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Hollywood-Cowboys für den Frieden Leonard Nimoy und Paul Newman

Tina Walzer

Die beiden Hollywood-Schauspieler Leonard Nimoy und Paul Newman verkörperten inmitten des Kalten Kriegs auf unvergessliche Art den amerikanischen Helden – zur Erde und im Weltall. Auf Bildschirm oder Kinoleinwand, wie auch in der Wirklichkeit, für Frieden und Gerechtigkeit in der Welt engagiert, sind sie bis heute Kultfiguren ihrer Genres.

Inhalt

Leonard Simon Nimoy kam am 26. März 1931 in Boston zur Welt. Seine Eltern Dora geb. Spinner und Max Nimoy waren jiddisch-sprachige Flüchtlinge aus der damals sowjetrussisch regierten Stadt Iziaslav, in der westukrainischen Region Wolhynien. Schon als Kind schauspielerisch und sängerisch begabt, erhielt Leonard seine erste grössere Rolle im Alter von 17 Jahren in einem Stück über jene Alltagsschwierigkeiten einer jüdischen Familie, die ihm aus seiner eigenen Kindheit bestens vertraut waren, während der amerikanischen Wirtschaftskrise der 1930er Jahre, der Grossen Depression. Der Anfangserfolg bewog ihn, eine professionelle Schauspielausbildung zu absolvieren. Bis zu seiner ersten grossen Rolle war es dennoch ein weiter Weg. Zwischendurch musste er als Eisverkäufer, Zeitungsausträger oder Taxifahrer arbeiten, bevor er an der Seite von William Shatner, dessen jüdisch-orthodoxe Vorfahren ebenfalls aus der Ukraine und Litauen stammten, als seinem Captain Kirk auf den ersten TV-Serienflug des Raumschiffs Enterprise startete, um in der Science Fiction-Welt das Universum zu retten. Damit begann auch privat eine lebenslange, enge freundschaftliche Verbundenheit zwischen den beiden Darstellern.[1]

 

Mission Impossible

Mitten im Kalten Krieg produzierte der amerikanische Fernsehsender CBS eine Serie von Spionage-Thrillern, Mission Impossible (1966–1973), die auf Deutsch unter dem Titel Kobra, übernehmen Sie lief. Amerikanische Agenten bekämpfen darin feindliche Regierungen hinter dem Eisernen Vorhang und Drittwelt-Diktatoren ebenso wie korrupte Industrielle und kriminelle Vereinigungen. Nimoys Rolle als "Paris" in den Staffeln 4 und 5 (1969–1971) bestand aus einer Mischung von Schauspieler, Magier und Verwandlungskünstler. Aber auch als Western-Cowboy versuchte sich Nimoy, in Catlow (1971, mit Yul Brinner), bevor er in die Rolle von Golda Meirs Leinwand-Ehemann schlüpfte (A Woman Called Golda, 1982, mit Ingrid Bergman als Golda Meir).

 

Space Cowboy Nimoy

Nimoys bekannteste Rolle war wohl jene des Mister Spock in der Fernseh- und später Filmserie Raumschiff Enterprise (engl. Star Trek). Fünfzig Jahre lang, von 1966 bis 2013, spielte Nimoy einen Vulkanier, der als solcher (ausser an seinen spitzen Ohren) vor allem an seinem speziellen Gruss erkennbar war: der erhobenen rechten Hand mit zum Segen eines Kohen gespreizten Fingern. Eine Hollywoodlegende will es, dass Nimoy selbst die jüdische rituelle Priestergeste in seine Science Fiction-Welt einbrachte. Sein mit dem Gruss zugleich ausgesprochener Vulkanier-Segen jedenfalls lautet in der deutschen Synchronfassung: "Lebe lang und in Frieden" (live long and prosper, abgekürzt: "LLAP"). Und die passende Antwort darauf ist: "Peace and long life" – "Frieden und ein langes Leben". Nimoys letzte Botschaft an die Welt (seine Gedichte verschickte er via Twitter) war, kurz vor seinem Tod am 27. Februar 2015:

"Ein Leben ist wie ein Garten, mit perfekten Momenten, die man nicht haltbar machen kann – ausser in der Erinnerung. LLAP."[2]

 

U.S.-Präsident Barack Obama hob Nimoys integrativen Kulturtransfer auf die unmittelbar politische Ebene, indem er selbst den Priestergruss als Geste übernahm; in seinem Nachruf auf den Spock-Schauspieler fasste er es so zusammen:

"[...] Raumschiff Enterprise vertrat eine optimistische, inklusive Vision von der Zukunft der Menschheit. [...] 2007 durfte ich Leonard persönlich kennenlernen. Logischerweise begrüsste ich ihn mit dem Vulkanischen Gruss, dem allgemeingültigen Zeichen für Lebe lang und in Frieden. [...]"[3]

 

 

Cowboy für den Frieden

Paul Leonard Newman wurde am 26. Januar 1925 in Cleveland Hights, Ohio geboren, seine Eltern waren Arthur Sigmund Newman, jüdischer Inhaber eines Sportartikelgeschäfts mit Vorfahren aus Ungarn und Polen, und Theresia Garth, geboren als Terézia Fecková in eine katholische Familie in der heutigen Slowakei. Im Zweiten Weltkrieg versah Newman seinen Militärdienst in der U.S.-Navy und überlebte als Einziger seiner Einheit, danach führte er fünf Jahre lang das Geschäft des Vaters, bis zu dessen Tod. Es folgte die Ausbildung im New Yorker Actor's Studio. Newman zählte dort zu einer Generation aufmüpfiger junger Schauspieler, seinen ersten grossen Erfolg hatte er an der Seite von Elizabeth Taylor in Die Katze auf dem heissen Blechdach, 1958. Viele romantic comedies und Filmdramen folgten, vor allem zusammen mit seiner zweiten Ehefrau Joanne Woodward (geb. 1930, Hochzeit 1958): insgesamt kamen die beiden auf vierzehn gemeinsame Filme, auch mit Paul Newman als Regisseur, und in einigen davon spielten sogar die Töchter mit.

 

Idealtypus des amerikanischen Helden

Charakteristisch für die Westerndarstellungen Amerikas jener Zeit ist ein Narrativ, das auf Seite von Figuren am Rand der Gemeinschaft steht – Outlaws, Ganoven, Rebellen –, und verhandelt wird ein moralisches Dilemma, in dem es um die Durchsetzung von Recht und Gesetz geht. Diese Westernfilme sind betont sozialkritisch gegenüber der harten, bürgerlichen Vätergeneration der U.S.- Nachkriegsgesellschaft; als Gegenentwurf dazu werden Zynismus und Selbstbezogenheit poetisch verherrlicht. Gerade in dieser Hinsicht können die Streifen als Teil der Entwicklung und Vorgeschichte der 68er Jugend-Revolution verstanden werden: Newman spielte die Schlüsselfiguren in The Left Handed Gun (Western, 1958, dt. Einer muss dran glauben, Rolle: Billy the Kid), Hud (Western, 1963, dt. Der Wildeste unter Tausend; Regie: Martin Ritt), The Outrage (Western, 1964, dt. Carrasco, der Schänder; Regie: Martin Ritt), Hombre (Western, 1967, dt. Man nannte ihn Hombre; Regie: Martin Ritt).

 

Eine seiner bekanntesten Rollen spielte Newman im Western Butch Cassidy and the Sundance Kid (dt. Zwei Banditen; Regie: George Roy Hill, 1969) an der Seite von Robert Redford, der Film erzielte mehrere Oscar-Nominierungen. Der poetisch-manipulativ eingesetzte Song Raindrops Keep Falling on My Head (Musik: Burt Bacharach, Text: Hal David), unterläuft die erst düstere, Charakterisierung der Hauptrollen slapstickartig und bereitet die Wendung der Antihelden ins komödiantisch-Eskapistische vor; Bacharach gewann mit dem Ohrwurm 1969 einen Oscar für den besten Original Song. Ein weiteres Highlight folgte mit The Life and Times of Judge Roy Bean (Western, 1972, dt. Das war Roy Bean; Regie: John Huston). Das krönende Spätwerk des Genres lieferte aber ohne Zweifel Robert Altman 1976 mit Buffalo Bill and the Indians, or Sitting Bull's History Lesson (dt. Buffalo Bill und die Indianer), einer Westernsatire mit Cowboys als Showbusinessfiguren und "guten Indianern" als den echten Amerikanern (Sioux-Häuptling Sitting Bull).

 

Daneben auch noch wichtig zu erwähnen sind Newmans Beiträge in den Politstreifen

Exodus (nach dem Roman von Leon Uris, Regie: Otto Preminger, Musik: Ernest Gold, 1960), über die Gründung des Staates Israel, sowie 1966 Torn Curtain (dt. Der zerrissene Vorhang; Regie: Alfred Hitchcock): Newman spielte hier in einem politischen Spionage-Thriller über den Kalten Krieg und amerikanische Doppelagenten in der DDR neben Julie Andrews.

 

Insgesamt drehte Paul Newman dreiundsechzig Filme als Filmschauspieler sowie dreizehn Filme als Regisseur oder Producer. Dafür erhielt er insgesamt neun Oscar-Nominierungen, einen Ehren-Oscar 1986, und im Jahr darauf einen Oscar in der Kategorie Bester Schauspieler in Martin Scorseses Die Farbe des Geldes. Bei den Golden Globe Awards der Hollywood Foreign Press Association wurde Newman bereits 1956 als New Star of the Year – Actor ausgezeichnet, 1968 dann als Best Director für seinen Film Rachel, Rachel, 1984 erhielt er den Cecil B. DeMille Award und 2005 schliesslich den Preis für den Best Supporting ActorTelevision in Empire Falls. Im selben Jahr erhielt er auch einen Emmy Award.

 

Politisches Engagement

Newmans vielleicht wichtigsten Filme als Charakterdarsteller, The Verdict (dt. Die Wahrheit und nichts als die Wahrheit, 1982) und zuvor schon Cool Hand Luke (dt. Der Unbeugsame,1967) setzten sich beide subversiv mit Rechtssystem und Rechtsprechung, Machgefüge und Korruption auseinander. Besonders einprägsam ist das Gefängnis-Drama mit Newman in der Hauptrolle des rebellischen Weltkriegsveteranen Luke, der, wegen einer Parkometer- Beschädigung zu zwei Jahren Arbeitslager verurteilt, sich weigert, sich dem dortigen gewalttätig-autoritären System zu unterwerfen und nicht aufhört, für Freiheit und persönliche Würde zu kämpfen – vom Gefängnisdirektor heftig bedroht, der Luke am Ende medizinische Versorgung vorenthält und so dessen Tod verantwortet. Der Film arbeitet stark mit christlicher Ikonografie – Luke als Verkörperung des Evangelisten und Märtyrers, Luke als Jesus am Kreuz, Luke im Zwiegespräch mit dem Ewigen. Schlüsselsatz des Films, dem sadistischen Gefängniswärter in den Mund gelegt, ist: "What we've got here is failure to communicate". Die explizite Stellungnahme zur gerade steigenden Ablehnung des Vietnam-Kriegs wurde als establishment-kritischer Ausdruck in die amerikanische Alltagskultur übernommen. In seinem privatleben engagierte sich Newman in mehreren wohltätigen Stiftungen, wie selbst der Vatikan anerkennend würdigte, ihm aber auch 1994 den

Jean Hersholt Humanitarian Award der Academy of Motion Picture Arts and Sciences einbrachte. Im Alter von dreiundachtzig Jahren verstarb Paul Newman am 26. September 2008 zu Hause in Westport, Connecticut.

 

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Leonard Nimoy und William Shatner als Spock und Captain Kirk in Raumschiff Enterprise, 1968. Quelle: Wikimedia commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Leonard_Nimoy_William_Shatner_Star_Trek_1968.JPG

 

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Leonard Nimoy als Paris in Mission Impossible. Paramount Television, 1.1.1970. Quelle: Wikimedia commons, gemeinfrei: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Leonard_Nimoy_Mission_Impossible_1970.jpg

 

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Leonard Nimoys Handabdrücke in Walt Disney World, Disney's Hollywood Studios Themenpark. Foto: Neelix 2007. Quelle: Wikimedia commons, gemeinfrei:

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Leonard_Nimoy_(handprints_in_cement).jpg

 

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Paul Newman, U.S. Navy, 1944/45. Quelle: Wikimedia commons, gemeinfrei: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:U.S._Navy_portrait_of_Paul_Newman.jpg?uselang=de

 

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Paul Newman in Cool Hand Luke, 1967: der Gefängnisdirektor hat Luke niedergeschlagen und kommentiert das mit "What we've got here is failure to communicate"; screenshot from original trailer, Quelle: Wikimedia commons, gemeinfrei: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Failure_to_Communicate_-_%27Cool_Hand_Luke%27.jpg

 

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Paul Newman in Das war Roy Bean, 1972, deutschsprachiges Filmplakat, Quelle: https://www.imdb.com/de/title/tt0068853/?ref_=mv_close

 

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Newmans Ehefrau Joanne Woodward unterzeichnet eine Petition gegen die Erschliessung neuer Ölquellen vor der kalifornischen Küste, hinter ihr angestellt warten Jacqueline Bisset, Jack Lemmon und Paul Newman, bis sie an der Reihe sind, 23.8.1974. Foto: Ben Olender, Los Angeles Times, https://digital.library.ucla.edu/catalog/ark:/21198/zz0002pw6s. Quelle: Wikimedia commons, gemeinfrei: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Joanne_Woodward_with_others_signing_petition_against_oil_drilling.jpg?uselang=de

 

 

[1] vgl. William Shatner/David Fisher: Leonard. My Fifty Year Friedship with a Remarkable Man. New York City: Thomas Dunne Books 2016.

[2] Nimoy, Leonard [@TheRealNimoy] (February 22, 2015). "A life is like a garden. Perfect moments can be had, but not preserved, except in memory. LLAP" (Tweet). Retrieved March 4, 2015 – via Twitter.

[3] "Long before being nerdy was cool, there was Leonard Nimoy. Leonard was a lifelong lover of the arts and humanities, a supporter of the sciences, generous with his talent and his time. And of course, Leonard was Spock. Cool, logical, big-eared and level-headed, the center of Star Trek's optimistic, inclusive vision of humanity's future."I loved Spock." In 2007, I had the chance to meet Leonard in person. It was only logical to greet him with the Vulcan salute, the universal sign for 'Live long and prosper.' And after 83 years on this planet — and on his visits to many others — it's clear Leonard Nimoy did just that. Michelle and I join his family, friends, and countless fans who miss him so dearly today." Zitiert nach: https://www.nbcnews.com/science/space/i-loved-spock-obama-mourns-star-treks-leonard-nimoy-n314461. Vgl. dazu auch die offizielle Presseaussendung Präsident Barack Obama, Statement by the President on the Passing of Leonard Nimoy, The White House Office of the Press Secretary, February 27, 2015. Quelle: https://en.wikipedia.org/wiki/Leonard_Nimoy#/media/File:Statement_by_the_President_on_the_Passing_of_Leonard_Nimoy.jpg