Ausgabe

...das Blaue vom Himmel holen

Ludwiga REICH

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- da sind Vögel, kleine Vögel, die auf den Zweigen wippen, gleich werden sie auffliegen, aus den Büschen schwirren, man wird ihr Gezwitscher zu hören vermeinen -

- da sind Blüten, helle, leichte, bei denen man nicht weiß, ob sie wie die Rilkeschen Blätter sanft zu Boden sinken , oder ob sie, vom Hauch des Schöpfers angehoben, aufsteigen gegen den Himmel -

- da ist der Mensch, soeben als Mann und Frau gedoppelt erschaffen,  inmitten eines regenwaldgrünen üppigen Pflanzengewirrs-

- und erst die Stadt, die Heilige Stadt! Still schmiegen sich die Häuser eng gedrängt an den Berg, rund um sie das Blau der Abenddämmerung, und darüber das wunderbare Gefieder der Engelsflügel,  die diesen Ort und seine blaue Atmosphäre überdachen-

Und das alles klein, ganz klein, so winzig, dass man den Reichtum des Dargestellten nur mit der Lupe erkennen kann. Mit der Lupe wurden die Bilder ja auch gemalt - Miniaturmalerin und Kalligraphin ist ihre Schöpferin, die in Israel lebende Künstlerin Renée Koppel.

Metavel hat sie ihr Ehemann, der Dichter Elazar Benyoëtz, einmal in einem ihr gewidmeten Gedicht genannt. Und sie hat den Namen fortan als ihr Künstlerpseudonym beibehalten.

Das Wort Metavel ist mehrfach  übersetzbar, kann „Gut Gottes", aber auch „Eintauchen" (in die Thora) bedeuten.  Und der Begriff des Eintauchens beschreibt tatsächlich perfekt den Vorgang, der jeder künstlerischen Produktion Metavels vorangeht. Sie hat sich - nach kurzen Anfängen auf dem Gebiet der abstrakten Malerei -  vollkommen der Beschäftigung mit religiösen Inhalten zugewandt. Bevor ein Bild - für das dann auch keine Skizzen mehr nötig sind - entsteht, taucht sie ein in die biblischen Texte, in die Geheimnisse der Kabbala, in die Auslegungen des Midrasch, beschäftigt sich oft wochen- oder monatelang mit den Worten, die durch ihre Bilder erhellt werden sollen. Denn nicht additive Verzierung, leichtgängige Behübschung sollen ihre Miniaturen sein, sondern „éclairement", Erhellung des Textes, Teil eines untrennbaren Ganzen, das aus der Beziehung von Bild und kalligraphierter hebräischer Schrift mit ihren geheimnistragenden Buchstaben entsteht.

  

Metavel hat ein Faible für altes Papier und  verwendet ausschließlich Wasserfarben. Sie aquarelliert aber nicht, malt nicht nass in nass, sondern hat eine eigene Technik entwickelt:

mit der Hilfe von Chiffonstückchen, die Farbe aufnehmen und Spuren hinterlassen können,  gelingt ihr ein mehrfacher Farbauftrag, der eine gewisse Tiefe ermöglicht und eine starke Leuchtkraft der Farben hervorbringt. Ihr unnachahmliches Blau zum Beispiel. 

  

Die Originale Metavels können immer wieder in Ausstellungen -  von Jerusalem bis Paris,  von Bochum bis Wien, von Münster bis Chur - bewundert werden. (Ein Journalist empfahl einmal treuherzig, die Besucher mögen eine Lupe mitnehmen!)  Die Bücher sind aber auch gedruckt erschienen im israelischen Verlag  Even Hosher.

Neben zahlreichen anderen Auszeichnungen und Preisen gewann Metavel 1989    den Wettbewerb des Ministeriums für Handel und Industrie: ihre Passover Haggadah wurde als „das schönste Buch Israels" ausgezeichnet !

Es ist erstaunlich, nach welchen Vergleichen Rezensenten tappen, wenn sie versuchen, den Stil von Metavels Bildern  zu beschreiben.  Die unterschiedlichsten Assoziationen werden da offenbar. Und tatsächlich entdeckt man bei genauem und längerem Hinsehen immer  wieder ein kleines Detail, das Erinnerungen weckt: ein Tier in einer Leiste gemahnt an das babylonische Ischtar Tor, eine stilisierte Pflanze an Altägyptisches, die Läufe galoppierender Pferde an persische Miniaturen, ein Ornamentstreifen an zentralasiatische Keramikmosaike.

Die Illusion des Schwebens, des Fliegens - man kennt sie nicht nur von Chagall, sondern auch etwa von den Bildern Zalman Kleinmans, auf denen die Chassidim zu ihrem Rabbi durch die Lüfte unterwegs sind.

Und erst das viele Blau: auf Schritt und Tritt begegnet man ihm in der Geschichte der Buchmalerei, ist es doch im Christentum die Farbe der Madonna, im Judentum als Blau des Himmels ein Symbol für Gott, Glaube und Offenbarung, das sogar die israelische Flagge erobert hat.

Aber nicht mit einem  Parforceritt durch verschiedene Kulturen und ihre Kunstgeschichte wird man dem Zauber von Metavels Bildwelten gerecht. Nicht mit intellektueller Analyse kann man ihnen näher rücken, sondern nur durch tiefes Eintauchen und stilles Staunen.

Dann treten plötzlich die für sie typischen Elemente deutlich hervor:

- die offen gezeigte oder latent vorhandene, oft in traumartige Schwebe ausartende Bewegtheit,

- die viele Kompositionen bestimmende Betonung der Diagonalen,

- die - trotz manchmal nötiger Kraft - alles dominierende Zartheit und Fragilität

-und natürlich die unlösbare Symbiose von Bild und Schrift.

In diese zwei Welten, die Welt der religiösen Schriften  und die Welt der Malerei und Dichtung, ist die frühere Professorin für Französisch  ziemlich gleichzeitig eingetaucht:

durch ihre Heirat mit dem Aphoristiker Elazar Benyoëtz, der Auslöser war für ihre Vertiefung in die Geheimnisse der Kabbala, und durch ihre Ernennung zum

Kulturattachée an der Französischen Botschaft in Tel Aviv.

Geboren wurde sie  in Algerien, dem Land, von dem man sagt, es habe Frankreich erst die Farben gebracht, so wunderbar sei dort das Licht. Und der Himmel sooo unglaublich blau!

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Metavel.

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Genesis, Erschaffung der Eva

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Die Heilige Stadt.

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Glückwunschkarte Bar Mizwa.

Alle Bilder: Mit freundlicher Genehmigung Metavel Renée Koppel.

Auf ausdrücklichen Wunsch der Autorin wird hier ausnahmsweise die unlektorierte Textfassung wiedergegeben.