In Österreich lässt die Umsetzung des Washingtoner Abkommens weiter auf sich warten, doch international hat die Frage der Sanierung und Pflege jüdischer Friedhöfe in jüngerer Zeit neue Aufmerksamkeit erhalten. Von jüdischer Seite nehmen sich vor allem zwei Institutionen der Probleme an: das Committee for the Preservation of Jewish Cemeteries in Europe unter Rabbi Y. Y. Schlesinger in London, das sich vor allem um die jüdischen Friedhöfe Spaniens bemüht, und 2009 eine Lösung für den jüdischen Friedhof von Toledo aushandeln konnte, sowie die Lo Tishkach Foundation - European Jewish Cemeteries Initiative, ein in Belgien situiertes, 2006 ins Leben gerufenes gemeinsames Projekt der Conference of European Rabbis und der Conference on Jewish Material Claims Against Germany. Lo Tishkach baut derzeit eine Datenbank aller bekannten jüdischen Begräbnisstätten Europas auf. Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika unterstützt alle Bemühungen, die Erhaltung der jüdischen Friedhöfe zu fördern, zu koordinieren und international verbindliche Regelungen zu erreichen, wie zuletzt auf der Prager Nachfolgekonferenz der Washingtoner Holocaust Era Assets Conference von 1998 im Juni 2009.1 In der dort verabschiedeten Theresienstädter Deklaration heisst es zu den jüdischen Friedhöfen:
"Jewish cemeteries and burial sites: Recognizing that the mass destruction perpetrated during the Holocaust (Shoah) put an end to centuries of Jewish life and included the extermination of thousands of Jewish communities in much of Europe, leaving the graves and cemeteries of generations of Jewish families and communities unattended, and
Aware that the genocide of the Jewish people left the human remains of hundreds of thousands of murdered Jewish victims in unmarked mass graves scattered throughout Central and Eastern Europe,
We urge governmental authorities and municipalities as well as civil society and competent institutions to ensure that these mass grvaes are identified and protected and that the Jewish cemeteries are demarcated, preserved and kept free from descretation, ade where appropriate under national legislation could consider declaring these as national monuments."2
Als weitere supranationale Institution, die sich der jüdischen Friedhöfe annehmen könnte, wäre die UNESCO zu nennen. Sowohl Berlin als auch Hamburg arbeiten daran, die lokalen Areale in die Liste des Weltkulturerbes aufnehmen zu lassen. Diskussionen zeigten allerdings, dass Anträgen potentiell grössere Chancen eingeräumt werden, sobald nicht nur ein einzelner Friedhof die Aufnahme in die Liste beantragt, sondern die jüdischen Friedhöfe in einem internationalen Kontext gesehen werden und entsprechend als kulturelles Erbe nicht nur Europas, sondern auch von Übersee-Regionen qualifiziert werden. Dies gilt in besonderem Masse für die sefardischen Friedhöfe, die ja den weit in die Neue Welt ausgreifenden Migrationsbewegungen folgten und heute bis in die Karibik zu finden sind. Aber auch innereuropäische Vergleiche, beispielsweise zwischen Berlin, Wien und Budapest, oder zwischen Hamburg, Wien und Prag sind hier zukunftsweisend.
Die Situation jüdischer Friedhöfe in Frankreich, Italien und der Schweiz
In Frankreich werden jüdische Bestattungen seit 1810 dank der bürgerlichen Gleichstellung von Juden im Zuge der Französischen Revolution nicht mehr auf separaten Arealen, sondern im Verband von Kommunalfriedhöfen durchgeführt. Während die jüdischen Gemeinden zunächst versuchten, auch innerhalb dieser öffentlichen Bestattungsareale eigene Bereiche für ausschliesslich jüdische Beerdigungen zu bewahren und diese gegenüber den nichtjüdischen Friedhofsteilen abzugrenzen bzw. einzufrieden, so entstanden im Zuge der weitläufigen Akkulturationstendenzen des 19. Jahrhunderts auch jüdische Grabstätten inmitten nichtjüdischer Gräberensembles, und die Einfriedungsmauern der jüdischen Gruppen wurden abgebrochen. Wie die Beispiele der grossen Kommunalfriedhöfe von Paris - Père Lachaise, Montmartre und Montparnasse zeigen, befinden sich die jüdischen Gräbergruppen trotz, oder vielleicht gerade wegen der weitgehenden Integration in die Gesamtanlagen der Kommunalfriedhöfe in ausgezeichnetem Zustand: Die örtlichen Verwaltungen machen in Sanierung und Pflege keinen Unterschied zwischen christlichen und jüdischen Friedhofsteilen. Dies mag mit dem ausserordentlich hohen touristischen Interesse an den genannten Orten zusammenhängen. Die mittelalterlichen Pariser jüdischen Friedhöfe hingegen sind zerstört, es existieren aber bedeutende Überreste, vor allem jene in der Rue de la Harpe. Ausserdem sind zwei Areale aus dem 18. Jahrhundert teilweise erhalten, die in der kurzen Periode zwischen 1780 und 1810 belegt worden sind: der zwischen Wohnauslagen der 1960er Jahre eingebettete, vernachlässigte kleine Portugiesenfriedhof von la Villette in der Rue de Flandre, sowie der aschkenasische Friedhof von Montrouge.
Paris, Friedhof Père Lachaise, Ältere jüdische Abteilung, Blick in die Hauptallee. Foto: Tina Walzer
In Italien halten vor allem die Ortsgemeinden, aber auch, wo vorhanden, jüdische Gemeinden die rund 70 jüdischen Friedhöfe3 instand. Das Erscheinungsbild der zum Teil sehr alten Bestattungsareale präsentiert sich in ausgezeichnetem Zustand (z. B. Pisa, Mantua, Padua, Ferrara, Conegliano, Ancona, Pitigliano). Die beiden jüdischen Friedhöfe am Lido von Venedig zählen zu den interessantesten Anlagen in ganz Europa. Das ältere, bereits 1389 eröffnete Areal ist eine der ältesten erhaltenen jüdischen Friedhofsanlagen Europas und weist eine ganze Reihe bedeutender, historisch wertvoller Grabdenkmäler auf. Der neuere Teil, auf der anderen Seite des dazwischenliegenden Kommunalfriedhofes, wird seit dem Ende des 18. Jahrhunderts benutzt und widerspiegelt in der Formenvielfalt der Grabdenkmäler eine breite Palette vor allem sephardischer Grabkunst. Während der ältere Friedhof gut gepflegt wird, sind die Gräberfelder aus dem 18. und frühen 19. Jahrhundert auf dem neueren Friedhof verwildert, die Wege kaum begehbar. Die Bereiche aus dem späten 19. und aus dem 20. Jahrhundert wiederum sind, da offenbar von höherem öffentlichen Interesse, ausgezeichnet gesäubert und gemäht. Die Pflege wird durch die jüdische Gemeinde Venedig organisiert. In dem gut erhaltenen historistischen Verwaltungsgebäude des neueren Teiles ist ein Friedhofswärter untergebracht, der dieses Areal bewacht und auch die laufenden Instandhaltungsarbeiten ausführt. Der gute Zustand des alten Friedhofes mag auf finanzielle Ursachen zurückzuführen sein; für einen Besuch dieses Areals wird derzeit unabhängig von der Anzahl der Besucher ein Pauschalbetrag von 200,00.- Euro eingehoben. In der Region Marken wurden in den vergangenen Jahren zwei jüdische Friedhofsareale in grossem Rahmen restauriert: Der an einem Abhang zum Meer gelegene Friedhof von Ancona, sowie der von dichtem Wald bestandene Friedhof der jüdischen Gemeinde von Pesaro. In Pesaro engagierte sich die Fondazione Scavolini gemeinsam mit der jüdischen Gemeinde von Ancona und der Union jüdischer Gemeinden Italiens für den Erhalt der bedeutenden Bestattungsanlage, deren Beginn ins späte 17. Jahrhundert datiert. Der Friedhof liegt an einem bewaldeten Abhang nordwestlich des Stadtzentrums auf Terrassen. Die Gräber blicken zum Meer und sind in traditioneller Weise nach Osten hin orientiert. Rund 150 Kalkstein- und Marmor- Grabdenkmäler aus den Perioden des Klassizismus, der Romantik und des Naturalismus sind erhalten. Das Areal wurde als Teil des parco regionale naturale del colle San Bartolo unter Schutz gestellt; 2002 konnte der Friedhof der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht werden. Holzstege führen nun durch das Areal; auf die Anlage neuer Wege sowie auf die Bereinigung wild aufgegangener Vegetation ausserhalb der eigentlichen Gräberfelder verzichtete man weitgehend zugunsten des gewachsenen, naturnahen Eindruckes eines im dichten Schatten hoher Bäume romantisch ruhenden Ortes. Der jüdische Friedhof von Ancona erstreckt sich auf rund 15.000 m², die grossteils frei von Bäumen und Büschen liegen. Die ältesten Grabsteine aus dem 16. Jahrhundert befinden sich an der höchsten Stelle des Areals, das mit ca. 10 Metern Höhenunterschied zum Meer abfällt. Von den 1.058 erhaltenen Grabsteinen, deren jüngste aus der Mitte des 19. Jahrhunderts stammen, befinden sich noch 735 am ursprünglichen Aufstellungsort. Neben der Erneuerung der Einfriedung und der Schaffung einer neuen Zugangssituation zum Areal sowie der systematischen Erschliessung der Gräberfelder und Wiederaufstellung dislozierter Grabdenkmäler standen bei dem zwischen 2002 und 2005 durchgeführten Erhaltungsprojekt die Restaurierung einzelner Grabsteine, deren Katalogisierung sowie die Schaffung eines Informationsbereiches für Besucher im Mittelpunkt der Bemühungen. Im Zuge der Musealisierung des Friedhofes wurden zwei Themenwege angelegt, von denen aus Geschichte und Funktion des Ortes ersichtlich werden und ausserdem die Grabinschriften lesbar sind.
Venedig, Lido, Neuer jüdischer Friedhof, Mausoleum der Familie Goldschmied. Foto: Tina Walzer
In der Schweiz ist die Region des Surbtales für die jüdische Geschichte des Landes von zentraler Bedeutung. In den beiden Orten Endingen und Lengnau durften sich Juden seit dem 17. Jahrhundert niederlassen. Zwischen den Ortschaften wurde 1751 der jüdische Friedhof angelegt; als älteste noch benutzte jüdische Begräbnisstätte der Schweiz steht er unter dem Schutz der Eidgenossenschaft und des Kantons Aargau. Die heute insgesamt rund 2.700 erhaltenen Grabstellen aus Sandstein und Muschelkalk sind erstaunlicherweise in Nord-Süd-Richtung orientiert. Auch die innere Einteilung des Areals weist einige Besonderheiten auf; so sind die Gräber der Rabbiner in der Mitte situiert. Traditionellen Gestaltungsprinzipien folgend wurden Frauen, Männer und Kinder in getrennten Gräberfeldern bestattet, Bepflanzungen und Blumenschmuck sind untersagt. Bereits 1920 konstituierte sich der Verein für die Erhaltung der Synagogen in Endingen und Lengnau sowie des Friedhofs, der bis heute die Pflege des Areals trägt. Seit dem 19. Dezember 1963 steht der Friedhof mit Beschluss des Regierungsrates des Kantons Aargau unter Denkmalschutz und ist in ausgezeichnetem Zustand. 2009 wurde der Jüdische Kulturweg Endingen-Lengnau eröffnet, ein Besucherleitsystem, das auch den jüdischen Friedhof einschliesst. An der Zeremonie nahm die ehemalige Schweizer Bundesrätin Ruth Dreifuss teil, deren Grosseltern auf dem bemerkenswerten Areal begraben liegen. Das Projekt wurde durch Subventionen des Kantons und der Gemeinden sowie von Institutionen und privaten Sponsoren finanziert.
Venedig, Lido, Neuer jüdischer Friedhof. Blick entlang der nördlichen Einfriedungsmauer. Foto: Tina Walzer
Pflege und Sanierung jüdischer Friedhöfe in der Tschechischen Republik, der Slowakei und in Ungarn
Die jüdischen Friedhöfe der Tschechischen Republik befinden sich zum überwiegenden Teil in ausgezeichnetem Zustand. Dies ist dem Engagement der Föderation jüdischer Gemeinden in der Tschechischen Republik zu verdanken, aber auch lokalem Interesse. Die Föderation, die gemeinsam mit der jüdischen Gemeinde Prag Eigentümerin des jüdischen Museums Prag ist, nutzt die verhältnismässig hohen Eintrittsgebühren ins Jüdische Museum in Prag unter anderem dazu, in ganz Tschechien Synagogen und Friedhöfe wiederherzustellen. Abgesehen davon waren die jüdischen Friedhöfe aber während des 2. Weltkrieges nicht zerstört worden und wurden selbst in der Zeit des Kommunismus kontinuierlich gepflegt. Zeitzeugen im mährischen Trebic (dt. Trebitsch) etwa berichten, Anrainer hätten sich immer schon um den Friedhof gekümmert, dies sei eine Selbstverständlichkeit. Aus Pietät, aber auch um ein gepflegtes Ortsbild zu bewahren, habe man auch den verwaisten jüdischen Friedhof betreut. Heute erscheint der jüdische Friedhof von Trebic sehr gut erhalten, die Synagoge ist renoviert, das Gebiet des ehemaligen Ghettos revitalisiert und touristisch erschlossen. Das Bewusstsein für die jüdische Vergangenheit der Orte mag nicht zuletzt auf die Einrichtung des Jüdischen Zentralmuseums in Prag durch die SS zurückzuführen sein, die plante, dort Zeugnisse des von ihnen zerstörten europäischen Judentums zusammenzutragen. Das Museum wurde zwar 1945 unter Verwaltung der tschechoslowakischen jüdischen Gemeinden gestellt, aber bereits 1950 verstaatlicht und erst 1994 an die jüdische Gemeinde Prag und die Föderation restituiert. Gemeinsam war allen Perioden trotz der unterschiedlichen ideologischen Zielsetzungen das Interesse an einer Musealisierung zerstörter jüdischer Kultur. Die kontinuierlich gepflegte Rolle als „Bewahrerin jüdischer Kultur" begünstigte neben Prag auch in anderen Orten die Herausbildung eines Bewusstseins dafür, welchen Wert die Überreste der zerstörten jüdischen Gemeinden darstellen. Daneben spielen ökonomische Überlegungen eine entscheidende Rolle als Motiv für Sanierungen, denn die Überreste der 137 jüdischen Gemeinden Böhmens und Mährens sind für Tschechien auch ein Tourismusmagnet, der jährlich hunderttausende Besucher aus aller Welt anzieht.
Der alte jüdische Friedhof in Prag war bereits in kommunistischer Zeit touristisch zugänglich, Wege wurden über das Areal gelegt, Grabsteine konservatorisch behandelt. Das Areal in Prag-Olsany wurde in derselben Zeit zwar grossteils zerstört, der übriggelassene Teil aber 1986 als Sehenswürdigkeit gestaltet, die Grabdenkmäler bedeutender Repräsentanten der jüdischen Gemeinde wurden zusammengestellt, Mahnmale errichtet, Steine renoviert. Der ausgedehnte, seit 1890 belegte Friedhof in Prag-Strasnice stellt sich als parkähnliches Areal mit dichtem Baumbestand dar, in dem Alleen die regelmässig angelegten, sorgfältig gepflegten Gräberfelder verbinden. Ebenso gepflegt erscheint der jüdische Friedhof von Brünn, des zweiten grossen Verwaltungszentrums der Republik. Aber auch die Areale in kleineren Orten, egal, ob in Böhmen, wie in Susice (dt. Schüttenhofen), Dlouhá Ves (dt. Altlangendorf) oder Rábí, in Kolín, Polná und anderen Städten, oder in Mähren, wie in Ivancice (dt. Eibenschütz), Batelov, Podivín (dt. Kostel), Straznice (dt. Strassnitz) oder Brtnice (dt. Pirnitz) wurden vielfach bereits Mitte der 1980er Jahre saniert und sind heute in überraschend gutem Zustand, eine systematische Restaurierung des jüdischen Friedhofs von Mikulov (dt. Nikolsburg) wurde 2001 abgeschlossen.
Prag-Strasnice, Neuer jüdischer Friedhof, Gruft des Kohlenmagnaten Julius Petschek. Foto: Tina Walzer
Prag-Strasnice, Neuer jüdischer Friedhof, Blick über Gräbergruppen im östlichen Teil des Areals. Foto: Tina Walzer
In der Slowakei konzentrieren sich die Sanierungsbestrebungen auf Bratislava. Die jüdische Gemeinde ist klein, zählt in Bratislava gerade 600 Mitglieder und hat keinen Nachwuchs. Antisemitismus ist virulent und allzu grosse Unterstützung aus dem Inland nicht zu erhoffen, daher ist man bei Sanierungsvorhaben in erster Linie auf Hilfe aus dem Ausland angewiesen. Der Zentralverband jüdischer Gemeinden in der Slowakei verwaltet seit der Restitution 1992 Grundstücke - vor allem Synagogen, und rund 700 Friedhöfe, die ursprünglich 217 jüdischen Gemeinden gehört hatten. Heute existieren in der Slowakei 11 jüdische Gemeinden. Der jüdische Friedhof mit dem Grabmal des berühmten Rabbiners Chatam Sofer, in der kommunistischen Zeit unter einer Strassenbahntrasse verschwunden und dabei grossteils zerstört, wurde 2002 auf Initiative ausländischer privater Sponsoren von Grund auf renoviert. Zur Pilgerstätte der jüdischen Orthodoxie wurde ein architektonisch aufwendiger, komplett neuer Zugangsbereich in Beton und Glas geschaffen, die Stadtverwaltung verlegte die Strassenbahnlinie. Bereits wenige Kilometer ausserhalb der Hauptstadt ändert sich das Bild. Entlang der March, bis heute die Grenze zum Nachbarland Österreich, scheinen die Überreste jüdischen Lebens in den kleinen Gemeinden noch relativ gut erhalten. 50 Kilometer weiter östlich sind Synagogenbauten, wenn sie nicht in den vergangenen 25 Jahren abgerissen wurden, in gutem Zustand, doch bis auf die Anlagen der grösseren Städte liegen die meisten jüdischen Friedhofsareale verwildert hinter Stacheldrahtverhauen und machen einen verlassenen Eindruck. Mitunter bewachen scharfe Hunde die Grundstücke. Vermutlich sollen sie Friedhofsschändungen verhindern, Graffiti und offensichtliche Zerstörungen jüngeren Datums weisen darauf hin. Vandalen zerstörten 2002/03 die jüdischen Friedhöfe von Kosice (dt. Kaschau), Levice (dt. Lewenz) und Zvolen (dt. Altsohl).
Budapest, Jüdischer Friedhof Kerepes, Salgótarjáni utca, Völlig zerstörte Familiengruft. Foto: Tina Walzer
In Ungarn existieren noch etwa 1.600 jüdische Friedhöfe. Einige werden von lokalen jüdischen Gemeinden oder Kommunalverwaltungen betreut, der Grossteil jedoch ist seit Jahrzehnten verwahrlost und durch unkontrollierten Wildwuchs bereits so überwachsen, dass viele Areale gar nicht mehr in der Landschaft sichtbar sind. Die MAZSIT - Stiftung für jüdische Friedhöfe in Ungarn bemüht sich seit 2006 um den Erhalt der Areale, verhandelt mit Behörden, organisiert Aufräumarbeiten und Pflegemassnahmen, errichtet Gedenktafeln, forscht und publiziert, stellt Daten für die Familienforschung zur Verfügung und betreibt eine Website mit laufend aktualisierten Daten zu den einzelnen Friedhöfen.4 Das ungarische Staatsdenkmalamt bemüht sich um eine Erfassung aller jüdischen Friedhöfe in Ungarn, hat aber keine Kapazitäten, die Areale auch entsprechend zu betreuen. Der jüdische Friedhof in Budapest - Salgótarjáni utca wurde 1874 eröffnet und bis in die späten 1950er Jahre belegt. Mit seinen sehr wertvollen klassizistischen und historistischen Grabdenkmälern, Gruftanlagen und Mausoleen grenzt er an den kommunalen Prominentenfriedhof Kerepesi temetö. Die Grabdenkmäler sind mehr oder weniger verfallen, das Areal partiell gerodet, aber durch schwere Sturmschäden in Mitleidenschaft gezogen, und Müllberge stapeln sich entlang der Einfriedungsmauern, offenbar von aussen in den Friedhof hineingeworfen. Das Friedhofswärterhaus ist erhalten und wird bewohnt, während von der Zeremonienhalle nur mehr die Aussenmauern stehen - die Kuppel ist 1970 eingestürzt. Der Friedhofswärter bemüht sich, die Wege freizuhalten, scharfe Hunde bewachen das Areal. Der neue, noch benutzte neologe jüdische Friedhof in der Kozma utca grenzt an den Budapester Zentralfriedhof und wurde 1891 eröffnet. Er ist einer der grössten jüdischen Friedhöfe Europas, mit Mausoleen im Jugendstil bzw. ungarischen Nationalstil und mehreren Gedenkstätten. Das Areal ist grösstenteils gepflegt, im nordöstlichen Teil wurde der Baumbewuchs auf dem neueren Gräberfeld 2002 komplett gerodet. Eine Reihe von Friedhofsarealen wurde in den letzten 15 Jahren, grossteils mit Mitteln privater Spender, renoviert, beispielsweise das Areal in Mosonmagyaróvár (dt. Wieselburg - Ungarisch-Altenburg). Die Katalogisierung der Grabsteine des noch benutzten jüdischen Friedhofs von Sopron (dt. Ödenburg) in der Tómalom utca ist in Vorbereitung. Das Areal wurde von Schülern vor einigen Jahren gerodet, die Einfriedungsmauern erneuert, mehrere Grabsteine wurden neu aufgestellt. In einem Teil des Friedhofsgebäudes wohnt eine Familie, die den Friedhof pflegt und bewacht. Seither werden keine Grabsteine mehr gestohlen.
Budapest, Jüdischer Friedhof Kerepes, Blick über das Eingangsgebäude in die Salgótarjáni utca. Foto: Tina Walzer
Insgesamt hat sich die Aufmerksamkeit für die Problematik von Sanierung und Pflege der jüdischen Friedhöfe in Europa in den letzten zehn Jahren erhöht. Viele lokale Initiativen sind entstanden, die sich um einzelne Areale kümmern. Die gesetzlichen Grundlagen für die Erhaltung der Kultorte sind in den einzelnen Ländern sehr unterschiedlich; die besten Voraussetzungen existieren in der Bundesrepublik Deutschland. Gerade international nehmen Bemühungen zu, verbindliche Regelungen für den Erhalt dieser wertvollen Kulturdenkmale mit lokalen und staatlichen Instanzen zu treffen. Bisher konnte jedoch auf gesamteuropäischer Ebene keine gemeinsame Formel gefunden werden, und bis auf weiteres scheint die Zukunft der Areale lokalem Engagement und Interesse überlassen.
1 Das Herz dieser Bemühungen ist Botschafter J. Christian Kennedy, Sondergesandter für Holocaust-Angelegenheiten des US-Department of State, der in unermüdlichem Einsatz und mit nie nachlassender Energie für die Durchsetzung dieser Ziele kämpft, entscheidende Verbindungen zwischen den Beteiligten zustande bringt und beharrlich auf die Umsetzung von Verpflichtungen pocht.
2 Terezin Declaration vom 30. Juni 2009, unterzeichnet von Repräsentanten von 46 Staaten: Albanien, Argentinien, Australien, Österreich, Weissrussland, Belgien, Bosnien-Herzegowina, Brasilien, Bulgarien, Kanada, Kroatien, Zypern, Tschechische Republik, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Mazedonien (FYROM), Deutschland, Griechenland, Ungarn, Irland, Israel, Italien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Moldau, Montenegro, Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, Rumänien, Russland, Slowakei, Slowenien, Spanien, Schweden, Schweiz, Türkei, Ukraine, Grossbritannien, USA, Uruguay; als Beobachter nahmen Serbien und der Heilige Stuhl teil;www.eu2009.cz/en/news/terezin-declaration-26304
3 Zahlenangabe Lo Tishkach,www.lo-tishkach.org
4 www.mazsit.org