Die Wiener Arbeiterkammer residiert in einem gesichtslosen Neubau in der noblem Prinz Eugen-Strasse, an jener Stelle, an der sich das Palais Albert Rothschild befand, bis 1960, als dieses Stück Geschichte, wie in Wien üblich, zerstört wurde.
Dieses Palais war nicht nur ein kunsthistorisches Denkmal, auch ein historisches Monument, denn hier befand sich die von Adolf Eichmann begründete „Zentralstelle für die jüdische Auswanderung“, die ab 1938 bürokratisch die Vertreibung der Juden aus Österreich vorbereitete und ab 1941 die Transporte in die Vernichtungslager organisierte. Sie war so „erfolgreich“, dass ihre Organisationsmuster im ganzen Deutschen Reich und den besetzten Gebieten nachgeahmt wurden und Eichmann und Alois Brunner grosse Karriere machten.
Die Arbeiterkammer ist sich der geschichtlichen Verantwortung bewusst, es wurde ein Erinnerungsort geschaffen, der ästhetisch ansprechend und unaufgeregt den Ort dieser Geschehnisse markiert und die Täter benennt, dreissig sind es von etwa sechzig Mitarbeitern der Zentralstelle – es sind diejenigen, deren Tätigkeit für die SS-Dienststelle zweifelsfrei nachgewiesen ist.
Die Installation befindet sich im Eingangsbereich rechts und ist in grauen und schwarzen Tönen gehalten. Sophie Lillie und Arye Wachsmuth schufen eine Gestaltung, die nicht theatralisch wirkt, sondern die Besucher zur intensiven Auseinandersetzung mit der Geschichte dieses Ortes einlädt. Deshalb sind die Informationstafeln auch so klein, man muss ihnen sehr nahekommen, um die Berichte über Adolf Eichmann, Alois Brunner und andere SS-Männer zu lesen, aber auch über die Frauen, die an der Organisation des Holocaust mitgearbeitet haben.
Die Ziele der Deportationen sind auf einem Pfeiler in drei Teilen abgebildet, dies könnte man leicht übersehen. Für das Nachdenken über das Gesehene ist ein schwarzes Quadrat in Augenhöhe montiert: etwas kleiner als das von Kasimir Malewitsch – etwas grösser, das Gesichtsfeld ausfüllend wäre besser gewesen, so kann man nicht völlig in die Schwärze eintauchen.
Am 29. September 2025 wurde die neue Dauerausstellung eröffnet, dazu erschien ein Prachtband, der Beiträge von namhaften Historikern versammelt, ein grossartig recherchiertes Buch, von Arye Wachsmuth fast zu ästhetisch gestaltet und herausgegeben von Florian Wenninger, dem Leiter des Instituts für historische Sozialforschung und der Juristin und Historikerin Marie-Sophie Egyed. Auf 444 Seiten ist die Geschichte dieses Ortes akribisch aufgearbeitet, es empfiehlt sich ein Lesepult für das 2.750 Gramm schwere Werk. Nicht nur das Gewicht ist enorm, die Artikel dieses lesenswerten Bandes sind informativ und auf dem letzten Stand der Wissenschaft.
Die Ausstellung kann jederzeit besichtigt werden, sie ist sehr zu empfehlen für Jugend- und Schülergruppen, aber auch Erwachsene sind eingeladen, sich ein Bild über diesen Teil der österreichischen Vergangenheit zu machen.
Ausstellung
1040 Wien, Prinz-Eugen-Strasse 20
https://wien.arbeiterkammer.at/ueberuns/geschichte/ausstellung/Schaltstelle-des-Terrors.html
Nachlese
Florian Wenninger, Marie-Sophie Egyed (Hrsg.): Schaltstelle des Terrors. Geschichte und Personal der Zentralstelle für jüdische Auswanderung Wien 1938-1943. (= Schriftenreihe des Instituts für Historische Sozialforschung Bd. 2)
Wien: Böhlau Verlag 2025.
444 Seiten, Euro 40,00.-
ISBN 9783205223818
Alle Abbildungen: M. Bittner, mit freundlicher Gemehmigung.

Die Ausstellungsgestalter mit AK-Direktorin Silvia Hruska-Frank.

Informationstafel Adolf Eichmann.

Karte der Deportationsorte.

Teilansicht der Installation.