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„Verlässliche Gärtnerinnen heranzubilden“

Ulrike KRIPPNER/Iris MEDER

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In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts waren in Österreich sehr wenige Frauen im Bereich Gartenarchitektur tätig. Fast alle von ihnen kamen aus jüdischen Familien des Wiener Bürgertums.

Vor 1900 war die Ausbildung von Gartenarchitekten meist als Lehre in Gärtnereien oder Gartenbaubetrieben, die Frauen nicht als Lehrlinge aufnahmen, erfolgt. 1895 eröffnete die erste Höhere Gartenbau-Lehranstalt der Monarchie in Eisgrub (heute Lednice, Tschechische Republik). Die Hörerin Luise Waschnitius (geb. 1885 in Prag-Smichov) schloss dort 1911 als erste Frau ihre Ausbildung ab. Der Besuch der Schule als Hospitantin war zu Beginn für Frauen die einzige Möglichkeit, zum Unterricht zugelassen zu werden. Da besonders Töchter jüdischer bürgerlicher Familien Lyzeen besuchten, erfüllten sie auch die Voraussetzung für die Aufnahme in eine höhere Gartenbauschule.

Die Höhere Gartenbauschule für Frauen in Wien-Grinzing

Yella Hertzka geb. Fuchs (geb. 1873 in Wien, gest. 1948 in Wien) hatte selbst die Höhere Gartenbauschule für Frauen in Bad Godesberg bei Bonn besucht. 1912 gründete sie die Höhere Gartenbauschule für Frauen (auch: für Mädchen, bzw.: für Frauen und Mädchen) in Wien-Grinzing, die erste derartige Einrichtung der Monarchie. Damit folgte sie einem Trend, der Ende des 19. Jahrhunderts von England und Deutschland ausgegangen war. Hertzkas Schule, in der auch Luise Waschnitius beschäftigt war, hatte ihren Standort in der Villenkolonie Kaasgraben, deren Errichtung Yella Hertzka gemeinsam mit ihrem Mann Emil Hertzka, dem Leiter des noch heute existierenden Musik-Verlagshauses Universal Edition, initiiert hatte. Die Hetzkas selbst wohnten ebenso in der von Josef Hoffmann entworfenen Siedlung wie der Mitbegründer des Österreichischen Werkbundes und „erste rote Sektionschef" Adolf Vetter oder der Komponist Egon Wellesz. Zwei weitere Häuser der Villenkolonie beherbergten ein zu Yella Hertzkas Schule gehörendes Internat mit insgesamt 34 Plätzen.

Yella Hertzka, die sich auch stark in der internationalen Frauen- und Friedensbewegung engagierte, war nicht nur Direktorin der Schule, sondern unterrichtete selbst Betriebslehre, Blumentreiberei, Boden- und Gesetzeskunde. Laut Fachpresse zielte die Schule, zu der vier Hektar Blumen-, Obst-, Gemüse- und Baumschulanlagen, Gewächshäuser und Frühbeete gehörten, mit ihrem zwei-klassigen Lehrplan nicht nur darauf ab,

„praktisch geschulte, geschickte und widerstandsfähige, in jeder Beziehung verlässliche Gärtnerinnen heranzubilden, sondern ist auch bestrebt, die Schüler-innen so in die Betriebstechnik einzuführen, dass sie nach mehrjähriger Praxis leicht imstande sind, selbst Betriebe zu leiten, beziehungsweise selbst solche ins Leben zu rufen."1

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Rosengarten der Höheren Gartenbauschule für Frauen in Wien-Grinzing, 1929. Quelle: Die Bühne, 15.8.1929, Nr. 249, S. 38. Mit freundlicher Genehmigung U. Krippner/ I. Meder.

Darüber hinaus wurden die Schülerinnen vom renommierten Wiener Gartenarchitekten Albert Esch im Entwerfen und Anlegen von Gärten unterrichtet. Im Kuratorium der Schule sassen u.a. Adolf Vetter, der Direktor der Eisgruber Schule Wilhelm Lauche und Hermine Marx, Inhaberin und Leiterin einer Grossgärtnerei.

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Hortensium Wiener Gartenbauschule für Knaben und Mädchen, 1934. Foto: Fotoatelier Gerlach. Mit freundlicher Genehmigung Bezirksmuseum Döbling.

1920 gründeten Absolventinnen der Schule den Verein der Grinzinger Gärtnerinnen (ab 1926 Verein der Gärtnerinnen Österreichs) zum Zweck der Weiterbildung, Interessenvertretung und Stellenvermittlung, der bis zu seiner behördlichen Auflösung 1938 existierte. Wie Yella Hertzka berichtete, arbei-teten ihre Absolventinnen in Gärtnereien und Baumschulen, übernahmen die Pflege privater Gärten oder gründeten selbständige Unternehmen.2 Zum fünfzehnten Bestandsjubiläum im Jahr 1927 hatte die Schule bereits 180 Gärtnerinnen ausgebildet. Irene Aloni (geb. 1906 in Klattau/Böhmen, heute Klatovy/ Tschechische Republik, gest. 2004 in Ramat Gan, Israel), Absolventin des Jahres 1924, besuchte die Schule, wie sie 1999 in einem Interview erzählte, aus zionistischen Gründen.3 Neben Aloni sind mit Hanka Huppert-Kurz (geb. 1901 in Krakau, gest. 1998) und Grete Blumenkranz (geb. 1908 in Wien) zwei weitere Zionistinnen unter den Schülerinnen Hertzkas bekannt.4 Yella Hertzka selbst war jedoch keine Zionistin.5

Yella Hertzkas Betrieb war seit November 1937 in Auflösung. 1938 wurden die Parzellen  verkauft, ihr Haus schenkte Hertzka ihrer Freundin, der Komponistin Maria Hofer. Die seit 1932 verwitwete Hertzka heiratete am 30.12.1938 Edgar Taussig, wodurch sie die tschechoslowakische Staatsbürgerschaft erhielt und nach London flüchten konnte.6 Im Exil engagierte sie sich im britischen Zweig der Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit und verdiente ihren Lebensunterhalt als Gärtnerin. Obwohl ihr Antrag auf Restitution im März 1947 positiv entschieden wurde, konnte sie ihren Besitz bis zu ihrem Tod im November 1948 aufgrund von Rechtsstreitigkeiten mit dem Gebäudeverwalter nicht wieder antreten.7

Die Gartenbauschule für Knaben und Mädchen Hortensium

Anfang der 1920er Jahre gründete Grete Salzer (geb. 1882 in Wien), selbst Absolventin von Yella Hertzkas Lehranstalt und Gründungsmitglied des Vereins der Grinzinger Gärtnerinnen, die Gartenbauschule Hortensium. Hier konnten Mädchen und Buben eine Lehre absolvieren; gleichzeitig bot der Schulabschluss eine Grundlage für das Weiterstudium an einer höheren Gartenbauschule. Salzers Betrieb auf dem Grundstück ihrer Familie in der Döblinger Hauptstrasse 85/Hofzeile 29 im 19. Wiener Gemeindebezirk umfasste auch eine Staudengärtnerei und ein Entwurfsbüro. Neben dem 4.500 m2 grossen Schulgarten mit Glashaus stand zudem ein fast drei Hektar grosser Besitz in der Pötzleinsdorfer Julienstrasse (heute Dr.-Heinrich-Maier-Strasse) 60 zur Verfügung. 1930 entwarf Grete Salzer die Umgebung des Landhauses ihres Schwagers Paul Khuner in Payerbach am Semmering, das von Adolf Loos und Heinrich Kulka geplant worden war.8 Laut Vermögensanmeldungsakte wurde Salzers Betrieb am 10.2.1939 für 5.044.- Reichsmark an Fräulein Anna Klambauer und Fräulein Erna Adam (eine Fachlehrkraft an Salzers Schule) verkauft. Die unverheiratete Grete Salzer floh im März 1939 nach London. Sie starb dort wahrscheinlich noch während des Krieges.9

Die Döblinger Gartenbauschule

Die einer wohlhabenden südböhmischen Familie entstammende Paula Fürth (geb. 1897 in Strakonitz/Böhmen, heute Strakonice/ Tschechische Republik) absolvierte an der Universität Wien ein Studium der Pflanzenphysiologie. Nach ihrer Promotion eröffnete sie eine Gärtnerei mit Blumengeschäft und Entwurfsbüro im vom Architekten Alexander Neumann entworfenen familieneigenen Haus in der Döblinger Hauptstrasse 60, unweit von Grete Salzer. Fürth, ab 1926 zweite Vorsitzende des Vereins der Gärtnerinnen Österreichs, bezeichnete sich selbst als Pädagogin. Ihre Döblinger Gartenbauschule bot Frauen eine gärtnerische Ausbildung. Nachmittagskurse für Kinder wurden von den Schülerinnen abgehalten. Im März 1937 heiratete Fürth den griechisch-katholischen Schriftsteller Serge von Mirtow. Am 24. Juli 1939 meldete sie sich als Paula von Mirtow nach Grossbritannien ab, wo sie hauptsächlich als Übersetzerin arbeitete. Reste ihrer Gärtnerei, wie Töpfe und das Fundament eines Glashauses, existierten 2009 noch auf dem Grundstück.10

Hertzka, Salzer und Fürth erzielten durch die Gründung von Gartenbauschulen für Frauen wichtige Fortschritte im Aufbrechen des bis dahin für Frauen äusserst eingeschränkten Zuganges zu höheren Ausbildungsstätten. Besonders für die Feministin Hertzka war die Förderung guter Ausbildung und ökonomischer Unabhängigkeit von Frauen von grösster Bedeutung. Der Beitrag der drei Wiener privaten Gartenbauschulen zur Entwicklung der modernen Gartenarchitektur in Österreich wird nun erstmals systematisch untersucht.11

1   M. A.: Bericht über die Tätigkeit der Gartenbauschule für Frauen in Grinzing seit Beginn des Weltkrieges. In: Gartenzeitung, 1920, 1. Folge, Nr. 3, S. 34-35.

2   Yella Hertzka: Die Frau und der Gartenbau. In: Die moderne Frau, 1926, Nr. 2, S.4-5.

3   Michaela Raggam-Blesch: Interview mit Irene Aloni, Ramat Gan, Israel, 1999 (von der Autorin zur Verfügung gestellt).

4   Bisher konnten allerdings nur 13 Schülerinnen namentlich identifiziert werden, da sich Aufnahmekataloge und Klassenbücher nicht erhalten haben. Nach Palästina emigrierten ausserdem die Hertzka-Schülerinnen Felicia Sonnenschein (später Michal Selzer) und Lily Venezianer. Auch die Schule in Eisgrub wurde von zahlreichen Zionisten und Zionistinnen besucht.

5   [Anm. der Red.: Zu Yella Hertzka (Artikel Ruth Enis, Technion Haifa), aber vor allem ausführlich zur Funktion von Gartenbauschulen innerhalb zionistischer Konzepte vgl. sehr ausführlich Hubertus Fischer/ Joachim Wolschke-Bulmahn (Hg.): Gärten und Parks im Leben der jüdischen Bevölkerung nach 1933. (= CLG Studies 5). München: Martin Meidenbauer Verlagsbuchhandlung 2008. 610 Seiten, Euro 71,90.- ISBN: 978-3-89975-144-4; Rezension in: DAVID, Jg. 21 (2009), Heft 82, September 2009.]

6   Corinna Oesch: Die Komponistin Maria Hofer (1894-1977). Frauenzusammenhänge und Musik. Unveröffentlichtes Manuskript (von der Autorin zur Verfügung gestellt), S. 163.

7   Corinna Oesch: Yella Hertzka (1873-1948). Eine Auto/Biographie von Beziehungen. In: J. Gehmacher, G. Hauch (Hg.): Auto/Biographie, Gewalt und Geschlecht. Österreichische Zeitschrift für Geschichtswissen. Innsbruck/Wien/Bozen: Studien Verlag 2008, S. 118-144.

8   Heinrich Kulka: Adolf Loos. Wien: Schroll 1931, S. 43.

9    Freundliche Auskunft von Thomas F. Schwarz, San Francisco.

10   Ein ausführlicher Artikel zu Paula Fürth ist in Vorbereitung.

11   Dieser Artikel präsentiert Forschungsergebnisse, die die Autorinnen gemeinsam mit Barbara Bacher im Rahmen des zweijährigen FWF-Forschungsprojektes Landschaftsarchitektur in Österreich zwischen 1912 und 1945 am Institut für Landschaftsarchitektur der BOKU Wien unter der Projektleitung von Lilli Li�ka erarbeitet haben.