Ausgabe

Das Familiengedächtnis

Monika Kaczek

Inhalt

Maxim Leo: Wo wir zu Hause sind. Die Geschichte meiner verschwundenen Familie.

Köln: Verlag Kiepenheuer & Witsch 2019

368 Seiten, gebunden mit Schutzumschlag, 22,70 Euro

ISBN: 978-3-462-05081-3
E-Book

ISBN: 978-3-462-31885-2, Euro 16,99

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Zum Autor

Maxim Leo wurde 1970 in Ost-Berlin geboren und ist gelernter Chemielaborant. Er studierte Politikwissenschaften, wurde dann Journalist. Heute schreibt er Kolumnen für die Berliner Zeitung, verfasst gemeinsam mit Jochen Gutsch Bücher über sprechende Männer und Alterspubertierende, ausserdem Drehbücher für den Tatort. 2006 erhielt er den Theodor-Wolff-Preis. Für sein autobiografisches Buch Haltet euer Herz bereit wurde er 2011 mit dem Europäischen Buchpreis ausgezeichnet. 2014 erschien sein Krimi Waidmannstod. Der erste Fall für Kommissar Voss. Maxim Leo lebt mit seiner Frau und zwei Kindern in Berlin.

 

Zum Buch

Voller Zuneigung und Liebe erzählt Maxim Leo über Lebensgeschichten seiner Familie, wo drei Frauen – Hilde, Nina und Ilse – als Hauptpersonen aus seiner Grosselterngeneration vorgestellt werden. Sie stammen aus einer weitverzweigten jüdischen Familie in Berlin, deren Mitglieder in den 1930-
er-Jahren in alle Windrichtungen verstreut werden.

Hilde, die als junge Frau Theater spielt und in der Berliner Bohème unterwegs ist, verliebt sich in den bekannten Nervenarzt Fritz Fränkel. Als dieser vor dem Nationalsozialismus nach Paris flieht, folgen ihm Hilde und ihr kleiner Sohn André nach. Später zieht sie nach London und anschliessend lässt sie sich in Chicago nieder. André studiert in Oxford und wird ein anerkannter Wissenschaftler. Noch im hohen Alter spürt er, wie ihm immer ein Rest Heimatlosigkeit geblieben ist.

Hildes Schwester Nina reist mit ihrem Mann früh nach Palästina aus, um sich dort eine Existenz aufzubauen. Der Kontakt zu anderen Familienmitgliedern wird durch ihre Tochter Nina hergestellt. Zwei Tage bevor Maxim Leo sie in Israel besuchen will, stirbt Michals Tochter Yael an Krebs und der Autor zögert: „Ich überlegte, die Reise zu verschieben, weil ich die Familie nicht in ihrer Trauer stören wollte. »Blödsinn«, sagt Michal mit ihrer rauen Stimme am Telefon, »da sieht man mal wieder, dass ihr Jeckes aus Berlin nicht die geringste Ahnung vom Judentum habt.« Sie erklärte, als Verwandter müsse man gerade jetzt kommen, um Schiwa zu halten. »Du willst doch deine Familie kennenlernen, Komm!«

Ilse, eine Cousine von Hilde und Nina, wird im französischen Internierungslager Gurs inhaftiert und schliesst sich der Résistance an. Gegen Kriegsende arbeitet sie als Krankenschwester in einem illegalen jüdischen Kinderheim in Limoges. Nach der Befreiung zieht Ilse mit ihrem Mann und der kleinen Tochter nach Wien.

Maxim Leo gelingt mit diesem berührenden Werk eine Spurensuche zu seinen Wurzeln. „Als Kind habe ich Menschen mit grossen Familien beneidet, alles schien so warm und selbstverständlich zu sein, wie ein Nest, aus dem man nicht herausfallen kann. Meine eigene Familie kam mir dagegen zerbrechlich vor. Meine Mutter erzählte mir manchmal von den anderen, von Nina und Hanan in Israel, von Ilse, Heinz und Susi in Wien, von André in London, Hilde in Chicago. Ich fragte, warum sie denn alle so weit weg wohnen. Meine Mutter sagte, früher habe unsere ganze Familie in Berlin gelebt, aber dann seien die Nazis gekommen und hätten alle vertrieben, die jüdisch oder kommunistisch waren. Vom Kommunismus hatte ich schon gehört, schliesslich lebten wir in der DDR. Aber was waren Juden? (...) Ich frage mich, ob es so eine Art Familiengedächtnis gibt, etwas, das uns hält und den Weg weist, das uns tröstete und umarmt.“