Ausgabe

Über Liebe, die das Herz gebrochen hat

Content

Sarit Yishai-Levi: Die Schönheitskönigin von Jerusalem.

Roman. Aus dem Hebräischen von Ruth Achlama

Berlin: Aufbau Verlag 2016

618 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag

Euro 22.95 [D] | Euro 23.60 [A]

ISBN: 978-3-351-03631-7

Kindle Edition: ASIN B017WHNFZK, Euro 16.99

  h110_029

Mit freundlicher Genehmigung Aufbau Verlag Berlin

Luna Ermoza - ein Name so geheimnisvoll wie seine Trägerin. Mit ihren meergrünen Augen und dem Haar, das strahlendem Messing gleicht, gilt Luna als die Schönheitskönigin ihrer Heimatstadt Jerusalem. Doch hinter der Fassade dieser agilen und lebenslustigen Frau verbergen sich Schicksale. Ihre Ehe ist ein Desaster und für ihre Tochter Gabriela, der Erzählstimme des Buches, empfindet Luna keinerlei Zärtlichkeit. Die Geschichte der Ermozas, deren Wurzeln in die spanische Stadt Toledo zurückreichen, ist eng mit der Entstehung des Staates Israel verwoben. Als Lunas Grossvater Rafael sein Delikatessengeschäft Rafael Ermoza & Söhne im Jerusalemer Machane-Jehuda-Markt gründet, befindet sich Palästina noch unter osmanischer Herrschaft. Rafael heiratet die blutjunge Merkada, die wie er auch aus einer sephardischen Familie stammt. Aber die Ehe steht von Anfang an unter keinem guten Stern, da sich der Bräutigam kurz vor der Hochzeit in eine geheimnisvolle aschkenasische Frau verliebt. Doch damals ist eine Ehe zwischen Aschkenasim, den Jüdinnen/Juden ost- und mitteleuropäischer Herkunft, und Sephardim praktisch undenkbar - Rafael muss Merkada wählen. Viele Jahrzehnte später erzählt Rosa, die Tochter des Paares und Lunas Mutter, ihrer Enkelin Gabriela von einem Fluch, der auf allen lastet: dass „die Männer der Familie Ermoza andere Frauen wollen und nicht ihre eigenen." Rosa weiss, wovon sie spricht: Auch sie lebt in einer unglücklichen Ehe mit Gabriel, der ihr von der Mutter als Mann aufgezwungen wird. Rosa, die mit 16 Jahren zur Waise wird, hat noch drei Brüder mit unterschiedlichen Schicksalen. Einer von ihnen schliesst sich einer Widerstandsgruppe gegen die Briten an und wird dabei zum Mörder. Ein weiterer Bruder wird von den Osmanen Türken am Damaskus-Tor von Jerusalem aufgehängt und der Dritte lebt in den USA.

Das Buch beginnt mit der herzzerreissenden Schilderung von Lunas Sterben. Nach einem Zusammenbruch kann sie nur mehr im Rollstuhl sitzen. Gabriela erinnert sich: „Damals begann sie zu schweigen."  Obwohl sich alle Familienmitglieder aufopfernd um sie kümmern, bleibt Luna stumm. Erst während eines plötzlichen Gesprächs mit der Tochter beginnt die Mutter zu weinen. Gabriela ist der Situation nicht gewachsen: „Ich konnte ihr verzweifeltes Schluchzen, ihr lautes Klagen nicht ertragen, hatte nicht die Herzensgrösse, aufzustehen und sie in die Arme zu schliessen, zu trösten. Viele Jahre später bedauerte ich diesen Moment. Statt mein Herz zu öffnen, verschloss ich es damals mehr und mehr." Erst viele Jahre nach Lunas Tod findet Gabriela den Platz in ihrem Herzen und um „meine Mutter kennenzulernen, sie anzunehmen, verriet mir meine Tante Rachelika das Geheimnis ihrer Leiden, den Schmerz, der niemals versiegte, aber da war es zu spät, um das zu kitten, was zwischen mir und meiner Mutter zerbrochen war."

Die Autorin Sarit Yishai-Levi wurde 1947 in eine seit Generationen in Jerusalem ansässige sephardische Familie geboren. Ihr Vater Mordechai Yishai erlebte die Fertigstellung des Debutromans seiner Tochter nicht mehr. Er starb 2013, wenige Monate bevor das Buch in Israel erschien und konnte so nicht mehr vom grossen Erfolg des Werks erfahren, wie zum Beispiel dem Steimatzky Preis für das am besten verkaufte Buch des Jahres 2014. Im Nachwort erinnert sich Sarit Yishai-Levi, wie sehr ihr Vater auf einen Roman über seine Stadt gewartet hatte: „Ich kann ihm gar nicht genug danken für die vielen Stunden, die er sich hinsetzte und mir die Geschichten seines Jerusalems erzählt, einen ganzen Lebensabschnitt mit unendlicher Liebe und Geduld vor meinen Augen entstehen liess." Auch Gespräche mit ihrer Tante Miriam inspirierten die Schriftstellerin. Sarit Yishai-Levi gelang ein feines, zutiefst menschliches und berührendes Werk über das Leben und die Unergründlichkeit der Liebe. Wie Rosa einmal sagte: „Bei uns in der Familie ist Liebe ein Wort, das nie ausgesprochen wurde. Was ist denn auch Liebe? Wer weiss es? (...) Geschichten über Liebe, die das Herz gebrochen hat, Geschichten über Liebe, in der keine Liebe vorhanden war, die gibts nun gerade bei uns in der Familie genug, daran hat Gott, gelobt sei sein Name, es uns nicht mangeln lassen."