Ausgabe

Mobiles Mobiliar Eine Ausstellung zur Rückkehr Wiener Möbel der Moderne

Stephan Templ

Die Ausstellung unter dem Titel „Josef Frank und die anderen“ hätte genauso heissen können „Wunder und anderes“

Inhalt

Gezeigt werden Möbeleinrichtungen aus den 1930er Jahren von namhaften Architekten für zumeist jüdische Klienten, welche ihr Hab und Gut auf der Flucht legal aus dem Nazi-regierten „Land Österreich“ mitnehmen durften. Und zur Abrundung dieses Wunders kommt noch hinzu, dass einige dieser mitsamt ihren Möbeln Geretteten in den vergangenen Jahrzehnten, nach all den Demütigungen und Schikanen der republikanischen Nachkriegszeit, diese Möbel der Republik – dem Bundesmobiliendepot (heute: HofmobiliendepotMöbel Museum Wien) – geschenkt haben. 

 

Da ist einmal die Einrichtung von Gertrude und Viktor Böhm, einstens Inhaber einer Hutfabrikation in der Schottenfeldgasse 30: ihre von Ernst Plischke entworfenen, strengen Speisezimmermöbel für die Wohnung in der Mariahilfer Strasse 97 wanderten 1938 nach England und in weiterer Folge nach New York. Vor einem Jahrzehnt schenkte die Tochter Marie Bohm – Jacobson die Einrichtung dem Bundesmobiliendepot in der Andreasgasse, wo sie nun wenige hundert Meter von ihrem ursprünglichen Aufstellungsort entfernt zu bewundern sind. 

 

Die Schwägerin von Gertrude Böhm – née Rie – war die weltbekannte Keramikerin Lucie Rie, die sich ebenfalls von Ernst Plischke ihre Wohnung (Wien 1, Wollzeile 24) einrichten liess. 

 

Hinter scheinbaren, nussholzfurnierten Vertäfelungen verbergen sich Einbauschränke. Ernst Plischke schreibt dazu:

„Das Entwurfskonzept sah eine geschlossene Gesamtwirkung der Räume vor. Die Kastenwände bestanden nicht mehr aus einer Reihe von selbstständigen Einzelstücken. Sie waren vollkommen zerlegbar, nicht mehr verleimt, sondern geschraubt“, und weiter schreibt er:

„Die einheitlich flachen Türen der vier eingebauten Kastenwände des Wohn-Schlafraumes wirkten als einfache ruhige Wandvertäfelung des Gesamtraumes. … Die kleine Wohnung von Lucie Rie wirkte ruhig und offen. 1938 emigrierte Lucie nach London. Ich ließ die Möbel in Wien zerlegen und sandte sie mit einem Satz meiner Zeichnungen in die Albion Mews. Der Architekt Ernst Freud, Sohn von Prof. Sigmund Freud, hat sie dort wieder eingebaut.“ 

 

Nach dem Tode von Lucie Rie im Jahre 1995 erwarb das Bundesmobiliendepot die Einrichtung, restaurierte sie, seither ist sie Teil der Schausammlung. Sie ist eine der wenigen erhaltenen Wohnungseinrichtungen von Ernst Plischke in Wien vor 1938. 

 

Weiters sind Möbel aus der Wohnung des Textilhändlers Paul Hugo Illovy (1907–1980) zu sehen. Entworfen von Robert Schläfrig (Wien 1908–1968 Perth), der sich nach geglückter Flucht in Australien dann Robert Sheldon nannte. Paul Illovy konnte seine Einrichtung nach England mitnehmen, die er dann in sein neuerbautes Haus integrierte. Im Jahre 2011 schenkte seine Tochter die Einrichtung dem Bundesmobiliendepot

 

Weitere Schenkungen: Ann Gregor schenkte einen vom Architekten Hugo Gorge () entworfenen Armlehnsessel, einen „Kanadier“, aus dem kanadischen Toronto nach Wien. Marianne Gorge wiederum, Tochter des Architekten, schenkte ein Tischset aus der Feder ihres Vaters der Republik, dem Bundesmobiliendepot

 

Die von Josef Frank für Bettina und Isidore Cohen entworfene Wohnungseinrichtung ging nach ihrer Herstellung mit einer kurzen Zwischenstation als Schaueinrichtung in der Wiener Werkbundsiedlung im Jahre 1932 auf Reisen. Sie war für das Haus des Ehepaares in Ägypten bestimmt, wo Isidore Cohen in Alexandria als Bankfachmann arbeitete. 

 

Die Familie Cohen wanderte in den 1950ern nach London aus. Ihre Wohnungseinrichtung begleitete sie und kann heute ebenfalls in der Schausammlung bewundert werden. 

 

Ausstellung: bis 11. Jänner 2026, Möbelmuseum Wien, link:

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Wohnung Lucie Rie, Architekt: Ernst Plischke, Wien 1928. Foto: Severin Wurnig. Copyright: Schloß Schönbrunn Kultur- und Betriebsges.m.b.H. Quelle: 20. und 21. Jahrhundert. Sammlungen. Möbelmuseum Wien, link:

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