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Die Rede Barack Obamas in Kairo:

Arnold H. KAMMEL

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Mit grosser Spannung wurde die Rede des US-Präsidenten Barack Obama vom 4. Juni 2009 an der Universität Kairo erwartet. In ihrem Zentrum standen die Beziehungen zwischen dem Westen und der arabischen und muslimischen Welt. Die Rede wurde vor allem auch im Nahen Osten mit grosser Aufmerksamkeit verfolgt, da sich Obama bereits seit Beginn seiner Amtszeit klar von der Nahostpolitik seines Vorgängers George W. Bush abgrenzt. Im Folgenden werden die wichtigen Elemente der Rede skizziert und deren mögliche Implikationen analysiert.

Die Beziehungen zwischen dem Islam und dem Westen

Obama hält in seiner Rede fest, die Beziehungen zwischen dem Islam und dem Westen seien ambivalent. Während diese Jahrhunderte der Koexistenz und Kooperation umfassen, seien sie vor allem in jüngerer Zeit durch Konflikte und religiöse Kriege gekennzeichnet, die zu Spannungen zwischen beiden Seiten geführt hätten. Gerade nach den Anschlägen vom 11. September 2001 würde in den USA der Islam als feindlich nicht nur gegenüber den westlichen Staaten, sondern auch gegenüber dem westlichen System und den Menschenrechten betrachtet, was zu weiterem Misstrauen geführt habe. Er wolle daher seine Rede nutzen, um diese Beziehungen neu zu definieren:

„Ich bin nach Kairo gekommen, um einen Neuanfang zwischen den Vereinigten Staaten und den Muslimen überall auf der Welt zu beginnen. Einen Neuanfang, der auf gemeinsamen Interessen und gegenseitiger Achtung beruht und auf der Wahrheit, dass die Vereinigten Staaten und der Islam die jeweils andere Seite nicht ausgrenzen und auch nicht miteinander konkurrieren müssen."

Obama verweist in diesem Zusammenhang auf die afrikanischen Wurzeln seiner Familie sowie seine persönlichen Beziehungen zum Islam und betont die wichtigen muslimischen Innovationen für die westliche Welt. Daher sei es notwendig, gegen Stereotypen vorzugehen:

„Und ich sehe es als Teil meiner Verantwortung als Präsident der Vereinigten Staaten an, gegen negative Stereotype über den Islam vorzugehen, wo auch immer sie auftreten mögen. Aber das gleiche Prinzip muss für die muslimischen Wahrnehmungen der Vereinigten Staaten gelten. Genauso wie Muslime nicht groben Stereotypen entsprechen, entsprechen auch die Vereinigten Staaten nicht dem groben Stereotyp eines nur an sich selbst interessierten Imperiums."

Gewalttätiger Extremismus als Sicherheitsherausforderung

Gewalttätiger Extremismus stelle eine ernste Gefahr für die Sicherheit dar und führe vor allem zu Opfern unter unschuldigen Menschen. Obama sieht es daher als seine oberste Pflicht an, die Bevölkerung der USA zu schützen. Festzuhalten sei, dass sich die USA nicht mit dem Islam im Krieg befänden. Gerade Afghanistan zeige aber, wie wichtig es sei, gegen gewalttätigen Extremismus vorzugehen:

„Wir würden gerne jeden einzelnen unserer Soldaten nach Hause bringen, wenn wir sicher sein könnten, dass es in Afghanistan und jetzt auch in Pakistan keine gewalttätigen Extremisten gibt, die entschlossen sind, so viele Amerikaner wie möglich zu töten. Aber das ist zurzeit noch nicht der Fall."

Daher wurde von Seiten der USA versucht, über partnerschaftliche Koalitionen mit mittlerweile 46 Ländern den Kampf gegen den gewalttätigen Extremismus fortzuführen. Dabei sollen jedoch militärische Mittel nicht alleine zum Einsatz kommen, sondern vor allem in Kombination mit zivilen Instrumenten, um in Ländern wie Afghanistan die Infrastruktur aus- und eine eigene Volkswirtschaft aufzubauen. Mit Blick auf den Irak hält Obama fest, dass sich die USA im Gegensatz zu Afghanistan dort für Krieg entschieden, was zu Missstimmungen in vielen Teilen der Welt führte. Er stehe zu seinem Versprechen, die US-Truppen aus dem Irak abzuziehen, denn die irakische Souveränität gehöre dem Irak allein. Die USA würden ihre Verpflichtung anerkennen, einen sicheren und geeinten Irak als Partner zu unterstützten, jedoch nicht als Schutzmacht fungieren. Generell gelte es, gegen den gewalttätigen Extremismus im partnerschaftlichen Verbund vorzugehen:

„Je eher die Extremisten isoliert und aus den muslimischen Gesellschaften vertrieben werden, desto schneller werden wir alle sicherer sein."

Die Beziehungen zu Israel und dem Iran und die Situation im Nahen Osten

Als zweites grosses Sicherheitsrisiko sieht der amerikanische Präsident die Spannungen zwischen Israelis, Palästinensern und der arabischen Welt. Obama stellt klar, dass die Beziehungen zwischen Israel und den USA auf starken historischen Banden beruhen und diese unzertrennlich seien. In diesem Zusammenhang greift er indirekt den Iran an und kritisiert die wiederholten Äusserungen über eine Zerstörung Israels und die Leugnung des Holocaust von Präsident Ahmadinejad: „Diese Tatsache zu leugnen ist bar jeder Grundlage, ignorant und abscheulich." Obama betont aber, dass auch die Situation der Palästinenser, seit sechzig Jahren auf der Suche nach einer Heimat, alles andere als zufrieden stellend sei:

„Es besteht also kein Zweifel: Die Situation für die Palästinenser ist unerträglich. Die Vereinigten Staaten werden dem legitimen Streben der Palästinenser nach Würde, Chancen und einem eigenen Staat nicht den Rücken kehren. [...] Die einzige Lösung besteht darin, dass die Wünsche beider Seiten durch zwei Länder erfüllt werden, in denen Israelis und Palästinenser jeweils in Frieden und Sicherheit leben."

Eine solche Zweistaatenlösung läge im Interesse beider Seiten. Wesentliche Vorbedingung für eine friedliche Lösung des Konflikts sei jedoch das Versprechen der Palästinenser, der Gewalt abzuschwören. Daneben müssten diese aber auch beginnen, staatliche Kompetenzen aufzubauen. Eine wichtige Rolle komme dabei der Hamas zu, die erkennen müsse, dass sie Verantwortung auch für das Schicksal Palästinas trage. Obama fordert auch Israel auf, seinen Verpflichtungen nachzukommen und sicherzustellen, dass die Palästinenser leben, arbeiten und ihre Gesellschaft voranbringen können. Um hier Fortschritte erzielen zu können, müsse Israel konkrete Schritte unternehmen. Eine nachhaltige Lösung erfordere die Einbeziehung der arabischen Welt, deren Anliegen es sein müsse, den Palästinensern zu helfen, Institutionen zu entwickeln, die ihren Staat tragen. Dabei sei es aber erforderlich, auch die Legitimität Israels anzuerkennen:

„Wir können keinen Frieden erzwingen. Aber insgeheim erkennen viele Muslime, dass Israel nicht einfach verschwinden wird."

Atomwaffen als dritte Bedrohung

In Bezug auf Atomwaffen geht Obama in seiner Rede direkt auf die Spannungen zwischen den USA und dem Iran ein, der sich als Opposition zu den USA definiere. Ziel müsse es sein, ein Wettrüsten im Nahen Osten zu verhindern, das die Region und die ganze Welt gefährden könnte. Dabei gesteht der Präsident ein, es liege nicht an den USA, hier als Moralapostel aufzutreten und zu bestimmen, welches Land über Atomwaffen verfügen dürfe und welches nicht. In diesem Zusammenhang betont er seine Global Zero-Initiative :

„Aus diesem Grund habe ich das Bekenntnis der Vereinigten Staaten massgeblich gestärkt, auf eine Welt hinzuarbeiten, in der kein Land Atomwaffen besitzt. Jedes Land, auch Iran, sollte das Recht auf friedliche Nutzung der Atomkraft haben, wenn es seinen Verpflichtungen im Rahmen des atomaren Nichtverbreitungsvertrags nachkommt."

Es bestünde Hoffnung, dass alle Länder der Region dieses Ziel der USA mittragen.

Demokratie, Religionsfreiheit und Rechte der Frauen

Obama tritt für eine Förderung von Demokratie ein, sagt aber deutlich: „Kein Regierungssystem kann oder sollte einem Land von irgendeinem anderen Land aufgezwungen werden." Dennoch sieht er es als notwendig an, dass Menschen ein Mitspracherecht haben, Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit besteht und Gleichheit vor dem Gesetz nicht nur auf dem Papier gelebt wird. Dies seien Menschenrechte, welche die USA auf der ganzen Welt unterstützen wollten.
Zur Religionsfreiheit hält Obama fest, die Reichhaltigkeit der religiösen Vielfalt müsse erhalten bleiben. Religionsfreiheit stelle ein wesentliches Kriterium dafür dar, dass verschiedene Menschen zusammenleben können. Daher müsse Religionsfreiheit sowohl im Westen als auch in den muslimischen Ländern gelebt werden, um für eine friedliche Koexistenz unterschiedlicher Religionen und Kulturen zu sorgen.
Damit zum Teil einhergehend wird das Thema der Gleichstellung der Frau behandelt, das nicht nur ein Thema für den Islam sei: „Unser gemeinsamer Wohlstand wird gefördert, wenn alle Menschen ihr volles Potenzial ausschöpfen können." Frauen sollten die Möglichkeit haben, selbst zu enscheiden, ob sie ihr Leben in einer traditionellen oder anderen Form leben wollen.
Abschliessend geht Obama auf Zukunftschancen und wirtschaftliche Entwicklungen ein. Hier kündigt er ein umfassendes Programm an, um sich den Herausforderungen der Globalisierung, sei es durch Energiesicherheit, Bildung oder Gesundheit zu stellen. Auch hier sieht Obama die internationale Staatengemeinschaft gefordert und kündigt partnerschaftliche Zusammenarbeit an.

Fazit: Gemischtes Gesamtbild

Das Echo auf die Rede Obamas fiel gemischt aus. Obama sprach offen unbequeme Wahrheiten an und sparte auch nicht mit Kritik am eigenen Land. Noch ist aber in weiten Teilen unklar, wie Obama seine Versprechen wirklich umsetzen will. Mit Blick auf die Nahostpolitik bleibt abzuwarten, wie die in seiner Rede geforderte Annäherung zwischen den USA und den arabischen Staaten die Bereitschaft erhöhen wird, sich auf eine Normalisierung der Beziehungen mit Israel einzulassen, und mit welchem Nachdruck Obama seine Nahostpolitik verfolgen wird.
Es bleibt festzuhalten, dass es Obama gelungen ist, den richtigen Ton zu treffen, aber in entscheidenden Passagen blieb seine Rede vage. Umso mehr gilt es jetzt, seine Aussagen mit politischen Handlungen zu füllen.

Die durch die amerikanische Botschaft Berlin übersetzte Kairoer Rede von Barack Obama ist unter http://www.sueddeutsche.de/politik/503/471047/text/print.html abrufbar.