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Widerstand der ÖVP Wien verhindert einseitige Gaza-Resolution

Norbert WALTER

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Die Vorgeschichte ist bekannt: Ende Mai steuert eine Hilfs-Flotte mit Schiffen verschiedener Herkunft den Gaza-Streifen an. Das israelische Militär stoppt den Schiffskonvoi und geht an Bord der Schiffe. Es kommt zu feindseligen Handlungen, die Soldaten werden angegriffen und setzen sich zur Wehr. Mindestens zehn Aktivisten kommen dabei ums Leben, zahlreiche weitere werden verletzt.

Weniger bekannt ist in der breiten Öffentlichkeit, dass dieser Konflikt noch am selben Tag auch Österreich erreicht hat, genauer gesagt den Wiener Gemeinderat. Die Wiener SPÖ wollte in der Sitzung vom 31. Mai unbedingt die „Erstürmung" der Schiffe thematisieren und lud auch andere Fraktionen ein, sie in ihrem Vorhaben zu unterstützen. 

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In einem ersten, von der SPÖ vorgelegten Entwurf für einen so genannten Beschluss-Antrag wäre - so der Wunsch der SPÖ - unter anderem zu lesen gewesen: „Der Wiener Gemeinderat hofft, dass die EU und die österreichische Bundesregierung alles unternehmen, um diesen Vorfall international zu untersuchen und gegebenenfalls eine Verurteilung der Schuldigen (Anmerkung: gemeint war Israel!) und Sanktionen zu erreichen. Auch sollte sich die Welt endlich des Elends der Bevölkerung im Gaza bewusst werden und über die Aufhebung der Blockade gegen die Zivilbevölkerung ernsthaft nachdenken." Federführend für die textliche Ausgestaltung dieses Antrags war SPÖ-Gemeinderat Omar Al-Rawi, keine unbekannte Persönlichkeit in der islamischen Community Wiens.

Der Gemeinderatsklub der ÖVP Wien hat sich sehr rasch entschlossen, diesem sehr parteiisch gehaltenen Antrag die Zustimmung zu verweigern. Denn unserer Meinung nach war es für eine derart schwerwiegende Anschuldigung zum Zeitpunkt, da der Gemeinderat abgehalten wurde, jedenfalls zu früh. Details darüber, wie sich die Ereignisse im Mittelmeer tatsächlich abgespielt hatten, lagen noch nicht vor. Wer Aggressor war und wer sich nur verteidigte, stand noch nicht fest. Daher kam aus unserer Sicht eine vorschnelle und einseitige Verurteilung nicht in Frage. Das haben wir der Wiener SPÖ auch entsprechend klar gemacht.

Stabilität und Deeskalation als Anliegen

Zwar war auch die ÖVP Wien natürlich bestürzt über die blutigen Vorfälle an Bord der Schiffe. Uns sind aber Stabilität und Deeskalation im Nahen Osten ein grosses Anliegen. Da ein derartiger Antrag sicher kein Beitrag zu dieser Deeskalation gewesen wäre, haben wir uns im Gemeinderat gegen eine überstürzte und nicht auf ausreichender Kenntnis der Fakten basierende Verurteilung der Ereignisse ausgesprochen. Der Beschluss-Antrag wurde auf Betreiben der ÖVP deutlich abgeschwächt. So wurde etwa jener Teil, in dem die Welt auf das Elend der Bevölkerung im Gaza aufmerksam gemacht werden soll und die Aufhebung der Gaza-Blockade gefordert wird, gänzlich entfernt.

Die ÖVP Wien lehnt gewaltsame Lösungen generell ab. Doch wollen wir auch keine pauschalen Verurteilungen, bevor die Faktenlage restlos geklärt ist. Zusätzlich muss betont werden: Wir haben aus der Geschichte unseres Landes heraus auch eine besondere Verantwortung gegenüber dem Staate Israel und in weiterer Folge auch ein Interesse an einem friedlichen Zusammenleben der Völker im Nahen Osten.  Diese Verantwortung bestimmt unser Handeln auf politisch-parlamentarischer Ebene genauso wie im politischen Alltag. Wir richten unsere Politik an den Menschen und ihren Bedürfnissen aus - egal welcher Herkunft, welcher Nationalität oder welcher Religionszugehörigkeit.

Stadtrat Norbert Walter

Landesgeschäftsführer der ÖVP Wien