Martin Reiterer
Sich selbst treu bleiben
Barbara Yelin und David Polonsky:
Vor allem eins: Dir selbst sei treu.
Die Schauspielerin Channa Maron.
Berlin: Reprodukt 2016
79 Seiten, gebunden, Euro 24,70
ISBN: 978-3956401022
Ein Kinderstar in der Weimarer Republik, eine Institution in Israel, zwischen ihrem ersten und ihrem letzten Auftritt sind 83 Jahre vergangen, weshalb sie im Guin-ness-Buch der Rekorde als „dienstälteste Schauspielerin der Welt“ eingetragen ist, ein Vermerk, den sie, wie die Filmemacherin Anne Linsel erzählt, lustig fand: Die Rede ist von Channa Maron, der 2014 in Tel Aviv verstorbenen Schauspielerin.
Im deutschsprachigen Raum ist Maron wenig bekannt, doch wenn man Barbara Yelins Comicbiografie liest, hat man sogleich das Gefühl, mit dieser Figur vertraut zu sein. Das hängt zum einen mit Marons Biografie zusammen: 1923 als Hannele Meierzak in Berlin geboren, 1933 nach Paris, 1935 schliesslich nach Palästina geflohen; ihr bio-geografischer Bogen ist so paradigmatisch für deutsche Jüdinnen und Juden, denen die Flucht vor dem Naziregime geglückt ist, wie aussergewöhnlich er in seiner individuellen Ausgestaltung ist. Zum anderen ist es Yelins atmosphärische Bilderzählung, die die Leser überzeugend ins Berlin der 1920er Jahre mitnimmt, dass man ihr auf der Lebensreise ihrer noch kleinen Protagonistin nach Palästina, dann Israel rückhaltlos folgt.
Der Bruch, der den tiefsten Fall der europäischen Geschichte des 20. Jahrhunderts markiert, hat ebenso das Gedächtnis fragmentiert. Die in Vergessenheit geratene Verbindung zwischen Hannele, das einst in Berlin als Pünktchen in Erich Kästners Pünktchen und Anton oder als Mädchen in Fritz Langs M – Eine Stadt sucht einen Mörder aufgetreten ist, und Channa Maron, die in Tel Aviv zur Grande Dame des israelischen Theaters wird, rückt Yelin anschaulich ins Gedächtnis. Die deutsche Zeichnerin – zuletzt bekannt geworden durch ihren bemerkenswerten, historisch präzisen Comic Irmina über ihre Grossmutter und Nazi-Mitläuferin in den 1930er Jahren – lässt die Lebensabschnitte Marons von verschiedenen Personen aus ihrem Umfeld erzählen und inszeniert die Episoden in Panelform. Das macht den Comic abwechslungsreich und kurzweilig. Doch das ist das Leben dieser eindrucksvollen Frau ohnedies. Als sie 1970 auf dem Flughafen München-Riem Opfer eines palästinensischen Anschlags wird, infolge dessen der Schauspielerin das linke Bein amputiert werden muss, gibt sie nicht auf: Sie kehrt auf die Bühne zurück, und zugleich verstärkt sie ihren Einsatz für die israelisch-palästinensische Friedensbewegung.