Ausgabe

„Raus zu den Menschen“.

Monika KACZEK

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Georg Niedermühlbichler wurde am 16. Februar 1966 in Söll (Tirol) geboren. Nach einer Ausbildung zum Elektroinstallateur und einer Lehre als Einzelhandelskaufmann war er von 1996 bis 2005 Bezirksrat der SPÖ Wien Innere Stadt. Von 2007 bis 2008 war er als Bundes- und Wiener Landessekretär der Mietervereinigung Österreich tätig und führt den Verein seit März 2008 als Wiener Landesvorsitzender und Präsident der Mietervereinigung Österreich (MVÖ). Zwischen 2001 und 2005 wirkte er zudem als Bezirksvorsteher-Stellvertreter in Wien Innere Stadt. Georg Niedermühlbichler ist seit dem 18. November 2005 Mitglied des Wiener Landtags sowie Gemeinderat. Seit dem 1. August 2014 ist er Landesgeschäftsführer der SPÖ Wien. Am 13. Juni 2016 folgte er Gerhard Schmid als SPÖ-Bundesgeschäftsführer nach.

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© Markus Sibrawa

DAVID: Sie wurden in einer kleinen Gemeinde in Tirol geboren und übersiedelten im Alter von 17 Jahren nach Wien, wo Sie sich zunächst in der Sozialistischen Jugend engagierten. Ihre Familie ist „schwarz" geprägt, also in der ÖVP verwurzelt. Wie fanden Sie zur Sozialdemokratie und vor allem zu Bruno Kreisky?

G. Niedermühlbichler: Der inspirierende, modernisierende Geist Bruno Kreiskys ist bis heute in den sozialen und rechtlichen Errungenschaften spürbar. Für mich war es schon in Tirol klar, dass ich für die Sozialdemokratie tätig sein will. Ich bin daher mit 17 mit dem Koffer in den Zug gestiegen, um politisch aktiv zu sein - in Tirol war das mit einer ÖVP-Zweidrittelmehrheit schwierig. Politisch bin ich dann im ersten Wiener Gemeindebezirk gelandet, wo es traditionell eine ÖVP-Mehrheit gibt. Offenbar war mir das doch in irgendeiner Art vorbestimmt, wieder in einem ÖVP-Umfeld sozialdemokratisch aktiv zu sein.

DAVID: Was sind für Sie die wichtigsten Aspekte und Aufgaben der Sozialdemokratie in der Gegenwart und in der Zukunft? Was möchten Sie an die Jugend weitergeben?

G. Niedermühlbichler: Wir leben in einer Zeit, in der wir die Folgen der Globalisierung deutlich zu spüren bekommen. Einige sind immer reicher geworden und viele, auch manche, die zum Mittelstand gehören, zählen sich zu den Verlierern. Die Sozialdemokratie hat die richtigen Antworten. Es geht um eine faire Verteilung des gemeinsam geschaffenen Wohlstands, also um mehr Beschäftigung, faire Verteilung von Arbeit und faire Verteilung von Vermögen. Das wollen wir kampagnisieren. Und es gibt viele Menschen, die bereit sind, ein Stück des Weges mit der Sozialdemokratie mitzugehen - wie das schon Bruno Kreisky kommuniziert hat. Wir müssen uns öffnen, um diese Menschen, die sich engagieren wollen, mitzunehmen. Denn junge Menschen können, das weiss ich, für die richtigen Inhalte begeistert werden.

DAVID: Die SPÖ startete vor kurzem unter dem Motto „Raus zu den Menschen" eine politische Sommertour. Ihre Partei will in jedem Bundesland Aktivitäten veranstalten. Welche Veranstaltungen sind hier geplant?

G. Niedermühlbichler: Ich habe das schon als Landesparteisekretär so gehalten und werde das auch weiterhin so machen, da es meinem Verständnis Politik zu machen, entspricht, auf die Wählerinnen und Wähler zuzugehen. Politik macht man ja nicht alleine, im stillen Kämmerchen, hinter dem Schreibtisch. Denn Kommunikation geht immer in beide Richtungen: Die Politik muss wissen, was sich die BürgerInnen erwarten, und wir müssen sagen, wie wir uns vorstellen, dass sich Österreich entwickeln soll. Die Idee von SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder, eine solche Tour zu machen fand ich gleich ganz ausgezeichnet und war daher beim Start im Wiener Prater dabei. Gemeinsam mit den MandatarInnen aus den Regionen werden SPÖ-Bundespolitiker bei Fest-, Sport- und Kulturveranstaltungen dabei sein, mit JungunternehmerInnen, LehrerInnen, Jugendlichen und Kulturschaffenden diskutieren.

DAVID: Sie finden immer wieder klare Worte zur menschenverachtenden Politik der FPÖ. In einem Interview mit dem Standard im Jahr 2014 meinten Sie: „Es geht aber eigentlich nicht darum, die FPÖ oder den Strache zu bekämpfen, sondern darum, zu schauen, warum es Menschen gibt, die in der FPÖ eine Alternative sehen. Wir werden auf diese Menschen zugehen und sagen: Die FPÖ hat nicht die Antworten. Sie ist eine Partei, die hetzt und alles schlechtredet, die keine Lösungsvorschläge bietet. Die zu wählen ist eine verlorene Stimme." 1 Haben Sie schon erste Reaktionen von Bürgerinnen und Bürgern sammeln können?

G. Niedermühlbichler: Die FPÖ benutzt die Ängste der Menschen. Dagegen muss man auftreten. Das ist nicht meine Privatmeinung, das sehen auch sehr viele Menschen so. Trotzdem gilt es nicht diejenigen zu überzeugen, die ohnehin unserer Meinung sind, sondern diejenigen, die in die Falle der FPÖ tappen und die scheinbar einfache Lösungen für schwierige Zusammenhänge als bare Münze nehmen. Wir haben hier als Politik eine Bringschuld. Wir müssen die Menschen dort abholen, wo sie stehen und dürfen nicht einfach nur darauf warten, dass sie zu uns kommen.

DAVID: Die SPÖ bezieht immer Stellung gegen den Akademikerball. Regelmässig ruft Ihre Partei zur Teilnahme an der friedlichen Kundgebung des zivilgesellschaftlichen Bündnisses ‚Jetzt Zeichen setzen‘ auf. 2 Besonders im Gedenkjahr als sich die Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz zum 70. Mal jährte, setzten Sie ein wichtiges Zeichen. Wie kann oder sollte die Parole „Niemals vergessen!" weitergetragen werden?

G. Niedermühlbichler: Nur wenn wir uns mit der Geschichte konfrontieren, können wir daraus Lehren für die Zukunft ziehen. Der Opfer der Gräueltaten des Nationalsozialismus ist zu gedenken - gleichzeitig aber sind auch die momentanen Entwicklungen in unserer Gesellschaft zu hinterfragen. Gegen Intoleranz und Hetze ist überall klar und deutlich aufzutreten. Dazu gehört das - nach Meinung vieler Beobachter - Vernetzungstreffen für Rechtsextreme aus ganz Europa, der Akademikerball, genauso wie die Demonstrationen und Störaktionen der Identitären oder gewisse Aussagen von FPÖ-VertreterInnen. Gerade in einer Zeit, in der die Zeitungen voll von Berichten über Gewalt- und Terror-Akte sind, gilt es, gemeinsam mit der Zivilgesellschaft entschieden für Toleranz und gegen jede Form von Gewalt und Extremismus anzukämpfen.

DAVID: Zum Abschluss würden wir Ihnen gerne eine Frage zu Ihren literarischen Vorlieben stellen. Welches Buch würden Sie gerne auf die sprichwörtliche einsame Insel mitnehmen?

G. Niedermühlbichler: Ich bin ein grosser Fan des britischen Schriftstellers Ken Follett und liebe seine Spionagekrimis, etwa Die Nadel. Darin erzählt er unheimlich spannend von entscheidenden Tagen im Zweiten Weltkrieg und davon, wie Ereignisse im Kleinen den Lauf der Welt entscheiden können.

DAVID: Vielen Dank, Herr Bundesgeschäftsführer, für das interessante Gespräch.

  

1  derstandard.at/2000004252792/SPOe-Landesparteisekretaer-Bin-ein-grosser-Anhaenger-des-Mehrheitswahlrechts

2  http://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20150129_OTS0185/spoe-niedermuehlbichler-jetzt-zeichen-setzen-gegen-den-akademikerball