischen Gebäude endlich loszuwerden.
Der Bürgermeister lässt sein Stadtparlament wieder einmal abstimmen, und wie es in einer Demokratie österreichischer Spielart üblich ist, weiss man schon vorher, was beim Votum herauskommt. Alle werden für den Abriss stimmen, die ökosoziale Wirtschaftspartei aus naheliegenden Gründen. Die Roten wollen Arbeitsplätze schaffen, vielleicht für einen geprüften Parkplatzwärter aus den eigenen Reihen? Die Blauen sind auch dafür, sind ihnen die Gebäude vielleicht peinlich? Die Grünen sind gegen den Abriss, wurden dafür aber von den Wählern mit 2,83 Prozent der Stimmen bestraft. Offenbar hat aber auch das Bundesdenkmalamt plötzlich nicht mehr so viel gegen einen Teilabriss, wie aus einem Brief seines Leiters an Markus Landerer von der Initiative Denkmalschutz hervorgeht. Ist das Amt weich geworden von den jahrelangen Prozessen? Za wos brauch ma dann ein Bundesdenkmalamt?
Gänserndorf ist nicht das einzige, aber das schlimmste Beispiel für eine Entwicklung, die nach den üblen Sechziger Jahren – Stichwort Rauchfangkehrerkirche in Wien – schon überwunden schien. Aber nachdem die Bürgermeister, meist völlig ahnungslos, die Baubehörde Erster Instanz sind, von einer veralteten Bundesverfassung mit absoluter Macht ausgestattet, sind sie imstande, auch den letzten Rest von historischem Gewissen, von Baukultur, von ortstypischer Architektur auszuradieren und das Aussehen der österreichischen Städte und Dörfer den Ortschaften im Mittelwesten der U.S.A. oder in Sibirien anzugleichen.
Dieser Fall ist besonders interessant, korreliert er doch zeitlich mit einem enormen Anstieg des Antisemitismus in der Bevölkerung und den linken Medien, auch im ORF. Immerhin hatte dieser noch am 23.11.2023[2] sehr objektiv über den geplanten Abriss berichtet, in diesem Beitrag wurde hervorgehoben, dass der Bürgermeister keine Pläne für das Areal zu haben scheint, unter dem Motto „Hauptsach‘ hin is‘“! Das verwundert sehr, denn in Wien, der Hauptstadt der Bauspekulation, gibt es immer schon einen Plan, bevor ein historisches Gebäude plattgewalzt und für immer vernichtet wird, ob dies im 1., im 3., im grasgrünen 7. oder neuerdings im 15. Bezirk geschieht.
Was bleibt dem Kulturmenschen übrig, als zu jammern? Meine Hoffnung, dass die Gänserndorfer rebellieren und einen Aufstand für den Erhalt des jüdischen Erbes machen, ist begrenzt. Dass die Gänserndorfer Stadtregierung zur Vernunft kommt auch. Dass das Bundesdenkmalamt konsequent bleibt? Nein, wir sind halt in Österreich. Hier gilt Kultur nichts, jüdische schon gar nicht, man hat kein ästhetisches Empfinden und kein bisschen Respekt vor der Vergangenheit. Und wenn Herr T. jetzt fragt: „Za wo brauch ma des?“ dann ist die Antwort: Damit sich 1938 nicht wiederholt.
Nachlese
Ingrid Oberndorfer, Die Synagoge Gänserndorf, David 120 (2019)
Bildmaterial: Initiative Denkmalschutz, Mag. Markus Landerer, mit freundlicher Genehmigung und atlas.noe.gv.at.
Gänserndorf, Rabbinerhaus, Juli 2018. Foto: Initiative Denkmalschutz, mit freundlicher Genehmigung M. Bittner.
Gänserndorf, Rabbinerhaus, Juli 2018. Foto: Markus Landerer, mit freundlicher Genehmigung M. Bittner.
Luftbild. Quelle: kataster.atlas.noe.gv.at, mit freundlicher Genehmigung M. Bittner.
[1] https://www.meinbezirk.at/gaenserndorf/c-politik/alle-wahlergebnisse-aus-dem-bezirk-gaenserndorf_a7112113 abgerufen 25.06.2025
[2] https://noe.orf.at/stories/3232452/ abgerufen 30.06.2025