Manfred Pawlik: Wilhelm Weixlbraun - Eine notwendige Erinnerung an einen grossen Österreicher.
Horn: Ferdinand Berger & Söhne 2010.
274 Seiten , Format 15,5 x 23 cm, kartoniert, Euro 19,90.-
ISBN 978-3-85028-501-8
Wilhelm Weixlbraun war ein österreichischer Widerstandskämpfer, der 1943 wegen seines Eintretens für ein freies, unabhängiges Österreich hingerichtet wurde. Zufall oder Fügung? Der Autor Manfred Pawlik entdeckte im Müllsack eines Trödlers eine Dokumentenmappe, die alle Briefe, die Weixlbraun aus der Todeszelle an seine Frau schrieb, enthielt, Briefe, die Zuversicht, Hoffnung und Mut ausstrahlen, Briefe, die uns berühren. Ein Mensch, der für Menschlichkeit im Schreckensregime des Nationalsozialismus einstand, wird in diesem Buch lebendig. Der Autor beschreibt einfühlend die extreme Situation von aufrechten Österreichern in den Kerkern des Nationalsozialismus und zeigt auf, wie notwendig die Auseinandersetzung mit dem Widerstandskämpfer Wilhelm Weixlbraun für die österreichische Gegenwart und Zukunft ist. Ein neuartiger wissenschaftlicher Zugang versucht die Bedeutung Weixlbrauns facettenartig zu beleuchten. Im Mittelpunkt des Buches stehen die Briefe Weixlbrauns und seiner Frau Maria, ein Dokument unverbrüchlicher Liebe - Liebe überwindet Zeit und Raum!
Das ist die Ankündigung eines Buches, das unerwartet erscheinen muss, in Erinnerung an einen Österreicher, der im nationalsozialistischen Schreckensregime für Menschlichkeit und ein freies Österreich eintrat und der 1943 im Landesgericht Wien guillotiniert wurde. In der Buchankündigung ist die Rede davon, dass ich diese Briefe eines Widerstandskämpfers aus der Todeszelle im Müllsack eines Trödlers gefunden habe - es scheint eine erfundene Geschichte zu sein, ist aber leider typisch für den Umgang Österreichs mit der Zeit seiner dunkelsten Geschichte. Als Psychotherapeut bin ich daran gewöhnt, Menschen zu ihrer Persönlichkeit finden zu helfen, indem ich ihr Verdrängtes, Vergessenes und das Beiseitegeschobene ans Tageslicht befördere, so erging es mir mit den Briefen und dem Schicksal Wilhelm Weixlbrauns.
Wer war Wilhelm Weixlbraun? Er hatte schon den Ersten Weltkrieg als Soldat mitgemacht, war in der Ersten Republik Buchdrucker bei der Wiener Zeitung und in der Österreichischen Staatsdruckerei, er war in der sozialdemokratischen Bewegung und in der Gewerkschaft tätig, er war Mitglied der Naturfreunde und dort auch in der Fotosektion. Gemeinsam mit seiner Frau bewirtschaftete er einen Garten im Hirschentanz bei Kaltenleutgeben. Er war laut den Berichten seiner überlebenden Kollegen ein mitfühlender und engagierter Mensch, der seinen arbeitslosen Kollegen in der schwierigen Zeit der Massenarbeitslosigkeit zur Seite stand: Wilhelm Weixlbraun war das, was wir im besten Sinn als gebildeten Arbeiter, für den Solidarität und Naturverbundenheit selbstverständlich waren, verstehen.
Als Österreich von der Landkarte verschwand und der Nationalsozialismus in seiner Beherrschung des Lebens der Menschen Menschenverachtung, Niedertracht und Hass säte und dies auch sofort in Tat umsetzte, Vertreibung, Verfolgung, beginnender Massenmord und Krieg, da war für Wilhelm Weixlbraun klar, dass er auf Seiten der Schwachen handeln musste. Er beteiligte sich an Hilfsaktionen für inhaftierte Kollegen und deren Familien. Darüber hinaus war er an der Verfertigung von Flugschriften mit dem Aufruf zu Frieden und Wohlstand tätig. Er wurde am 25. Juni 1941 verhaftet und als Schutzhäftling monatelang im Keller der Gestapoleitstelle am Morzinplatz verhört und gefoltert. Trotzdem sagte er nichts aus, was die Gestapo nicht wusste und rettete so den anderen Mitgliedern der Widerstandsgruppe in der Staatsdruckerei das Leben: die überlebenden Mitglieder bestätigten dies dann später, sie waren entweder mit Zuchthausstrafen davongekommen oder bildeten später den Kern jener Widerstandsgruppe in der Staatsdruckerei, die schon beim Kampf um Wien 1945 Plakate für ein freies Österreich druckten und so für die Befreiung Österreichs vom Nationalsozialismus mitwirkte. Wilhelm Weixlbraun wurde am 3.11.1942 zum Tode verurteilt und in der Urteilsbegründung sowie in der Anklageschrift wird ihm zum Hauptvorwurf gemacht, dass er für ein freies Österreich und gegen das nationalsozialistische Regime eingetreten ist - das war für die urteilenden Richter auch der Hauptgrund für seine Verurteilung. Am 5.3. 1943 wurde er im Landesgericht mit der Guillotine enthauptet.
Die Erinnerung an Wilhelm Weixlbraun muss für Österreich sinnstiftend sein, er hat seine Pflicht getan, die Pflicht der Menschlichkeit, bereit, sein Leben dafür zu opfern. Daher ist es für mich als Finder dieser Briefe und als Autor des Buches über Wilhelm Weixlbraun ein Vermächtnis, das ich erfüllen will. Die Präsentation dieses Buches muss an einem für Österreich massgeblichen Ort vorgenommen werden. Natürlich stellt sich die Frage, wie wichtig für die heutige Generation die Person Wilhelm Weixlbrauns sein kann. Ich habe deshalb meine 1982 geborene Tochter, die die Briefe Wilhelm Weixlbraun transkribiert hat, gebeten, mir ihre Eindrücke über die Briefe Wilhelm Weixlbrauns zu übermitteln.
Manfred Pawlik
Zwischen den Zeilen
Die Briefe von Wilhelm Weixlbraun bezeugen ein Schicksal, eine Situation, die diesen Mann an das Äusserste der Menschlichkeit drängt - das Warten auf den unabwendbaren, herbeigeführten Tod - und ihm das Höchste an Menschlichkeit abverlangt - die eigene Würde trotzdem zu bewahren - um diese Unmenschlichkeit ertragen zu können. Seine Zeilen erzählen von Umständen, die seine Inhaftierung bedingt, vom Kontakt zu seinen Nächsten, der einen rettenden Anker in Weixlbrauns Leben wirft und von der Gegenwart des Gartens. Dieser ist das Symbol für das „Am-Leben-Sein" schlechthin, ein Ort, wo Liebe und Pflege, ja die eigene Kraft, sich mehrt, wächst und Früchte bringt. Dorthin kann Weixlbrauns Geist flüchten, sich erbauen und Ablenkung und Trost finden.
Die handgeschriebenen Worte geben ein bewegendes Zeugnis ab, stehen standhaft und aufrecht, so wie Weixlbraun selbst, auf ihren Zeilen und künden von der Gefasstheit ihres Urhebers. Seine Handschrift versucht Raum für viele Mitteilungen auf dem begrenzen Bogen zu sparen, trotzdem erhält jedes einzelne Wort angemessenen Platz und Abstand, um zu wirken. Neue Gedanken erhalten einen neuen Zeilenanfang - wie kleine Pausen in einem Musikstück - um das Nachkommende dadurch hervorzuheben. Das Schriftbild zeigt sich konstant und ungebrochen, so wie die Gedanken des Verfassers sich stetig den lebensbejahenden, Hoffnung spendenden Inhalten zuwenden, die sich über jeden Anflug von Aussichtslosigkeit erheben. Ich habe die Briefe von Wilhelm Weixlbraun transkribiert, seine Worte gelesen und dabei Vieles erfahren, das zwischen den Zeilen stand.
Ich habe einen Mann kennengelernt, der sein Schicksal angenommen hat, durch all die Monate seiner Inhaftierung. Er hat sein „Binkerl" getragen, ganz selbstverständlich. Sein Herz war trotz dessen mit dem festen Glauben an das Leben erfüllt. Die Liebe zu seiner Frau Maria hat ein Band gewoben, das stärker war als Angst und Verzweiflung, es hat beide aufrecht gehalten. Seine Sorge galt vorrangig dem Wohl seiner Liebsten, aufrichtige Grossherzigkeit spricht aus jedem einzelnen Brief. Er war stets darauf bedacht, Zuspruch durch seinen tiefsten Respekt und seine allergrösste Dankbarkeit auszuzeichnen. Niemals hat er sein Haupt gebeugt, wodurch er mit seinen geliebten Menschen verbunden war und ihnen die Stärke gab, sein Fehlen aus ihrem Leben zu verkraften. Dieser Mann war ein Gärtner mit Leib und Seele. Er vermochte sein Mensch-Sein aus seinem heilen Ort zu schöpfen und seine Grösse zu bewahren. Bis zum Schluss.
Menschlichkeit und Stärke erwachsen aus dem selbst Erschaffenen, an das man unerschütterlich glaubt. In dem Moment, in dem man alles gibt, sich dem widmet, was wachsen soll und vollkommen darin aufgeht - hat man eine unerschöpfliche Quelle gefunden, an der man sich nähren kann. Dann ist man fähig, jedes Schicksal zu ertragen und die eigene Liebe und Grösse wird weiterleben können. Davon hat Weixlbraun mir erzählt, zwischen seinen Zeilen.