Etgar Keret: Die sieben guten Jahre. Mein Leben als Vater und Sohn.
Erzählungen. Aus dem Englischen von Daniel Kehlmann
Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag 2016
224 Seiten, Hardcover
Euro 19.99 [D] | Euro 20.60 [A]
ISBN: 978-3-10-049520-4
Kindle Edition: ASIN B017VCFZ7C, Euro 18.99
Etgar Keret (Berlin 2012) Foto: Heike Steinweg. Mit freundlicher Genehmigung: S. Fischer Verlag.
In diesem Erzählband schreibt der 1967 geborene israelische Autor Egar Keret zum ersten Mal von seiner Familie: der Geschichte seiner Eltern und vom eigenen Leben als Vater. Um sich nicht zu verletzbar zu machen, veröffentlichte er das Buch nur in Englisch und nicht Hebräisch - denn es könnten ja die eigenen Nachbarn die Texte lesen. Wie Keret in Die sieben guten Jahre schildert, hielt er in seinen vorherigen Werken stets Distanz zu den Personen und Geschichten; Autobiographisches liess er nur am Rande einfliessen.
Die zwei wesentlichen Themen der oft amüsanten und manchmal traurigen Erzählungen sind die ersten sieben Lebensjahre von Kerets Sohn Lev und der Tod des Vaters sieben Jahre später. Berührend wird die Beziehung zu ihm beschrieben: „ Ich habe einen guten Vater. Da habe ich Glück, ich weiss. Nicht jeder hat einen guten Vater." Weitere Familienmitglieder werden vorgestellt: die Wandlung von Kerets Schwester zu einer ultraorthodoxen Jüdin, die mittlerweile elf Kinder und neunzehn Enkel hat, und der ältere Bruder, der für den kleinen Etgar immer das grosse Vorbild war. Vor kurzem kam der Bruder, der sich als Aktivist unter anderem für die Legalisierung von Drogen einsetzte, von einem zehnjährigen Aufenthalt in Thailand, den er grösstenteils in einem Baumhaus verbrachte, wieder nach Israel zurück.
Doch nicht nur das Leben als Vater und Sohn kann Schwierigkeiten mit sich bringen: auch ein Schriftsteller hat es nicht immer leicht. Unser Held stellt sich so die Frage, welche Widmungen er bei Lesungen aus seinen Werken in die von Fans erworbenen Bücher schreiben könnte. „Was kann man denn schon einem völlig Fremden, der alles sein kann, von einem Serienmörder bis hin zu einem selbstlosen Retter verfolgter Juden, in sein Buch schreiben? „In Freundschaft" grenzt an Heuchelei, „in Bewunderung" funktioniert auch nicht recht, „mit besten Wünschen" klingt onkelhaft, und „Ich hoffe, mein Buch gefällt Ihnen!" dünstet vom ersten Buchstaben bis zum Rufzeichen Anbiederung aus." Deshalb beschliesst er, quasi fiktive Standardsignierungen zu entwickeln, so zum Beispiel: „Für Danny, der mir im Libanon mein Leben gerettet hat. Hättest du nicht diesen Druckverband angelegt, gäbe es mich nicht und nicht dieses Buch." Oder „Für Avram. Mir egal, was der Laborbericht sagt. Für mich wirst du immer mein Vater sein." Doch dieses Konzept wird verworfen, als während einer Signierstunde ein hünenhafter Mann mit Marinehaarschnitt, der seiner Freundin namens Bosmat ein Buch schenken will, den Autor ohrfeigt. Der Grund liegt in folgender Widmung: „Bosmat, auch wenn du jetzt mit einem anderen Mann zusammen bist, wissen wir doch beide, dass du am Ende zu mir zurückkommst."
Mit diesem von Daniel Kehlmann kongenial übersetzten Erzählband beweist Etgar Keret, dass er zurecht zu den besten und interessantesten israelischen Schriftstellern gezählt werden kann. In einem Interview mit der NZZ bringt er die Kunst des Schreibens auf den Punkt: „Als Kind fragte ich meinen Vater, was er für seine grösste Leistung halte. Er sagte, er habe in fünf Kriegen gekämpft und nie jemanden verletzt. Ich wollte mir diese Lektion zu Herzen nehmen: mutig sein, aber nicht beleidigen. Dafür zu kämpfen, was ich will, aber niemandem weh zu tun. Im Schreiben gelingt mir beides." 1
1 http://www.nzz.ch/feuilleton/etgar-keret-im-gespraech-jede-geschichte-ein-neues-leben-ld.90125