Florian Markl
Arno Tausch: Antisemitismus, Terrorismus und politischer Islam. Erkenntnisse aus internationalen Meinungsumfragen. Wiesbaden: Springer Fachmedien 2024.
365 Seiten, kartoniert, Paperback, Euro 84,95.- (Print), Euro 62,99.- (E-Book)
ISBN: 978-3-658-44096-1
Arno Tausch legt mit Antisemitismus, Terrorismus und politischer Islam die datenbasierte Analyse eines Themenfeldes vor, das nach dem Hamas-Massaker in Israel am 7. Oktober 2023 noch einmal an Dringlichkeit gewonnen hat. Aufbauend auf, wie er findet, bislang nur unzureichend genutzten internationalen Meinungsumfragen und unter Verwendung elaborierter Methoden der empirischen Sozialforschung versucht Tausch eine Vielzahl brennender Fragen zu beantworten, darunter jene nach dem Ausmass der Unterstützung von islamistischen Terrororganisationen beziehungsweise zum Kampf gegen solche Gruppierung in der muslimischen Welt, nach der Verbreitung des Antisemitismus, nach den Einstellungen zu Demokratie, nach Zustimmung oder Ablehnung von restriktiven Gendernormen und nach den gesellschaftlichen Rahmenbedingungen für zukunftsweisende Veränderungen im Nahen Osten.
Viele der von ihm als problematisch identifizieren Haltungen betrachtet Tausch als Folgen der Modernisierungsprozesse, die der Nahen Osten durchläuft. Antisemitismus, Islamismus und Terrorunterstützung erweisen sich demzufolge als Krisenerscheinungen. Dabei warnt Tausch: Auch wenn die Modernisierung letztlich positive Veränderungen bewirken werde, führe sie zunächst zu einer Verstärkung extremistischer Positionen, die sich keineswegs ausschliesslich auf »bombenwerfende« Terrorgruppen beschränken, sondern auch weniger gewaltvolle Ausprägungen eines vermeintlich »gemässigten« Islamismus bestimmen.
Dabei tritt er einer weit verbreiteten Verharmlosung massiver Probleme wie jenem des Antisemitismus in der muslimischen Welt – nicht weniger als 74 Prozent der Menschen im Nahen Osten und in Nordafrika seien als Antisemiten einzustufen – genauso entgegen, wie er empirisch fundiert gegen Pauschalverurteilungen von Muslimen argumentiert. Positiv hervorzuheben ist insbesondere Tauschs konsequente Betonung des engen Zusammenhangs zwischen repressiven Geschlechtsordnungen und der Verbreitung antisemitischer Denkmuster.
Bei Antisemitismus, Terrorismus und politischer Islam handelt es sich um einen Sammelband, der überarbeitete Übersetzungen von zehn Kapiteln Tauschs besteht, die zuvor in anderen Büchern in englischer Sprache und alle bereits vor dem 7. Oktober 2023 erschienen sind. Manche der verwendeten Datensätze werfen daher Fragen nach der Aktualität auf, so etwa Umfragen zum Ausmass der Unterstützung des Islamischen Staats, die aus einer Periode stammen, in der sich der IS am Höhepunkt seiner (zeitweiligen) Macht befand – und die nach dessen militärischer Zerschlagung vermutlich anders ausgefallen wären.
Dem Charakter des Buches als Sammelband früherer Arbeiten sind zum einen mehrere Wiederholungen geschuldet, zum anderen geht in der Fülle an Daten, Tabellen und Grafiken gelegentlich der rote Faden verloren; ein zusammenfassendes Kapitel, in dem die aus den einzelnen Statistiken gewonnene Gesamtschau gewissermassen als inhaltliche Klammer prägnant präsentiert wird, hätte Lesern, die nicht gerade Experten in Sachen empirischer Sozialforschung sind, eine hilfreiche Orientierung an die Hand gegeben. Und gewarnt werden müssen Leute, die schon bei der Erwähnung statistischer Methoden oder beim Anblick einfacher Tabellen Angstzustände bekommen – sie werden mit Antisemitismus, Terrorismus und politischer Islam keine Freude haben. Wer sich davon aber nicht abschrecken lässt, der wird in Tauschs Buchs eine Vielzahl interessanter und aufschlussreicher Einsichten finden, die Debatten über den Nahen Osten auf eine empirisch fundiertere Grundlage stellen.
