Ausgabe

Rothschilds Schätze im Grand Palais

Michael Bittner

Die FAB,“Fair for Art“ Paris, ist eine der wichtigsten Messen Europas für Kunst, wo man nicht nur Elaborate sieht, die nach dem Prinzip von „Des Kaisers neue Kleider“ gemacht sind, die heute den Ausstellungsbetrieb dominieren, sondern richtige, substantielle Kunst von der Antike bis heute. Für heuer hat man eine spezielle Präsentation gesucht, um das Interesse des Publikums anzustacheln: der „Gôut Rothschild“ wurde zelebriert an Beispielen aus der Sammlung der Villa Ephrussi de Rothschild in Saint Jean – Cap Ferrat an der Côte d'Azur.

Inhalt

Die Sammlung wurde zwischen 1907 und 1912 von Baronin Béatrice Ephrussi, née Rothschild angelegt, der 1864 geborenen Tochter von Alphonse de Rothschild, des Präsidenten der Banque de France. 1904 wurde sie endlich ihren desaströsen Ehemann los, Maurice Ephrussi, einen Schlemihl erster Güteklasse, ein Jahr später erbte sie das grosse Vermögen ihres Vaters, das den Bau dieses mondänen Drittwohnsitzes ermöglichte. 1912 konnte sie einziehen, ein Jahr vor ihrem Tod, 1933, vermachte sie die Villa und ihre 5.000 Objekte umfassende Kunstsammlung der Académie des Beaux-Arts.

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Beispiele aus der Sammlung.

Die Präsentation der Rothschild-Sammlung wurde als Hauptattraktion der Kunstmesse angekündigt, sie sollte die Besucher animieren, das Schloss der Baronesse als Touristen heimzusuchen, denn dessen Erhaltung kommt die Akademie sehr teuer, das zeigten uns die zerlemperten Barocksessel bei dieser Präsentation. Was war nun der „Geschmack“ derer von Ephrussi-Rothschild? Ein konservativer, rückwärtsgewandter, den modernen Trends abholder. Béatrice tröstete sich mit einem verklärten 18. Jahrhundert, mit Schäfern und Nymphen, blendete die abgeschlagenen Köpfe der Schreckensherrschaft und die Industrielle Revolution aus, Idylle pur. In Wien herrschte damals ein anderer „goût“: Was hätte wohl Ludwig Wittgenstein, dem schon der Stil von Adolf Loos zu „verschmockt“ war, zu diesem monströsen Kitsch gesagt?

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Detail Ausstellung.

 

Die Möbel sind eklektizistische Meisterwerke, die teilweise schrill daherkommen, wilde Mischungen aus Antike, Rokoko, Ägyptomanie und Chinoiserie, aber in meisterhafter Ausführung, Prunkstücke, nur zum Bestaunen geschaffen. Ihre Gemeinsamkeit: sie tragen einen Namen, ähnlich dem heutigen Markenfetischismus: eine Kommode von Baumhauer, ein Sekretär von Riesener, ein Tischerl von Hettlinger, ein Sessel von Boulard. Die meisten dieser Möbel stammen aus der Rokoko-Zeit und dem Empire, passen also stilistisch gar nicht zusammen. Die Sessel sind ein Set von fünf – wo ist der sechste? Beim Tapezierer ist er jedenfalls nicht, dort würden alle hingehören.

Marken waren der Sammlerin auch bei Porzellan sehr wichtig, einem Sammelgebiet, dem viele Familienmitglieder anhingen. Es sind Erzeugnisse von Meissen, Sèvres und Vincennes, nur Spitzenprodukte. Die Gemälde dagegen sind sehr divers und passen gar nicht zusammen, ein gotisches Altarfragment Bartolo di Fredis (1382) neben einem schwülstigen Gustave Moreau und einem braven Renoir. Schliesslich gibt es die unvermeidliche Indoor-Wetterstation mit Barometer, Thermometer und Mondphasenuhr, in schlechtem Zustand (sie braucht neues Quecksilber und einen Zeiger!), ein Ding, das wie eine Pendule aussieht, aber keine Zeit anzeigt. So etwas hatten die Camondo, die Konkurrenz der Rothschilds, in jedem Zimmer. Jüdisches sucht man in der Ausstellung vergeblich, zu gewöhnlich? Oder ist es heutzutage zu riskant, eine Menora auszustellen?

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Portrait Baronesse Ephrussi de Rothschild.

 

Also einen guten Geschmack hatte die Baronesse nicht, ähnlich der berühmten Frau Pollak von Parnegg (die mit der Zuckerzange) in Wien, aber dafür Geld, viel Geld. Ernest Dichter, exilierter Ottakringer und Vater der Motivforschung, sagte einmal: „Wir in Amerika haben alles zusammengestellt, und nix ist explodiert.“ Madame Ephrussi hat das schon lange vor ihm getan.

 

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Wetterstation

 

Alle Abbildungen: Foto: Ingrid Bittner, mit freundlicher Genehmigung.