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Predigten von Samuel Mühsam

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Samuel Mühsam: Ausgewählte Predigten

Herausgeber: Luka Girardi

Graz: Leykam 2014

162 Seiten, Euro 18,00

ISBN  978-3-7011-7948-0

Es ist schade, dass sich in der Literatur trotz einiger neuerer Forschungen keine schriftlichen Hinweise darauf finden, wo sich Samuel Mühsam (1837 - 1907) zum Rabbiner ausbilden liess. Vermutlich am Jüdisch-Theologischen Seminar in Breslau, wo er die Universität besuchte, obwohl sein Name in einer publizierten Liste der Schüler nicht auftaucht, oder aber in Wien. Mühsam wurde in Landsberg in Oberschlesien geboren und besuchte das Gymnasium in Oppeln. Von 1862 bis 1864 lebte er in Wien, wo er im Bezirk Ottakring predigte und das von Adolf Jellinek gegründete Beth Hamidrasch besuchte. Bis zu seiner Übersiedlung nach Graz wirkte er als Rabbiner in Postelberg in Böhmen, in Znaim und in Bisenz. Eindringlich formulierte Mühsam in einer der ersten Predigten des Buches die Verbundenheit der österreichischen Juden mit ihrem Vaterland: „[...] dass wir getreulich mitarbeiten am Wohle der Gesellschaft, am Fortschritte der Zeit, an der Kultur des Jahrhunderts, dass wir uns als Bürger fühlen, als Einheimische und niemandem nachstehen wollen an Opferwilligkeit, an Treue und Vaterlandsliebe!" Die humanistische Botschaft des Judentums, die alle Völker miteinschliesst, fand in ihm einen grossen Fürsprecher: „eine Lehre und ein Recht für den Israeliten wie für den Nichtisraeliten, für den Reichen wie für den Armen, für den Weisen wie für den Toren, für den Glaubensstarken wie für den Zweifler; - eine Lehre und ein Recht für den Freund wie für den Feind, für den Nahen wie für den Fernen, für die Liebe wie für den Hass, eine einheitliche Lehre und ein einheitliches Recht für Alle und für Alles!" 

Auf den immer stärker werdenden Antisemitismus antwortete er besonders eindrucksvoll am Jom Kippur: „Eine Forderung des Menschenrechtes ist es, unabweisbar, dass an jeden Menschen gerecht beurteile. Über uns aber urteilt man mit Hohn und Spott, mit Voreingenommenheit und mit längst widerlegten Anschauungen. Mit dem Hasse, den die Völker in ihrer Mitte gegen uns nähren und grossziehen, haben sie unser Menschenrecht verletzt [...] Ja, sie haben Wahrheit und Recht gegen uns übertreten, wir aber rufen im Geiste unserer Religion: ‚sehet, wir haben einen Jom Kippur, einen Tag der Versöhnung, und wollen Versöhnung mit den Völkern! Keinen Hass, keinen Groll, keine Nachtragung, wir wollen versöhnt sein!" In seiner Antrittsrede in Graz predigte er gegen jene an, die damals das Judentum alt und altersschwach nannten: noch lebt im Judentum „der alte, jüdische Geist, der da ist der Geist der allumfassenden Menschenliebe, des allumfassenden Erbarmens, der Geist der Duldung und der Gerechtigkeit gegen alle Menschen,- und dieses Israel soll alt und altersschwach geworden sein?! [...] Dem Judentume gebührt das Lob, dass es den Anforderungen der Zeit  stets gerecht wurde, teilnahm an allen Ergebnissen der Wissenschaft, nicht nur selbst tätig war am Kulturfortschritte der Völker, sondern, dass es jedesmal die Sprache des Volkes, unter dem es lebte, ja noch mehr, dessen Sitten und Anschauungen vollständig annahm." Als 1892 die neue Synagoge gebaut wurde, schätzte Mühsam umso mehr dieses Unterfangen, da es in einer Zeit des religiösen Indifferentismus und der vermehrten Anfeindungen geschah. Obwohl er sich selbst gegen den Gebrauch der Orgel aussprach wurde in der neuen Synagoge eine solche eingebaut. Verwiesen sei noch auf Mühsams Definition des jüdischen Menschen und auf seine Predigt über die jüdische Armenfürsorge, die immer auch die Unterstützung für Nichtjuden miteinschloss. Der Herausgeber hat eine hervorragende Auswahl aus den drei 1909/10 publizierten Bänden von Mühsams Predigten getroffen, ergänzt mit einem Vorwort von Dr. Kurt Mühsam.