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„... interessierte ich mich ausser für Musik für nichts anderes.“ Musiker in gefährlichen Zeiten

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C O C O. Sonderedition mit BEST-OF-COCO-CD

Berlin: Lichtig Verlag 2014

34 Seiten, 6 S/W-Abbildungen, Euro 14,50

ISBN 3-929905-30-4

  

Wir sind uns schon begegnet, Coco Schumann und ich. Allerdings noch nicht im wirklichen Leben, sondern lediglich auf den Seiten eines Buches. Als die beiden AutorInnen Tina Hüttl und Alexander Meschnig im Jahr 2012 auf der Suche nach jüdischen Überlebenden durch Berlin ziehen, um sie für ihr geplantes Buch zu interviewen, trifft es sich, dass am Ende in Uns kriegt ihr nicht. Als Kinder versteckt - jüdische Überlebende erzählen (München 2013) Coco Schumanns Geschichte auf den Seiten 125 bis 139 unmittelbar vor meiner eigenen, auf den Seiten 140 bis156, zu stehen kommt. Dann bot sich mir die Gelegenheit, mir die auch diesem schmalen Bändchen beigefügte CD mit zwölf Titeln anzuhören. Jazz. Ausgezeichneter dazu. Unterhaltungsmusik. Ja, durchaus, aber mit einem etwas anderen Biss. Mit Swing, mit Schlagzeug. Mit lateinamerikanischen Anklängen, später „Sur le pont dAvignon", Bearbeitetes von George Gershwin. Mit lebhaftem Rhythmus, ohne schrill zu klingen. Aber auch leise und verträumt, Musik sozusagen, um cheek to cheek zu tanzen, mit halb geschlossenen Augen, und von einer gemeinsamen Zukunft zu träumen. Im Telefonat, das Herausgeberin Bärbel Petersen mit Coco führt, meint man beim Lesen, Cocos Antworten laut und deutlich zu hören. Auf Berlinerisch. Das Gespräch ist kurz und bündig, genau wie Cocos Aphorismen über seine Musik und den Swing, die mit einem knappen Rat von Louis Armstrong zu Ende gehen: „Coco, its not important, what you play. Its important, how you play." Über sein jüdisches Leben und Überleben: „Ich jammere nicht, dass ich im KZ war, ich jubele, dass ich raus gekommen bin."  Und schliesslich sagt Coco über Coco: „Solange ich Musik mache, habe ich keine Zeit alt zu werden." Insgesamt 90 Aphorismen, ein Aphorismus für jedes Lebensjahr. Denn am 14. Mai 2014 feierte Coco seinen 90. Geburtstag. Da bleibt mir wohl keine Wahl, als Coco zu wünschen: Ad mea ve-essrim! („Bis 120!"). Und: Bleib uns noch lange mit deinem „Coco Schumann Quartett" erhalten! Zum Schluss nun doch ein leiser Einwand: Coco - und wer immer ihn interviewt, kann das bestätigen - bezeichnet sich immer wieder als „Mampe halb & halb". Das hat zu nationalsozialistischen Zeiten gemäss der damals üblichen Einteilung der Menschen in halb und halb sowie viertel und dreiviertel durchaus gestimmt. Tatsächlich ist Coco jedoch einer von uns, wie man als Jude sagen würde. Denn seine Mutter ist Jüdin, und im Judentum gibt es nur entweder als Kind einer jüdischen Mutter als Jude geborene Menschen. Trotz allem: Eine gelungene Hommage an einen exzellenten Musiker und Lebenskünstler!