Ausgabe

Der Boulevard und der Krieg Das Jahr 1945 im österreichischen Blätterwald

Michael Bittner

Inhalt

„Nie wieder Krieg“ war das Motto der letzten Jahrzehnte, und das war auch gut und wichtig und wäre es auch noch heute, in Zeiten der Kriegshetze aus Brüssel. Was aber sagen die österreichischen Volks-Medien zum 80. Jahrestag des Kriegsendes?

 

Vorweg – das Heute und die Lernunfähigkeit europäischer Politiker wird nicht thematisiert, man möchte ja keine Förderungen auslassen. Zu von der Leyen fällt mir nichts ein, hätte Karl Kraus geschrieben. Jedoch – fast alle Printmedien gedenken der Schrecken des Zweiten Weltkrieges, das ist löblich.

 

Wenn man näher hinsieht, bemerkt man jedoch eine gewisse Einseitigkeit. Die Krone (Onlineausgabe 08.05.1925, 3777177) zitiert den bekannten Historiker Ernst Bruckmüller, dagegen ist nichts zu sagen. Ein bisschen zu patriotisch ist das Ganze, „tausende Österreicher kommen in den letzten Kriegstagen noch ums Leben“ – waren das nicht tausende Juden? Todesmärsche, Erschiessungen, all das wird ausgespart. Das Titelbild ist entlarvend – ein paar Nazis grinsen beim Schuttschaufeln in die Kamera, vermutlich ein gestelltes Foto, das später entstanden ist, als die Nazis wieder „entlastet“ waren. Die im Kommentarbereich der Onlinezeitung hochgelobten „Trümmerfrauen“ waren Nazis, nicht nur Frauen, und sie schaufelten unfreiwillig. Das hat sich im Krone-Forum noch nicht durchgesprochen.

 

Dafür wird man aber im Kurier über den „Mythos Trümmerfrauen“ aufgeklärt (danke!), doch gleich darauf auf den Boden der Nazi-Familien-Mythen zurückgeholt. Der Grossvater, zur SS „eingezogen“, unfreiwillig, natürlich, ein Schock für die Grossmutter. Das ist eine Wandersage, die man in Täterfamilien oft hören kann, natürlich könnte es in diesem speziellen Fall ganz anders gewesen sein, aber diente diese Klitterung nicht der Apologie der Naziverbrechen? Nazis, das waren die anderen? (https://kurier.at/chronik/oesterreich/80-jahre-zweite-republik-zweiter-weltkrieg-kriegsende/403037687).

 

Bei OE24, dem Boulevard des Boulevards, findet man so triviale Dinge wie das Kriegsende vor achtzig Jahren leider gar nicht. Zu kontrovers, das Thema? Dafür jede Menge nützliche Kurzinformationen, beispielsweise ein neuer Verein Freunde von Yad Vashem, stellvertretende Vorsitzende die Ehefrau eines Bundeskanzlers, der uns Beruhigungspillen gegen die Teuerung andrehen wollte. Naja, man kann sich seine Freunde nicht aussuchen!

 

Und eine „Machbarkeitsstudie“ für ein neues „Holocaust-Museum“, das eine SPÖ- Staatssekretärin auf den Weg bringen will, da stellen sich Angstgefühle ein, was das wieder werden soll. Aber es gibt bei solchen Projekten ja immer Leute, die daran verdienen. (https://www.oe24.at/oesterreich/politik/regierung/regierung-jetzt-startet-prozess-zu-holocaust-museum/632504187). Vielleicht fällt heute, am 8. Mai 2025, dem grossen Medien-Zampano noch ein durchschlagender, mitreissender „Knaller“ ein, der diesen Jahrestag unvergesslich machen wird.

 

Wirklich verdienstvoll ist jedoch die Berichterstattung des staatlichen Fernsehens, dem Boulevard nicht unbedingt weit entfernt. Zu Beginn ist zwar von der „Befreiung Österreichs vom Nationalsozialismus“ die Rede und es stellen sich mir die Nackenhaare auf – ist das nicht der alte Opfermythos? Doch dann wird die Berichterstattung objektiv und wissenschaftlich fundiert, hier ist auch von den Todesmärschen der ungarischen Zwangsarbeiter und den Erschiessungen in den letzten Tagen des Nazi-Regimes die Rede. Danke, ORF, die Zwangsabgabe ist nicht umsonst! (https://topos.orf.at/ende-zweiter-weltkrieg100).