Ausgabe

Schönheit in Zeiten des Krieges Die israelische Künstlerin Dana Yoeli

Michael Bittner

Kunst ist ein Spiegel der Zeit. Es ist ein hässliches Bild, das wir da von der Jetztzeit sehen sollten, ein Bild voll von Gewalt, Blut, Folter, Raketen, Bomben, Schmerz und Tod, garniert mit Lügen, die heute „fake news“ heissen.

Inhalt

In Israel, in Syrien, im Libanon, in der Ukraine und anderswo ist es ein grauenvolles, erbärmliches Bild, das unsere Zeit abgibt. Kunst ist aber auch ein Spiegel der Träume einer Zeit. Sie zeigt den Traum von Schönheit, von Liebe, von einem guten Leben, von Harmonie und Hoffnung auf eine bessere Zukunft. In der aktuellen israelischen Kunst sind beide Positionen zu finden. Die letztere vertritt Dana Yoeli, eine Künstlerin aus Tel Aviv, die Bilder und Objekte von hohem ästhetischem Wert schafft. Während es rundherum Raketen regnet, das Geiseldrama noch immer die Menschen in den Bann zieht, die Regierungskrise andauert und der Antisemitismus weltweit grassiert, ist ihre Kunst schön und positiv geblieben.

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Dana Yoeli. Foto: Ron Cnaani.

Dana Yoeli wurde 1979 in Seattle geboren, hat in Jerusalem und Tel Aviv an der Bezalel Academy of Art and Design studiert und sich zur „multidisziplinären“ Künstlerin entwickelt. Sie arbeitet mit Rauminstallation, Malerei, Video, Fotografie, Skulptur und Buchkunst. In den letzten Jahren stellte sie regelmässig in Israel aus, auch in Museen wie dem Eretz Israel Museum, dazu kamen Ausstellungen in den U.S.A., in Schweden, Schottland und Deutschland, wo sie Stipendien in Hamburg und Hannover erhielt. Zur Kunst kam sie schon sehr früh, da ihre Grossmutter Agi Yoeli als Keramikerin arbeitete. Mit deren Werken, die sie in Beziehung zu ihren eigenen stellte, gestaltete sie die Ausstellung Changing Room im Benyamini Center, Tel Aviv im Jahr 2023, eine Hommage an ihr Vorbild. Ihr Grossvater, Günter Aptekman, war als Sechzehnjähriger 1936 allein aus Berlin nach Palästina geflohen und hatte sich eine neue Existenz aufgebaut, Dana ist also Israelin in dritter Generation und setzt sich intensiv für die Freilassung der Geiseln und für den Frieden ein. 

Das folgende Interview wurde im Februar 2025 übers Internet geführt:

 

DAVID: Warum sind Sie Künstlerin geworden? War das Ihr Kindheitstraum? Hatten Sie Vorbilder?

Yoeli: Ich glaube, meine künstlerischen Fähigkeiten wie Ideenreichtum, handwerkliche Geschicklichkeit und Eigenwilligkeit haben sich schon in meiner Kindheit gezeigt. Ich kombinierte Objekte und schuf daraus etwas Neues, machte Miniaturgefässe aus Ton und Sessel aus Holz, ich hatte immer etwas in den Händen. Im Alter von 15 Jahren war mein Weg bereits vorgezeichnet, meine Familie hat mich rückhaltlos unterstützt und ich habe nie an meinem Ziel gezweifelt.

 

DAVID: Sie arbeiten in unterschiedlichen Techniken. Womit haben Sie begonnen, welche Technik bevorzugen Sie heute?

Yoeli: Momentan arbeite ich am liebsten mit Porzellan. Ich glaube, dass diese unterschiedlichen Objekte, wie Betonteile, Blumen, Dioramen, ein gemeinsames Ethos und eine gemeinsame Idee haben und von den Menschen, die dieses gemeinsame Narrativ teilen, auch ohne Erklärung verstanden werden. Wir zeigen alle dieselbe Reaktion beim Besuch von Gedenkstätten, ich verwende das Porzellan so, als wäre es eine Gedenktafel oder eine Beton-Architektur. Doch ich zeichne auch sehr viel, als Entwurf oder als Übung, Zeichnen reinigt den kreativen Prozess. Ich stelle Zeichnungen selten aus, mache viele Skizzenbücher, aber jede grosse Museumsinstallation und jedes grossformatige Gemälde ist aus vorbereitenden Zeichnungen entstanden.

DAVID: Wie sieht die Situation der israelischen Künstler heute aus? Gibt es genug Ausstellungsmöglichkeiten? Kaufen die Leute Kunst?

Yoeli: Ja, es gibt genug Ausstellungsmöglichkeiten, aber Künstler müssen sich die Kollegen, die Galerien und die Partnerschaften nach ethischen Prinzipien, nach Gerechtigkeit und sozialem Aktivismus aussuchen und nicht nur auf finanzielle Vorteile fokussieren.

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Dana Yoeli: Ausstellungsansicht Changing Room.

DAVID: Gibt es heute eine spezielle Rolle für Künstlerinnen in Israel?

Yoeli: Heute sind Frauen das Rückgrat der Opposition gegen die Regierung und haben eine Verpflichtung gegenüber der ganzen Gesellschaft. Gerade Künstlerinnen spielen eine tragende Rolle in dieser Bewegung.

 

DAVID: Ist Ihre Kunst mit der jüdischen Tradition verbunden oder von der jüdischen Religion beeinflusst?

Yoeli: Ich habe einen sehr säkularen Hintergrund, mein Jüdischsein kommt nicht aus der Tradition oder von Ritualen, aber es ist unumstösslich, und jeder Knochen in meinem Körper ist jüdisch. Leonard Cohen hat einmal auf eine ähnliche Frage geantwortet: „Ich schreibe aus meiner eigenen Tradition. Mein Herz wurde in der jüdischen Tradition beschnitten.“

 

DAVID: Sie machen viele Ausstellungen in Israel, aber auch im Ausland. Wie hat der 7. Oktober die Kunstwelt verändert?

Yoeli: Alles in unserem Leben hat sich dadurch umgedreht. Es hat uns als Menschen, als Eltern und als Künstler verändert. Auch die Art und Weise, wie uns die Welt sieht, hat sich verändert. Mein Leben, meine Arbeit, der Umgang mit Kollegen aus dem Ausland ist heute ganz anders.

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Dana Yoeli: Künstlerbuch.

DAVID: Haben Sie in der Kunstwelt einen anti-israelischen Boykott bemerkt? Können Sie noch in Europa ausstellen?

Yoeli: Egal wie Israel und die israelische Kunst im Ausland gesehen werden: ich glaube an die Kraft der Kunst und an das Bedürfnis, sie zu sehen. Ich habe das Glück, dass ich im Ausland verlässliche Freunde und Institutionen habe, mit denen ich in ständigem Austausch bin. Die israelische Kunstwelt wird diesen grauenvollen Moment überleben.

 

DAVID: Wie sehen Sie die Zukunft der Kunst in Israel? Was sollte die Regierung für die Kunst tun?

Yoeli: Leider ist diese Regierung gegen die Freiheit der Kunst, der Kultur, der Erziehung. Sie versucht alles zu verhindern, wofür Kunst steht: Offenheit, Neugier, Begeisterung, Kritik an sozialen Umständen. Das spiegelt sich im Budget wider, es gibt radikale Kürzungen in den Kulturausgaben, doch hier springt die fantastische israelische Zivilgesellschaft ein.

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Dana Yoeli: The Wind Cries.

DAVID: Sind Sie eine politische Künstlerin? Beeinflusst die Politik, etwa das Geiseldrama, Ihre künstlerische Arbeit?

Yoeli: Das Geiseldrama ist keine politische Frage. Mein persönliches Engagement und das der Gesellschaft sollten die religiösen und politischen Bindungen überwinden. Es ist eine Frage der Menschlichkeit, von Grundwerten, die das Herzstück unserer Identität als Israelis sind. Daher engagiere ich mich in grossem Masse. Ich sage aber offen, dass ich eine politische Person und eine politische Künstlerin bin, das spiegelt sich in meiner Kunst und in meinem Leben.

 

DAVID: Wenn Sie auf eine einsame Insel reisen müssten, welches Ihrer Kunstwerke würden Sie mitnehmen?

Yoeli: Ich bin momentan in einem Prozess des Malens sehr komplizierter Bilder. Ich denke, ich würde ein unfertiges Bild mitnehmen, damit ich auf der einsamen Insel etwas zu tun hätte.

 

DAVID: Was wird die Zukunft für Sie, Ihre Familie, Ihre Kunst, für Israel bringen?

Yoeli: Die momentane Situation erfordert es, für das Hier und Jetzt zu kämpfen. Wir sind Tatmenschen, wir kämpfen für die Schaffung einer gerechten Gesellschaft, für eine lebenswerte Zukunft für uns, für unsere Kinder und für die Gesellschaft.

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Dana Yoeli: Untitled.

Nachlese

Webseite: https://www.danayoeli.net

Interview: https://artspiel.org/dana-yoeli-staging-memorials/

Braverman Galerie: https://bravermangallery.com/artists/dana-yoeli/

 

 

Alle Abbildungen mit freundlicher Genehmigung: M. Bittner.