Knapp 33 cm hoch und etwa 40 cm breit. Es ist ein kleines Bild, das Bildnis Wally von Egon Schiele (1890-1918). Wally zeigt nicht irgendein Modell Schieles. Das 1912 entstandene Meisterwerk stellt die Lebensgefährtin und Muse des Künstlers, Wally (eigentlich Walburga) Neuzil (1894-1917) dar. Und Schiele hat auch ein Pendant zu diesem Bild geschaffen, das Selbstbildnis mit Lampionfrüchten, das mit dem Bildnis Wally ein faszinierendes Gemäldepaar bildet. Die beiden auf Holz gemalten Ölbilder aus der Sammlung Leopold waren, seit der Beschlagnahmung von Wally im Jahr 1998, mehr als 12 Jahre getrennt. Während das Selbstbildnis als einer der absoluten Höhepunkte der Sammlung im Mittelpunkt des Besucherinteresses stand - in Wien oder bei Präsentationen im Ausland - war Wally den Blicken entzogen. Das Frauenbildnis präsentierte sich dem Kulturinteressierten nur in Form von Schlagzeilen in zahlreichen Feuilletons in Zusammenhang mit der schwelenden Provenienzdebatte.
Egon Schiele, Bildnis Wally, 1912, Öl auf Holz, 32,7 x 39,8 cm. Copyright: Leopold Museum Wien.
In New York beschlagnahmt
Am 7. Jänner 1998 hatte der New Yorker Staatsanwalt Robert Morgenthau das Bild als mögliches „Diebsgut" beschlagnahmen lassen. Zuvor war das Gemälde bis 4. Januar in der bis dahin grössten Schiele Ausstellung in den USA im Museum of Modern Art gezeigt worden. Ein Verfahren wurde eingeleitet, um zu klären ob es der Kunsthändlerin Lea Bondi-Jaray (1880-1969) gestohlen worden ist, es sich also um „Raubkunst" handle. Nachdem Morgenthaus Beschlagnahme vom Obersten Gerichtshof von New York im September 1999 bereits aufgehoben war, liess der damalige Richter Michael Mukasey eine geänderte Anklage zu. Die Bundesstaatsanwaltschaft leitete gegen das Bild ein Verfallsverfahren nach dem National Stolen Property Act ein. Zuletzt wurde als Kernfrage betrachtet, ob Rudolf Leopold - und mit ihm die Leopold Museum-Privatstiftung - gewusst habe, dass er gestohlenes Gut in die USA einführe. Nach beinahe 13 Jahren konnte nun das Verfahren beendet werden, nachdem am 20. Juli 2010 nach intensiven Verhandlungen ein Vergleich zwischen der Leopold Museum-Privatstiftung und der Erbengemeinschaft nach Lea Bondi-Jaray zustande gekommen ist. Die Stiftung bezahlt 19 Millionen US-Dollar (14,8 Millionen Euro), die U.S. Regierung verpflichtete sich, das Verfahren einzustellen und die Erben nach Lea Bondi verzichten auf ihre Ansprüche. Das Museum durfte das so lang entbehrte Bild am 27. Juli 2010 in Empfang nehmen. Das Bild kehrt Ende August ins Leopold Museum zurück, wo es mit Schieles Gemälden Selbstporträt mit Lampionfrüchten und Kardinal und Nonne (Abb. 3) eine Art Triptychon bildet.
Egon Schiele, Selbstbildnis mit Lampionfrüchten, 1912, Öl auf Holz, 32,4 x 40,2 cm. Copyright: Leopold Museum Wien.
Präsentation in New York, Heimkehr nach Wien
Nach einer dreiwöchigen Präsentation wird das Bild im New Yorker Museum of Jewish Heritage ab Ende August als Teil einer neuen Dokumentation im Leopold Museum ausgestellt. Weiters wird es ein Mittelpunkt der für Herbst 2011 geplanten Schiele Ausstellung zum 10-jährigen Bestandsjubiläum des Leopold Museum sein, eine Schau, die den Menschen Schiele und mit ihm natürlich auch Wally in den Mittelpunkt stellen wird.
Egon Schiele, Kardinal und Nonne ("Liebkosung"), 1912, Öl auf Leinwand, 70 x 80,5 cm. Copyright: Leopold Museum Wien.
Epilog
Schiele trennte sich 1915 von Wally, um Edith Harms zu heiraten. Wally Neuzil leistete im Ersten Weltkrieg Dienst als Kriegskrankenschwester in Dalmatien, starb dort 1917 an Scharlach. Egon und Edith wurden 1918 Opfer der spanischen Grippe. Im Leopold Museum sind Wally und Egon künftig - über den Tod hinaus - wieder vereint.
Wally Neuzil, Fotografie um 1911/12. Mit freundlicher Genehmigung Leopold Museum Wien.
* Für wertvolle Hinweise danke ich Dr. Diethard Leopold, Vorstandsmitglied der Leopold Museum-Privatstiftung und Dr. Robert Holzbauer, Historiker und Provenienzforscher des Leopold Museums.