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In der Wüste. Ein Blick in eine unbekannte Welt

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Chaim Noll: Die Synagoge. Roman.

Berlin, Verbrecher Verlag 2014.

447 Seiten, 29 Euro.

ISBN 978-3-943167-77-1

 

Zwar erklärt der Verfasser gleich am Anfang, sämtliche Figuren und die Handlung seien frei erfunden, Ähnlichkeiten nicht beabsichtigt. Und doch. Und doch fragt man sich, ob nicht ein Paar zumindest, Abi und Livia, beide ursprünglich aus Deutschland, ein Spiegel des Verfassers und seiner Frau sind, der eine im Roman ein wissenschaftlicher Autor, die Frau Malerin, genau wie Nolls Frau im wahren Leben. Sie sind aber nicht das einzige Paar, das diesen Ort mitten in der Wüste bewohnt, auch nicht die einzigen, die aus dem Ausland kamen. Israel mit seinen vielfältigen Bewohnern begegnet im Ort. Paul Drabkin aus England mit seiner jungen Frau Denise aus Belgien, die beiden Brüder Holly und Adam, der eine ein Rebell, der zweite der buchstäblich typische Sabra, der brav Schule und Militärdienst absolviert und Hollys Freundin Yael übernimmt, die sich von seinem Bruder erdrückt fühlt. Shulamit aus einer guten Familie, aus Marokko, und Sally und Bella Benvinisti  sind sowohl religiös als auch orientalischer Abstammung. Es gibt auch die typisch russischen Zuwanderer wie Doktor Danilovitch sowie Dozenten und Studenten an mehreren Instituten für Solar- und Wüstenforschung.

Und dann gibt es noch diese Synagoge, wunderschön, ein Geschenk eines Ehepaars, das damit eine Schuld gut machen möchte. Meistens ist sie leer - bis eines Tages Abi mit seiner Frau anfängt, regelmässig in die Synagoge zu gehen. Sie füllt sich nun regelmässig mit einem Minjan, dem für einen G-tesdienst notwendigen Quorum von zehn religionsmündigen Männern - bis zu dem Tag, an dem Holly ausrasttet, die Thora-Rolle und Talmud-Bände in der Synagoge aus den Schränken zerrt und in Brand steckt.

Vor dem Hintergrund der zweiten Intifada, ab 2000, spielt sich das Leben dieser Menschen ab. Man geht des Nachts zu zweit auf Streife, um Anschläge im Ort zu verhindern; eine Sukka wird gebaut, die allen Besuchern am Sukkot-Fest offen steht. Holly, der das Attentat auf die Synagoge verübte, wird dank überzeugender Gutachten und Zeugenaussagen, die Holly eine stark geminderte Zurechnungsfähigkeit bescheinigen, zu zweieinhalb Jahren gemeinnütziger Arbeit und Hausarrest verurteilt, auf die die Untersuchungshaft auch noch angerechnet wird. Das Leben geht weiter, die Wüste schickt abwechselnd Sandstürme und heissen Wind.

Auf den 447 Seiten dieses Romans ist es Chaim Noll gelungen, das Leben in Israel treffend zusammenzufassen und dem Leser nahezubringen. Sehr empfehlenswert für jeden, der mehr über Israel erfahren möchte jenseits der üblichen Klischees.