Heine, Susanne / Lohlker, Rüdiger / Potz, Richard: Muslime in Österreich. Geschichte - Lebenswelt - Religion. Grundlagen für den Dialog.
Innsbruck: Tyrolia 2012.
296 Seiten, Euro 27,95
ISBN 978-3-7022-3025-8
Im Gegensatz zu Deutschland, wo es noch nicht so lange her ist, dass Muslime als „Gastarbeiter" aus Anatolien ins Land geholt wurden, kann Österreich auf eine längere Geschichte des Kontaktes mit Muslimen zurückblicken.
Gemeint sind nicht nur die beiden „Türkenkriege" in den Jahren 1529 und 1683; schon bald darauf, im Jahr 1766, leben 134 Türken mit Familien in Wien, darunter auch achtzehn türkische Juden. Bereits 1912 wurde der Islam als Religionsgemeinschaft offiziell anerkannt.
Im ersten Teil des Buchs wird ganz allgemein und verständlich erklärt, wie es um die Muslime in Österreich heute steht. Eine verstärkte Zuwanderung von Muslimen erfolgt in den 1960er-Jahren, es handelt sich dabei um Muslime vor allem aus Jugoslawien, gefolgt von türkischen Muslimen. Die Statistik offenbart Interessantes: Im Jahr 1981 stellen Muslime mit 76.939 Menschen 1% der Einwohner, 2009 ist ihre Zahl auf 515.914 Menschen und damit auf 6,2% angestiegen. Zum Vergleich: In der sonstigen EU liegt der Anteil bei ungefähr 3,5%.
In Österreich ist der Islam als Religionsgemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt, die „Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich" existiert offiziell seit dem 2. Mai 1979. Seit 1982/83 organisiert sie den staatlichen islamischen Religionsunterricht an österreichischen Schulen. Die dafür notwendige Ausbildung bewerkstelligt seit 1998 die Islamische Religionspädagogische Akademie.
Wer schon immer mehr über das muslimische Leben wissen wollte, wird sich über den zweiten Teil des Buches freuen, der vom Alltag der Muslime berichtet und die muslimischen Feiertage vorstellt.
Der dritte und für mich interessanteste Teil beginnt mit einem Überblick über die Geschichte des Islam und diskutiert anschliessend die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Islam und Christentum. Man erfährt viel über den Koran, die Hadithe, die Scharia, über das Wort Gttes, Schöpfung und Erlösung und auch darüber, welchen Stellenwert Jesus im Islam hat.
In einem abschliessenden Teil geht es um christlich-muslimische Begegnungen und Gespräche in der Vergangenheit und heute, sodass man als LeserIn zu dem Schluss gelangt: Ja, man kann durchaus friedlich miteinander leben; es braucht nur Aufklärung und gegenseitiges Verständnis. Das ist mehr, als man heute in Deutschland erlebt. Es würde nicht schaden, sich anzuschauen, was Österreich allem Anschein nach gelungen ist: Seine Muslime erfolgreich in die Gesellschaft zu integrieren.
Der Umgang der Verfasser mit dem arabischen Frühling und dem islamischen Terror lässt, gelinde gesagt, zu wünschen übrig. Hier wollte man möglicherweise nicht anecken.
Falsch klingen die Argumente der Verfasser zuweilen, wenn das Judentum mit einbezogen wird. Hier kennen sie sich offensichtlich weniger aus. So wird das Land, das zur Zeit von Jesus bekanntlich Judäa hiess, wiederholt als „Palästina" bezeichnet. Ausserdem wird behauptet, arabisch sprechende Juden würden zu „Allah" beten, weil es das arabische Wort für Gtt sei. Nein! Auch das ist leider falsch! Juden, auch arabisch sprechende, beten auf Hebräisch, und auf Hebräisch heisst Gtt „Elokim". In beiden Fällen handelt es sich um mehr als kleine Schönheitsfehler.