Christoph Tepperberg
Gregor Gatscher-Riedl: Rot-Weiss-Rot über den Atlantik. Die Geschichte der Austro-Americana.
Berndorf: Kral-Verlag 2019
Hardcover, 252 Seiten mit zahlreichen Abbildungen, 29,90 Euro
ISBN: 9783-99024-824-9
Die Austro-Americana war eine österreichische Reederei mit Sitz in Triest. Sie wurde 1895 vom österreichischen Spediteur und Gründer der Schenker-Spedition, Gottfried Schenker sowie August Schenker-Angerer und William Burell gegründet. Man wollte zunächst nur eine Frachtlinie zwischen Österreich und Nordamerika betreiben. Dabei bot der Wunsch der österreichischen Baumwollindustrie nach einem heimischen Importeur eine zusätzliche Sicherheit für die Rentabilität einer solchen Frachtlinie. 1904 wurden erstmals auch Passagiere zwischen Europa und der Neuen Welt befördert. Dabei konnte man den beiden norddeutschen Konkurrenten Norddeutscher Lloyd und Hamburg-Amerika-Linie, die schon bisher Bewohner der k. u. k. Monarchie in die USA befördert hatten, Kunden abgewinnen. Letztendlich aber konnte sich die Austro-Americana gegen die starke Konkurrenz aus Norddeutschland und England nur durch staatliche Subventionen behaupten.
Die heute weitgehend vergessene Reederei zählte vor dem Ersten Weltkrieg zu den zehn führenden europäischen Schifffahrtsunternehmungen, die regelmässig im Hafen von New York einliefen. Durch zwei Jahrzehnte hielt die Austro-Americana eine regelmässige Verbindung zwischen dem österreichischen Hafen Triest und dem amerikanischen Doppelkontinent. Was als Fracht-Reederei mit gebrauchten Schiffen im Verband des Transport- und Logistik-Konzerns Schenker & Co. begonnen hatte, entwickelte sich zu einem ernstzunehmenden Player im Transatlantikverkehr und zu einer Visitkarte Österreich-Ungarns in der Neuen Welt.
Die Auswanderungsbewegung Europas bescherte der Austro-Americana ein ungeahntes Wachstum. Nachdem im ersten Jahr 4.224 Passagiere befördert worden waren, schifften sich im Jahre 1913 bereits zehnmal so viele Menschen mit dieser Schifffahrtsgesellschaft ein. Das entsprach einem Anteil am Triestiner Auswanderungsverkehr von mehr als 60 Prozent. Auch im ursprünglichen Geschäftszweig zeigte das Unternehmen Flagge und deckte mit 31 Schiffen 95 Prozent des Warenverkehrs Österreich-Ungarns mit Süd- und Mittelamerika ab. (S. 4)
Nach dem Zerfall der Habsburger Monarchie geriet die Austro-Americana allmählich in Vergessenheit. Das Unternehmen konnte zwar bis in die 1930er Jahre weiter bestehen, an seine einstige Bedeutung jedoch nicht anknüpfen. Sie ging 1937 in der verstaatlichten italienischen Linienschiffahrt auf.
Besonders informativ sind die im Anhang zusammengestellten Listen und Handreichen: die Passagier- und Frachtschiffe der Austro-Americana 1894-1918, sonstige Schiffe der Gesellschaft, die Entwicklung des verfügbaren Schiffraums 1900-1913, von der Austro-Americana durchgeführte Atlantiküberquerungen 1905-1913, das Transatlantische Liniennetz zu Kriegsbeginn 1914, die wirtschaftliche Entwicklung der Austro-Americana 1904-1913; die Unternehmenssitze. (S. 183-242) Literatur, Abkürzungen und Bildnachweis. (S. 243-252)
Die repräsentative Ausstattung des ansprechenden Bildbandes stammt aus dem Archivio Storico del Lloyd Triestino / Civio Museo del Mare di Trieste (Triest), dem Bildarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek (Wien), der Library of Congress (Washington D.C.), The National Archives and Records Administration (Washington D.C.) sowie aus zahlreichen anderen Sammlungen. (S. 5 u. S. 252)
Der Band ist eine Dokumentation in Wort und Bild. Die Bilder zeigen vor allem Schiffe – sowohl Aussenansichten und Grundrisse, als auch die luxuriösen Innenausstattungen der Passagierschiffe, Gebäudeansichten, Personenportraits, Plakate, Werbeprospekte, Zeitungsinserate, Schiffspassagen, Menükarten der 1. Klasse u.v.m. Das Buch dokumentiert nicht nur die Expansion eines Unternehmens, sondern auch die von ihm beförderten europäischen Emigranten, die eine neue wirtschaftliche Existenz, eine neue Heimat suchten. Das Buch erzählt erstmalig dieses faszinierende Kapitel österreichischer Verkehrsgeschichte.