Tirza Lemberger
Evelyn Adunka: Zionistenkongresse in Wien. Der XI. Zionistenkongress 1913 im Musikverein mit der Gründung der Hebräischen Universität und der XIV. Zionistenkongress 1925 im Konzerthaus
Wien: Edition INW 2018
275 Seiten, Paperback
ISBN 3-9500356-7-2
Über Herzl, den Begründer des politischen Zionismus, weiss man Bescheid; dass der erste Zionistenkongress in Basel stattfand mitunter auch noch, dass es 1897 war: vielleicht. Wo und wann die weiteren Kongresse stattfanden, weiss kaum jemand. Dass gleich zwei dieser Kongresse in Wien tagten, 1913 und 1925, dürfte nur wenigen bekannt sein. Diese „Wissenslücke“ sucht Evelyn Adunka im vorliegendem Buch zu schliessen.
Der Kongress 1913 war der Elfte in der Reihe. Eine kurze Zusammenfassung der Themen und Beschlüsse der ersten zehn Kongresse leitete die Berichte vom Elften ein. Hervorzuheben wäre die Tatsache, dass auf dem zehnten Kongress 1911 in Basel erstmals eine Debatte in hebräischer Sprache stattfand. Eine Schwalbe im Sprachenstreit? Vielleicht. Über einen Streit in diesem Fall ist nichts berichtet.
Das Buch ist vor allem dem elften Kongress gewidmet.
Ein Zentralthema dieses Kongresses war die Errichtung einer Universität in Jerusalem, „die Krone unserer Kulturarbeit“, wie sich M. Ussishkin ausdrückte. Etliche Redner, die für die Gründung der Universität plädierten, kamen zu Wort. Aber nicht nur sie. Auch jene, die dagegen waren und deren Argumente werden zitiert, so stellte zum Beispiel Meir Berlin, nach dem die Bar-Ilan Universität benannt ist, fest, dass eine Universität in Zeiten, in den man das trockene Brot entbehrt, ein Luxus wäre. Die Bedenken Berlins dürften auch anderer Natur gewesen sein, denn im Weiteren negierte er eine philosophische Fakultät, jedoch nicht eine Medizinische. Die Vielfalt der Pro- und Contra-Argumente wird präsentiert, es dürfte eine lebhafte Debatte gewesen sein. Die Resolution ist bekanntlich zu Gunsten der Errichtung ausgefallen.
Die Gründung der Universität war nicht das einzige Thema betreffend Kultur, aber sehr dominant, und so hören wir „wie es mit der Universität weiterging“: einen Überblick über Gründung, Eröffnung und Betrieb, einen Bericht über den Werdegang von zwei der ersten Absolventen der Universität; ebenso hören wir von Ehrendoktoraten, die vergeben wurden und von Prominenz, die die ersten akademischen Schritte dort gemacht hat. Ein kurzer, aber durchaus umfassender Bericht. Leider gab es auch „schwarze Tage“. Der schlimmste war der 14. April 1948 (und nicht 13. April 1938, der Druckteufel mischt manchmal mit!), an dem ein Konvoy mit 78 Personen auf dem Weg zum Universitätsspital Hadassah angegriffen wurde. Die Engländer, übrigens, sahen zu.
Ein Ereignis wie dieser Kongress ging nicht unbemerkt vorbei. Berichte, Bewertungen etc. fanden Eingang in die jüdische Presse, sowohl wohlwollende als auch kritische. Das galt natürlich auch für die allgemeine Presse. Wieder kurz, aber umfassend, die Berichte und Zitate aus der Presse, die auch die durchaus positive Atmosphäre in Wien wiederspiegelten. Der 14. Kongress 1925 tagte ebenfalls in Wien. Viel hat sich seit dem letzten Kongress in Wien ereignet: Weltkrieg, Balfour-Deklaration, Österreichische Republik. Die Räume, die man mieten wollte, „standen nicht zur Verfügung“, die Regierung war positiv eingestellt, die Stadtverwaltung jedoch nicht. Etliche Bundesräte (die Namen werden genannt) waren um die innere Ruhe besorgt. Der Wiener Polizeipräsident Schober sorgte mit 7000 (!) Beamten für einen einigermassen ruhigen Verlauf. Übrigens, die Regierung hat ihre Zustimmung zur Abhaltung des Kongresses damit rechtfertigt, dass das Ziel der Kongresse sei, die Juden zu motivieren, in ihre Heimstätte zu gehen, und das „entspricht sicherlich den Interessen aller Beteiligen“. Nährboden, Vorbote dessen, was später kommen sollte?
Evelyn Adunka präsentiert uns da ein Buch, das kurz, klar und aufschlussreich ist und – wie eingangs gesagt – eine Wissenslücke in der Geschichte der Juden in Wien schliesst.