Der SC Hakoah Wien war von 1909 bis 1938, als der Verein durch die Nationalsozialisten zerschlagen wurde, das Aushängeschild des österreichischen jüdischen, zionistischen Sports.
Der Club war polysportiv organisiert, hatte eigene Abteilungen, unter anderem für Tennis, Leichtathletik, Schach, Fechten, Wasserball, Tischtennis, Judo oder Schwimmen. Im Jahre 1909 durch jüdische Studenten in der Krieau gegründet, vermochte indessen vor allem die Fussballabteilung die Massen zu begeistern. Im Jahre 1925 wurde die Hakoah beispielsweise erster österreichischer Profimeister, noch vor Rapid, Austria und Admira Wien.
Die Legende will es, dass ein Gastspiel eines Budapester jüdischen Fussballvereins jüdische Studenten im Jahre 1909 dazu ermunterte, einen eigenen Wiener jüdischen Club zu initiieren. Der Budapester Verein hiess Vívó és Atlétikai Club und war gegen die zweite Mannschaft der Vienna angetreten. Lipót Weiss, der damalige Leiter der Ungarn, animierte seine österreichischen Sportsfreunde zur Gründung eines eigenen jüdischen, zionistischen Sportvereins. Am 16. September 1909 wurde in den Räumen der Lese- und Redehalle jüdischer Hochschüler (Hörlgasse, Wien-Alsergrund) die konstituierende Generalversammlung abgehalten, erster Präsident wurde der Rechtsanwalt und Schriftsteller Fritz Beda Löhner (1883 Wildenschwert an der Adler, Böhmen/Ustí nad Orlíci, Tschechische Republik – 1942 Auschwitz). Das erste Spiel bestritt der SC Hakoah Wien gegen Vívó und bekräftigte somit seine jüdische Identität. 1909/1910 trat die Hakoah dem österreichischen Fussballverband bei. Ein Derby entwickelte sich bald gegen den „Sportklub 08“, dessen Spieler ebenfalls meistens jüdischer Herkunft waren. 1910 schlossen sich viele „Sportkluber“ der Hakoah an, was eine wesentliche Verstärkung darstellte. Ab 1911 spielte der Club seine Heimspiele auf dem Birner-Platz in Floridsdorf aus. Bald gelang der Aufstieg in die zweithöchste Stärkeklasse. Namentlich Torhüter und Elfmeterkiller Willy Halpern (1895 Wien – 1973 New York) hatte nationales Format. Halpern wurde denn auch als erster Hakoahner 1917 für ein Länderspiel gegen Ungarn berufen. In der ersten Friedensmeisterschaft 1919/20 gelang der Aufstieg in die oberste Liga. Isidor Gansl (1896 Budapest – 1938 Wien) und Max Grünfeld hatten mit ihren entscheidenden Toren gegen Schwechat dafür gesorgt. Dem Verein galten nun auch die Sympathien vieler Nichtjuden, wie ein eigens publiziertes propagandistisches Buch festhielt. Die Fairness und der Sportsgeist der Spieler und der Zuschauer erheischten den Respekt der Konkurrenz.
Auch in der ersten Liga feierte die Hakoah bald viele Siege, nicht zuletzt dank der Tore von Isidor Gansl. Zudem erreichte der Club einen sensationellen Erfolg im Londoner Upton Park gegen West Ham United (5-0). Dieser Erfolg sicherte der Hakoah Lob und Anerkennung im In- und Ausland.
Ein eigenes Stadion in der Krieau für rund 25.000 Zuschauerinnen und Zuschauer sorgte für die richtige Ambiance. Das Stadion war jeweils rappelvoll, wenn es gegen die grossen Rivalen aus Hütteldorf ging. Internationale Spiele fanden teilweise auf der Hohen Warte statt, so ein Duell gegen Slavia Prag, das mit 2-4 verloren ging.
Nachdem in den beiden höchsten österreichischen Ligen der Professionalismus eingeführt worden war, zeigte sich Hakoah zusammen mit Rapid und den Amateuren (Austria) bald als führender Verein der modernen Bewegung.
Das vorentscheidende Spiel um die Meisterschaft fand auf der „Simmeringer Had“ (Haide) gegen den Wiener Sport-Club statt. Torhüter Sándor Fabian verletzte sich dabei schwer und humpelte. Dennoch brachten Jacob Wegner und Moses Häusler (1901 Wien – 1952 Wien) die Hakoahner jeweils in Führung, doch glich der Gegner vom Sport-Club zweimal aus. Es war ausgerechnet der an sich schwer verletzte Torhüter Fabian, der kurz vor Schluss mit in den Angriff ging und das Siegtor mit einem an sich harmlosen, noch abgefälschten Weitschuss erzielte – was für ein Jubel, die Hakoah war zum ersten (und einzigen) Meister geworden.
Im Jahre 1926, nur ein Jahr nach dem sensationellen Meistertitel, entschloss sich die Clubleitung, eine grosse Amerikatournee durchzuführen.
Damals waren solche Tourneen dazu geeignet, solide Einnahmen zu generieren. Es gab nämlich noch keinen Europapokal und auch noch keinen Mitropacup. Die Hakoah zog die Massen auch in Amerika an. Zum dritten Spiel gegen ein New Yorker All-Star-Team, das 0-3 verloren ging, strömten rund 40.000 Zuschauerinnen und Zuschauer ins Stadion. Trotz der sportlichen Erfolge wurde die Amerikareise für die Hakoah zum Desaster. Einerseits soll das Abenteuer mit einem finanziellen Verlust von rund 30.000 Dollar geendet haben. Andererseits blieben viele Spieler und Leistungsträger in den U.S.A. Nicht weniger als fünfzehn Spieler blieben in New York, unter ihnen die ungarischen Stars der Mannschaft, Béla Guttmann (1899 Budapest – 1981 Wien), Ernő Schwarcz (1904 Budapest – 1974 New York) und József Eisenhoffer (1900 Budapest – 1945 Budapest). Guttmann wurde in späteren Jahren ein äusserst erfolgreicher Trainer, unter anderem von Benfica Lissabon. Ablöse von den New York Giants oder von den Brooklyn Wanderers bekam die Hakoah keine. Trotz dieser schlechten Erfahrungen reisten die Hakoahner ein Jahr später wieder über den Atlantik. 1928 gründeten ehemalige Hakoahner die New Yorker Hakoah. Doch war „Soccer“ in den U.S.A. eine Seifenblase, die bald platzte. Bereits im Jahre 1931 wurde die nordamerikanische Profiliga aufgelöst.
Nur sieben Jahre später, im Jahre 1938, wurde auch der SC Hakoah Wien von den Nationalsozialisten gewaltsam aufgelöst. Der Verein war sportlich gut in die Saison gestartet, wurde aber am 12. März 1938 zerschlagen. Viele Spieler flohen ins Ausland, einige nach Palästina. Sie nutzten ihre guten Beziehungen aus. Andere wie Oskar Polack, Fritz Weinberger oder Julius Zwickler wurden jedoch gefangen genommen und später ermordet. Wem die Flucht nach Palästina gelang, spielte dort bei Hakoah Tel Aviv weiter Fussball.
Nach dem Krieg kam es zu einer Wiederbelebung der Hakoah, die aber ihre besten Spieler nicht halten konnte. Es wurden nun nichtjüdische Spieler in die zweite Mannschaft aufgenommen, was zu Differenzen innerhalb des Clubs führte. Nach einem erneuten Abstieg 1950 wurde der Club aufgelöst. 2008 eröffnete man das Karl-Haber-Sportzentrum auf einem Drittel des einstigen Areals des Vereins. Sowohl Wiens Bürgermeister als auch der österreichische Bundeskanzler wohnten dem Festakt bei. Die Hakoah wurde wiederbelebt, hat also den Nationalsozialismus und die antisemitischen Verfolgungen überdauert.
Literaturhinweise:
Betz, Susanne Helene, Monika Löschner, Pia Schölnberger (Hg.): „mehr als ein Sportverein“. 100 Jahre Hakoah Wien 1909 – 2009. Innsbruck und Wien 2009.
Bunzl, John: „Hoppauf Hakoah“. Jüdischer Sport in Österreich. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Wien 1987.
Forster, David, Bernhard Hachleitner, Robert Hummer, Robert Fanta: „Die Legionäre“. Österreichische Fussballer in aller Welt. Wien 2011.