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Wichtig für das kulturelle Gedächtnis

Kerstin KELLERMANN

Ausstellung zur aktuellen Provenienz-Forschung im Frankfurter Liebieghaus

 

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Der Frankfurter jüdische Unternehmer Harry Fuld. Foto: Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt am Main. Mit freundlicher Genehmigung: Liebieghaus, Presse.

 

Wirklich viel und jahrelange Arbeit bedeutete die derzeitige Ausstellung im Frankfurter Liebieghaus – „Drei Jahre Arbeit waren das“, nickt die Kassiererin. Eindeutig bis zweifelhaft. Skulpturen und ihre Geschichten präsentiert die Herkunft bestimmter Exponate in den Ausstellungsräumen quer über die Villa am Frankfurter Schaumainkai. 

 

Mit kleinen Geräten kann der Besucher jeweils in die Untersuchung hineinhören, aber es gibt auch Fotos und ausführliche Texte. Klassische Provenienzforschung also? Nicht nur, denn: „Ein Objekt auf seine Provenienz zu prüfen, bedeutet jedoch nicht notwendigerweise, dass diese sich in jedem Fall und zum jeweiligen Zeitpunkt der Untersuchung lückenlos und endgültig klären lässt. Daher kommt Provenienzforschung häufig nicht zu einem eindeutigen Abschluss, liefert in der Regel keine einfachen Antworten und hinterlässt zahlreiche offene Fragen.“ Provenienzforschung sei weit mehr als die Klärung der Eigentumsverhältnisse: „Sie betrifft zugleich und ganz wesentlich immer auch Fragen des kulturellen Gedächtnisses.“ 

Kulturelles Gedächtnis? Halten wir fest, dass Juden ebenfalls Eigentümer von typisch christlicher Kunst waren, wie die „Steinberger Pietà“, die der jüdische Frankfurter Unternehmer Harry Fuld dem Liebieghaus lieh. Fuld besass auch eine grosse Sammlung mittelalterlicher Kunst. Als Fuld 1932 starb, konnte das Museum die Erben nicht davon überzeugen, die Pieta dem Museum zu überlassen. In der NS-Zeit kam es dann zu den entscheidenden ungleichen Machtverhältnissen. Museumsdirektor Alfred Wolters schlug 1936 fünf Objekte der Sammlung Fuld für das Verzeichnis national wertvoller Kunstwerke vor und beschränkte so ihren Export. Auch die Pieta musste in Deutschland verbleiben, die Witwe Fulds lehnte aber den Verkauf an das Museum ab. Erst nach dem Krieg konnte das Liebieghaus die Pieta endgültig erwerben. Ein zweites Beispiel: Die jüdische Geschäftsfrau Rosmarie Sommerlat besass die hölzerne Ölberggruppe eines unbekannten Künstlers aus 1590 bis 1600. Sie musste 1938 fliehen und bemühte sich 1957 um die Rückgabe durch die Stadt Frankfurt. Sommerlat hatte die Ölberggruppe an den Antiquitätenhändler Emil Rothschild verkauft, der nach New York floh. Diese Provenienzforschung ist noch nicht abgeschlossen. 

Die Ausstellung ist auch insofern interessant, als die Rolle des langjährigen Direktors Alfred Wolters kritisch hinterfragt wird und seine Ambivalenzen beleuchtet werden. Wolters war seit 1928 Leiter der Städtischen Galerie und damit auch des Liebieghauses. Nach dem Kriegsende blieb er bis 1949 in Amt, weil er kein Mitglied der NSDAP gewesen war: „Zudem war er im Denazifizierungs-Ausschuss des Kulturamtes“. 

Schade ist es, dass das Liebieghaus laut Angaben der Aufsicht keine Skulpturen mehr ankauft, denn im Garten rund um die schöne Villa hätte noch einige moderne Werke gut Platz im Grünen. Sie wären eine gute Aussicht vom Kaffeehaus unter den Bäumen her. 

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Der Galerietrakt des Liebieghauses nach der Zerstörung, nach 1944. Foto: Heinrich Stürtz; Institut für Stadtgeschichte, Frankfurt am Main. Mit freundlicher Genehmigung: Liebieghaus, Presse.

 

Nähere Information

 

http://www.liebieghaus.de/de