Ausgabe

Jüdisches Istanbul

Content

Oksan Svastics: Jüdisches Istanbul
Aus dem Türkischen von Monika Demirel
Wien: Mandelbaum Verlag 2010
214 Seiten, zahlreiche Fotos, Euro 19,90
ISBN 978385476-329-1


In der Reihe cityguides zum jüdischen Europa ist nun der Band zu Istanbul erschienen, wobei die Bezeichnung Reiseführer nicht ganz korrekt ist. Hier ist vielmehr die Gelegenheit für einen ersten Einblick in die so lange wie wechselvolle Geschichte, die die Stadt mit den Juden verbindet.
Schon als Istanbul noch Byzantion hiess, lebten dort Juden. Im christlichen Konstantinopel waren sie immer wieder grausamen Verfolgungen ausgesetzt. Erst nach der Eroberung der Stadt durch die Osmanen verbesserte sich ihre Lage entscheidend.
Wenn es in den folgenden Jahrhunderten auch Zeiten von Diskriminierungen gab, so bot das Osmanische Reich doch immer wieder Zuflucht für Juden, die aus anderen Ländern vertrieben
wurden. So kamen 100.000 bis 200.000 Menschen nach ihrer Vertreibung aus Spanien und Portugal, 40.000 davon wurden in Istanbul angesiedelt. Die Sepharden, die damit  die Mehrheit innerhalb der jüdischen Bevölkerung Istanbuls stellten, behielten ihre
Traditionen und vor allem ihre Sprache Ladino, die noch bis in die Mitte des 20. Jahrhunderts verwendet wurde. Aber auch aschkenasische Gemeinden wurden gegründet. Noch 1920 wurde die jüdische Bevölkerung Istanbuls auf 65.000 Menschen geschätzt, aber nach der Ausrufung der Republik wurde das Leben für Juden schwieriger und es kam zu zahlreichen Auswanderungen in andere Länder, die auch anhielten, als nach Ende des 2. Weltkrieges sich die Situation für die Juden wieder wesentlich verbesserte.
Heute leben ca. 21.000 Juden in Istanbul, die es möglichst vermeiden, ihre religiöse Identität erkennen zu lassen. So schreibt Oksan Svastics in ihrem Vorwort, dass es für sie  „ausserhalb" der  jüdischen Gemeinde stehend, schwierig war, Forschungen über das jüdische Istanbul zu betreiben, denn „das Leben als ‚geschlossene‘ Gesellschaft über die Jahrhunderte und eine Vielzahl von Sicherheitsbedenken machten Recherchen zum Teil unmöglich." Trotzdem ist es ihr gelungen, eine Vielzahl von Informationen, nach den einzelnen Stadtgebieten gegliedert zu Synagogen, Friedhöfen und anderen jüdischen Einrichtungen, zu geben, obwohl vieles davon heute nicht mehr existiert. Ausserdem werden die Wohnadressen einzelner jüdischer Persönlichkeiten angegeben, z.B. das Haus (eigentlich existiert davon nur mehr eine Gedenktafel), in dem David Ben Gurion während seines Studiums lebte oder der Wohnsitz von Leo Trotzki, der nach seiner Verbannung vier Jahre in Istanbul verbrachte.
Die Lektüre dieses Buches macht garantiert Lust auf eine Reise in die faszinierende Stadt am Bosporus!