Ausgabe

Das Salzburg Global ­Seminar in Schloss ­Leopoldskron

Tina Walzer

1920 feierten die Salzburger Festspiele Premiere, als Friedens­initiative nach dem Ersten Weltkrieg gegründet. 27 Jahre und einen weiteren verheerenden Weltkrieg später entstand die gemeinnützige Organisation ­Salzburg Global Seminar mit
dem Ziel der dauerhaften ­Friedenserhaltung, eines ­„Marshall-Plans“ des Geistes.

Inhalt

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Schloss Leopoldskron, Herbst 2018.

Foto: Salzburg Global Seminar, mit freundlicher Genehmigung.

Die Zusammenarbeit zwischen den Salzburger Festspielen und dem Salzburg Global Seminar wurde auch im Sommer 2019 mit einem Symposium über die Künstlerinnen bei den Festspielen 1920 – 1937 erfolgreich fortgesetzt. Das Salzburg Global Seminar im Schloss Leopoldskron nimmt für sich in Anspruch, ein Ort zu sein, an dem die ursprüngliche Idee und Vision der Salzburger Festspiele noch präsent ist. Mit der Erhaltung des barocken Schlosses, wie es der Festspiel-Mitbegründer Max Reinhardt (1873 Baden bei Wien – 1943 New York) umgestaltet und bespielt hatte, schafft Salzburg Global für seine Programme seit 1947 einen Rahmen, in dem die Visionen des berühmten Impresarios weitergetragen werden sollen.

Von Reinhardt als Ort der Begegnung und der gegenseitigen Befruchtung von Politik, Kunst und Intellekt eingerichtet, werden im Schloss heute Lösungen für Konflikte auf der ganzen Welt gesucht. Salzburg Global Seminar versteht sich als Plattform des Dialogs für Konfliktparteien in aktuellen Krisen, und dies ist nicht nur politisch gemeint, sondern erstreckt sich auch auf andere weltweit akute Fragen wie den Umgang mit Flüchtlingen, die Diskriminierung von Minderheiten, Klimawandel und Umweltschutz oder eine funktionsfähige Medienlandschaft. Aus den vielfältigen Programmen sticht vor allem das Projekt „Lernen aus dem Holocaust“ hervor. Über die Aufgaben des Salzburg Global Seminar und ihre eigenen Zielvorstellungen angesichts heutiger globaler Unsicherheit und Unruhen hat die Programmchefin von Salzburg Global, Clare Shine, am 19. Juli 2019 mit uns gesprochen.

 

Holocaust Education and Genocide Prevention Program

Das Holocaust Education and Genocide Prevention Program stellt ein Training dar, Möglichkeiten zu entwickeln, um Schwierigkeiten wie steigendem Rassismus, dem Entzug von Menschenrechten, der globalen Flüchtlingsproblematik, lokalen politischen Krisen und humanitären Katastrophen zu begegnen. Dieses Programm wurde 2010 gegründet angesichts des Umstandes, dass zwar eine Allianz der Erinnerungskultur in Israel, den U.S.A. und Kanada bestand, aber Länder wie beispielsweise Argentinien, in denen Menschenrechtsverletzungen, Völkermord und auch historische Gräueltaten stattfinden bzw. stattgefunden haben, dort nicht repräsentiert waren. Die Idee dahinter ist, das Lernen aus dem Holocaust als Mittel zur Förderung erfolgreicher und entwicklungsfähiger Gesellschaften einzusetzen.

Die Grundfrage ist dabei: Wie unterrichtet man „Lernen aus dem Holocaust“? Die einzelnen Länder sollen ihren jeweils eigenen Zugang dazu erarbeiten. Jedes Teilnehmerland hat seine eigenen Probleme, für die aus der Auseinandersetzung mit dem Holocaust selbst länderspezifische Lösungsansätze erarbeitet werden. Statt Vorgaben von aussen gibt es also Lösungen von innen, die auf diese Weise eine bedeutend höhere lokale Akzeptanz aufweisen. Bis heute machen bereits mehr als dreissig Länder mit, beispielsweise gibt es eine Kooperation für Pilotprojekte gegen Extremismus in Afrika und Asien, alleine daran sind 17 Länder der Afrikanischen Union beteiligt – ein wirklich grenzüberschreitendes Projekt. Seit ihrer Konstituierung im Schloss Leopoldskron 2016 arbeitet eine Gruppe in Afrika an einem Projekt, den Holocaust, den Genozid in Rwanda und die Apartheid Südafrikas vergleichend zu untersuchen, um zukünftige Generationen über die möglichen Gefahren von Extremismus zu informieren, für das Projekt wurde der Name Change Makers Program geprägt. Ihr Prinzip ist das Lernen aus der Geschichte, um die Fehler der Vergangenheit nicht zu wiederholen.

Derzeit plant Shine ein neues Programm, das Asia Peace Innovators Forum, in dessen Rahmen Länderteams von Gruppen, die daheim nicht miteinander sprechen, sich in Leopoldskron treffen können. Hier geht es darum, Führungsqualitäten mit dem Mut zum Dialog zu verbinden und diese Erfahrung im Sinne der Friedenserhaltung zu festigen. Salzburg Global setzt sich hier die Aufgabe, Führungspersönlichkeiten, die durch die Politik getrennt sind, institutionell zusammenzubringen.

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Nachlese:

Clemens. Ways of Shaping
a Better World. July 2019, issue no.
1. Hg. v. Salzburg Global Seminar.

Web: www.SalzburgGlobal.org

 

Clare Shine formuliert es so:

„Als Institution haben wir uns dem Ziel verschrieben, an der Gestaltung einer besseren Welt mitzuwirken. Der Weg dorthin führt über die Transformierung von Systemen, sei es nun beispielsweise im Bereich von Finanzfragen, Recht und Technologien, oder Medien und dem Vertrauen der Öffentlichkeit in Nachrichten. Wir verstehen uns als Motor für Veränderung in der Welt. Wofür wird Geld eingesetzt? Auf welchen Grundlagen werden Entscheidungen getroffen? Wir versuchen, Menschen zusammenzuführen - wie Flüchtlinge, Künstler und Politiker – und zwar als nicht-transaktionale Einrichtung, führen also nicht selbst aus, sondern bemächtigen Institutionen und Individuen, die keinen Weg finden, wie sie zueinander in Verbindung treten könnten, sich hier auszutauschen.“

 

Young Cultural Innovators

2014 wurde in Leopoldskron das Salzburg Global Forum for Young Cultural Innovators für vorwiegend junge Leute entwickelt. Die Vision dieses Programms für junge Kreative ist die Förderung sozialer, wirtschaftlicher und urbaner Veränderungen, es ist in 22 „Hub“-Gruppen über sechs Kontinente organisiert. Salzburg Global als sicherer Rahmen fördert auch hier nachhaltige Lösungsansätze und setzt auf die Förderung menschlicher Werte: Mitgefühl und Ernsthaftigkeit. „Wir wollen das Beste aus den Teilnehmerinnen und Teilnehmern herausholen“, so Shine. Sie sieht diesen Anspruch auch historisch begründet: 1947 war es Clemens Heller und seinen Studienkollegen Scott Elledge und Dick Campbell gelungen, im schwer baufälligen Schloss Leopoldskron eine Summer School zu veranstalten. Sie überredeten führende Akademiker wie die Mutter der Anthropologie Margaret Mead (1901 - 1978), dort zu volontieren, organisierten Reparaturarbeiten am Gebäude und schafften es, über einhundert junge Akademiker und Fachleute aus 18 Ländern für sechs Wochen im damals noch unter U.S.-Besatzung stehenden Salzburg unterzubringen und zu versorgen. Im kriegszerstörten Europa suchten die Teilnehmer nach möglichen Gemeinsamkeiten, nach einem gangbaren Weg zum friedlichen Zusammenleben, jenseits von Ideologien, um Stereotypen zu überwinden und gemeinsame Werte zu etablieren. Seither fördert Salzburg Global innovative Lösungsansätze zur Zusammenarbeit über alle Grenzen hinweg.

 

Clare Shine

Geboren in England als Kind einer irischen Familie, prägten sie die jahrzehntelangen Friedensbemühungen im Nordirlandkonflikt. Nach einer Ausbildung zur Rechtsanwältin, journa­listischen Karriere bei der Financial Times und Spezia-
lisierung auf Konfliktmanagement kam sie vor sieben Jahren zum Salzburg Global Seminar. Heute ist sie hier Vizepräsidentin und Programmchefin.