Ausgabe

ISRAEL AKTUELL

Marie-Louise WEISSENBÖCK

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Ziel der jährlichen Israelreisen von  „Christen an der Seite Israels - Österreich" ist es einerseits, zu einem biblischen Verständnis über Gottes Absichten mit Israel anzuregen, die jüdischen Wurzeln unseres Glaubens kennen zu lernen und mittels vieler Begegnungen einen möglichst pluralistischen Einblick in die israelische Gesellschaft mit ihrer kulturellen, landschaftlichen und politischen Vielfalt, Schönheit und Komplexität zu erlangen. Andererseits werden humanitäre Projekte besucht, die wir mittels Spenden der Leser unserer zweimonatig erscheinenden Zeitung „Israelaktuell" unterstützen. Hierzu gehören Kinderheime, Schulungsprogramme, Hilfe für Terroropfer, Suppenküchen sowie  Aliyah-  und Integrationsprojekte, wo wir mit Ebenezer und Keren Hayesod zusammenarbeiten.

Unsere diesjährige Reise hatte angesichts des Gaza-Kriegs den Schwerpunkt „Solidarität". Der Fokus der Reise lag darauf, Menschen, die besonders durch den Krieg betroffen waren, vor Ort zu trösten und wenn möglich, auch bei humanitären Projekten mitzuarbeiten.

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Im Büro des Sicherheitschefs von der Region um Sderot (Gaza). Zwischen Raketen- und Mörserteilen steht ein Foto seiner Kinder, die während des Krieges eingezogen wurden.

Die Reise begann in Tel Aviv, mit einem Begegnungs- und Musiknachmittag mit Überlebenden aus Österreich und den ehemaligen Kronländern im Anita Miller- Cohen Elternheim in Ramat Gan. Auch Itzhak Bronstein, ein 86- jähriger Zeitzeuge, war gekommen. Itzhak war, unserer Einladung folgend,  im April dieses Jahres zum ersten Mal seit dem 2. Weltkrieg nach Österreich gekommen, um bei dem „Marsch des Lebens", der von Mauthausen nach Gusen  führte, über seine Erinnerungen an die schwere Zeit im KZ-Gusen zu berichten. Besonders bewegte uns seine Aussage, dass er seit dem Besuch in Österreich wieder gut schlafen könne, und die Liebe und Haltung der Reue, die er hier erfuhr, ihn mit dem österreichischen Volk versöhnte.

Der zweite Tag war dem Thema „Gaza und die Sicherheit Israels" gewidmet. Zusammen mit Shmuel Bowman, dem Vorsitzenden des Projekts „Human Lifeshield",  besuchten wir den Kibbuz Kfar Aza (ca. 5 km von der Grenze zu Gaza entfernt) und sprachen mit jungen Soldaten, die ihren Militärdienst leisteten und den Kibbuz auch während des Kriegs bewacht hatten. Alle 250 Kinder des 750-köpfigen Kibbuz wurden während des Gazakriegs evakuiert, als bekannt geworden war, wie umfangreich das Tunnelnetz der Hamas in dieser Umgebung war. Innerhalb kürzester Zeit waren zwölf Bomben eingeschlagen, wovon eine die Mauer des Kindergartens zerstört hatte.

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In der humanitären Küche von Hineni werden Sandwiches vorbereitet.

Beim Sedot Negev Regionalrat trafen wir den Sicherheitschef der gesamten Region. In seinem Büro erzählte er uns über die hohe Kosten, die das Raketenabwehrsystem „Iron Dome" verursachte. Zusammen mit ihm fuhren wir zu einem Aussichtspunkt über Gaza, Ha-Khets-ha-Shakhor, wo wir mehr über die geopolitische Lage, Sicherheit und humanitäre Aspekte lernten.

Nach einem Besuch an einer Mädchenschule in Netivot, wo wir auch die Gelegenheit hatten die Bunker zu besichtigen, und uns in die Lage während des Kriegs zu versetzen, trafen wir Einwohner von Sderot. Diese Stadt mit rund 20.000 Einwohnern liegt im Westteil der Negev-Wüste unweit des nördlichen Gazastreifens. Internationale Bekanntheit erlangte Sderot, weil es seit dem 16. April 2001 immer wieder mit Qassam-Raketen aus dem nahen Gazastreifen angegriffen wird. In Sderot befindet sich aufgrund der permanenten Angriffe die einzige im Ernsteinsatz befindliche Komponente des Tactical-High-Energy-Laser-Systems, ein von einer israelischen Firma entwickelter Frühwarnradar. Es funktioniert in etwa achtzig Prozent der Fälle. Vom Ertönen des Frühwarnsystems („Tseva Adom", „Farbe Rot") bis zum Einschlag der Rakete bleiben jedoch nur ca. fünfzehn Sekunden, um sich in Sicherheit zu bringen.

„Landwirtschaft in der Wüste" wurde am dritten Tag bei einem Tagesausflug in die Negev Wüste thematisiert. Wir begannen unsere Exkursion mit einem Besuch bei einem biologischen Einzelhof, Ashba Farm, mitten in der Wüste. Der 75- jährige Besitzer Shlomo  führte uns durch seine Olivenplantagen und erklärte uns, dass das Shmitta-Jahr (ein Shabbat Jahr, das alle sieben Jahre gehalten wird) bereits angefangen habe. „Und sechs Jahre besäe dein Feld und sammle seinen Ertrag ein. Aber im siebten lass es ruhen und brachliegen, damit die Armen deines Volkes essen mögen, und was sie übrig lassen, mögen die Tiere des Feldes essen, und so mache es mit deinem Weinberg und deinem Olivenhain." (Exodus 23:10-11). Schmitta ist so komplex wie auch faszinierend, obwohl es auf den ersten Blick sehr unkompliziert scheint.

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Bei unserem Musik- und Begegnungsnachmittag im Anita Miller Cohen Heim wird gesungen und getanzt.

Bei einer Verkostung des biologischen Weines erzählte uns Shlomo, dass er ein Einwohner Gush Katifs, ein Block von sechzehn jüdischen Siedlungen im Süden des Gazastreifens, gewesen war. Im Rahmen des Rückzugs Israels aus dem Gazastreifen (Land for Peace) wurden die Siedlungen im August 2005 vollständig geräumt und an die Palästinenser übergeben. So musste er mit 66 Jahren von vorne beginnen und hatte bis zum heutigen Tag keine Vergütung für sein verlorenes Hab und Gut empfangen. Besonders schmerzte es ihn, dass noch immer kein Frieden in Sicht war.

Die Fahrt ging über Revivim, einen Kibbutz, das vor ca. 70 Jahren, noch vor der Staatsgründung, gegründet worden war.  Revivim liegt mitten in der Wüste Negev und weist durchschnittlich 75 Millimetern Niederschlag pro Jahr aus. Obwohl der Regen ausblieb, haben die israelischen Siedler die Wüste bezwungen - dank ausgeklügelter Bewässerungssysteme, bei denen sogar Brack- und Salzwasser genutzt wird. Gegen Abend waren wir im Kibbuz Sde Boker. Dieser Kibbuz wurde am 15. Mai 1952 von ehemaligen Soldaten gegründet. Ben Gurion trat im Folgejahr in den Kibbuz ein, nachdem er sein Amt niedergelegt hatte. Hinter Ben Gurions Entscheidung, sich dem Wüstenkibbuz anzuschliessen, stand der zionistische Traum, „die Wüste zum Blühen" zu bringen. Vor allem nach der israelischen Staatsgründung im Mai 1948 entstand eine ganze Reihe solcher Siedlungen, durch die die Wüste gezielt landwirtschaftlich nutzbar gemacht werden sollte. Nach wenigen Monaten ging Ben Gurion jedoch zunächst wieder in die Politik und zog sich erst 1963 endgültig nach Sde Boker zurück, wo er 1973 starb und begraben wurde.

Während der letzten drei Tage in Jerusalem besuchten wir die Mitglieder des „Club des Zentralrats der Juden aus Österreich in Israel", plauderten beim Kaffee, sangen, tanzten einige Hora-Schritte mit ihnen und hatten alles in allem einen überaus schönen Nachmittag. Weiters halfen wir einen halben Tag lang in der humanitären Küche von Hineni Jerusalem mit. Wir verpackten warme Mahlzeiten für verarmte, meist alte Menschen zum Mitnehmen, machten Sandwiches für Schulkinder aus bedürftigen Familien und servierten im Hineni-Restaurant Essen für Menschen, die vom Sozialdienst zugewiesen worden waren. Beim Anblick dieser Not waren wir tief dankbar, einen kleinen Beitrag geleistet zu haben.

Mit einer Führung durch die Hurva Synagoge, einem Besuch am Tempel Institute, einem Rundgang im Westmauertunnel und einem Besuch in der grossen Synagoge zu Shabbat endete unsere kurze, aber sehr beeindruckende Reise.

 

Fotos: Christen an der Seite Israels - Österreich

Weitere Infos zu Projekten und Aktivitäten auf www.israelaktuell.at