Ausgabe

Antisemitismus in Österreich1933–1938

Christoph Tepperberg

Inhalt

Antisemitismus in Österreich
1933–1938, hrsg. Gertrude Enderle- Burcel und Ilse Reiter-Zatloukal.

Wien-Köln-Weimar: Böhlau 2018.
1167 Seiten, 53 s/w-Abb., Euro 80,00
ISBN: 978-3-205-20126-7

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Die vorliegende Publikation „Antisemitismus in Österreich 1933 bis 1938“ basiert auf einer viertägigen Veranstaltung mit gleichem Titel im Juridicum der Universität Wien. Es ist den beiden Organisatorinnen der Tagung, Gertrude Enderle-Burcel und Ilse Reiter-Zatloukal gelungen, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der unterschiedlichsten Fachrichtungen zur Mitarbeit zu gewinnen. Das Hauptinteresse lag dabei nicht so sehr auf dem offen gezeigten und praktizierten Antisemitismus, sondern der Forschungsschwerpunkt wurde primär auf den „versteckten Antisemitismus“ gelenkt, wie es Bruce Pauley schon vor Jahren formulierte.

Es ist das besondere Verdienst der beiden Wissenschaftlerinnen und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, dass es gelungen ist, diesen unterschwelligen Antisemitismus in der österreichischen Gesellschaft der Zwischenkriegszeit erfahrbar zu machen, Denn dieser lässt sich quellenmässig oft nur sehr schwer nachweisen, ist aber umso bösartiger und gefährlicher ist.

Diese Spurensuche führt in alle Lebensbereiche und zeigt die Aktualität der Einschätzung des Zeithistorikers Karl Stuhlpfarrer, der in den 1990er Jahren knapp und präzise formulierte: „Die Politik der antisemitischen Kräfte war darauf gerichtet, die Juden in Österreich zu dissimilieren, sie mit Gewalt auch gegen ihren Willen auf sozialem und wirtschaftlichem Gebiet von der übrigen Bevölkerung abzusondern und ihnen jede Möglichkeit politischer Sozialisation als integrierender Teil des gesellschaftlichen und politischen Lebens der österreichischen Bevölkerung zu nehmen.“ Der profunde Kenner der Materie kam zu dem Schluss: „dass der Antisemitismus nicht durch das NS-Herrschaftssystem importiert wurde, sondern, dass er autochthonen Charakter hatte.“

Diese beiden Forschungsansätze – den „versteckten Antisemitismus“ aufzuspüren und den „autochthonen Charakter des Antisemitismus in Österreich“ aufzuzeigen, bestimmen auch den Aufbau der Publikation. Es kann gezeigt werden, dass das Thema Antisemitismus überaus vielschichtig ist und die Literatur über Antisemitismus eine „unermessliche Fülle“ angenommen hat – wie John Weiss in seinem Werk „Der lange Weg zum Holocaust. Die Geschichte der Judenfeindschaft in Deutschland und Österreich“ schon 1997 festgestellt hat. (Alleine über die Suchmaschine des Österreichischen Bibliothekenverbundes kommt man unter dem Stichwort Antisemitismus zu 7.800 Treffer und Google liefert 2.780.000 Einträge.)

Die Beiträge zeigen in einer einzigen Publikation die Vielfalt möglicher wissenschaftlicher Zugänge. In grossen Themenblöcken werden allgemeine einführende Beiträge, Beiträge zur Regierungspolitik, zur Haltung von Verbänden, Parteien und Religionsgesellschaften, zu wirtschaftlichen Diskriminierungen und zu Antisemitismus im Kultur- und Bildungsbereich sowie in der Wissenschaft. Der Antisemitismus in den Bundesländern und der offene Antisemitismus in den 1930er Jahren werden thematisiert. Die Haltung der Israelitischen Kultusgemeinde und der jüdische Antisemitismus ergänzen die Themenliste. Als roter Faden wird aber immer wieder die Frage nach dem versteckten Antisemitismus in den 1930er Jahren gestellt.

Der Sammelband gibt erstmals einen Überblick zum bisherigen Forschungsstand, bringt aktuelle Forschungsergebnisse, setzt sich aber auch mit den immer noch bestehenden Forschungslücken auseinander. Der Sammelband enthält wichtige neue Erkenntnisse für die nach wie vor umstrittene Einstufung des Dollfuss/Schuschnigg-Regimes im Spektrum der europäischen Faschismen.

In ihrer Gesamtheit vertiefen die Beiträge die Sicht auf den Antisemitismus in Österreich von der Gründung der Republik 1918 bis zum „Anschluss“ 1938 und liefern Antworten auf die Fragen nach dem antisemitischen Milieu in Österreich in den Jahren vor 1938.