Ausgabe

Gegenwart – Vergangenheit – Zukunft

Monika KACZEK

Michael Feyer im Interview

 

Inhalt

KR Michael Feyer ist Unternehmer und lebt mit seiner Familie in Wien. Seine Eltern, gebürtige Wiener, mussten vor den Nationalsozialisten flüchten und emigrierten ins damalige Palästina, wo Michael Feyer und seine Schwester geboren wurden. In den 1950er-Jahren kehrte die Familie nach Wien zurück. Seit über 45 Jahren widmet Michael Feyer sich der Geschichte der Sheva Kehiloth, den sieben jüdischen Gemeinden im Burgenland. Auf seine Initiative wurde 2012 auf der Hauptstrasse in Deutschkreutz-Zelem ein nach seinen Entwürfen gestaltetes Denkmal zur Erinnerung an die ehemalige jüdische Gemeinde errichtet. Michael Feyer ist auch Obmann des Vereins wir erinnern  Begegnung  mit  dem jüdischen Mattersburg  und seiner Initiative ist es zu verdanken, dass am 5. November 2017 in Mattersburg eine Gedenkstätte zur Erinnerung an die vernichtete jüdische Gemeinde eröffnet wurde. 

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Michael Feyer begrüsst Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Foto: Ma Pitom, mit freundlicher Genehmigung.

DAVID: Mit Entsetzen beobachten wir weltweit einen stärker werdenden Rechtsruck innerhalb der Gesellschaft und der Politik. In der Anonymität der sozialen Medien, aber auch von Seiten bestimmter politischer Parteien tauchen im In- und Ausland erschütternde antisemitische und andere rassistische Meldungen auf. Hier stellt sich immer wieder die Frage, wie man gegen dieses Gedankengut wirken kann. Ihre Initiativen zur Errichtung von Gedenkstätten schaffen wichtige Orte der Erinnerung, die nicht vergessen werden darf. Was kann jeder und jede tun?

Michael Feyer: Mit den immer weniger werdenden Zeitzeugen bekommen Gedenkstätten eine zusätzliche Bedeutung. Deren Errichtung, Übergabe an die Öffentlichkeit und wiederkehrende Veranstaltungen sind gute Möglichkeiten, das Thema wach zu halten. Die Eröffnung der Gedenkstätte in Mattersburg durch Bundespräsident Van der Bellen war ein solcher Anlass. Seine Rede, in der er unter Anderem sagte: „Ich bin überzeugt, dass der Blick zurück uns hilft, den einzig richtigen Weg in die Zukunft zu gehen. Nämlich für eine Kultur des friedlichen, respektvollen Miteinanders zu werben und auch zu leben.“, bleibt nachhaltig wirksam. Eine Textstelle auf der Gedenkstätte „Das Böse kann triumphieren, wenn die Mehrheit schweigt“ hat heute wieder bittere Aktualität.  

DAVID: Wie entstand Ihr Interesse an der Geschichte der sieben jüdischen Gemeinden im Burgenland? 

Michael Feyer: Die Tatsache, dass Juden im Burgenland, dem ehemaligen Westungarn, gelebt haben, hat mich seit jeher fasziniert. Nicht nur in den Sheva Kehilot, die unter dem Schutz der Esterházys standen. Auch die Bátthyanis haben in drei Ortschaften Juden ermöglicht, sich anzusiedeln. Der jüdische Bevölkerungsanteil in diesen Orten belief sich auf bis zu 40 Prozent. Allerdings musste der gewährte Schutz von den Juden durch sehr hohe Abgaben bezahlt werden. Regelmässige Reisen auf der Spurensuche im Burgenland haben mein Interesse immer grösser werden lassen. Dass in den meisten Gemeinden nur mehr die devastierten Friedhöfe erhalten waren, war für mich Anlass aktiv zu werden. 

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Roma-Kinder in Rumänien mit Spenden des Vereins Hilfe und Hoffnung. Foto: Ma Pitom, mit freundlicher Genehmigung.

DAVID: Die Denkmäler in Deutschkreutz-Zelem und Mattersburg wurden von Ihnen gestaltet. Auf welchem Weg nähern Sie sich den Themen und wie erfolgt die künstlerische Ausführung der Werke?

Michael Feyer: Zunächst beschäftige ich mich intensiv mit der Geschichte der ehemaligen Jüdischen Gemeinde. Wie erwähnt sind es meist nur mehr die Friedhöfe, die aus dieser Zeit noch vorhanden sind. Diese wurden in der Zeit der Nationalsozialisten häufig geschändet. In den Jahren danach wurden in manchen Orten die Fragmente der zerschlagenen Grabsteine zu einer Mauer zusammen gefügt. Für die Errichtung einer Gedenkstätte ist natürlich wichtig, einen geeigneten Standort zu festzulegen. Dieser sollte zum Einen zentral liegen, zum Anderen Bezug zu den ehemaligen jüdischen Einrichtungen haben. Gestaltung, Auswahl der Materialien werden individuell an den ausgewählten Platz und die Geschichte angepasst. Sobald ich einen Entwurf entwickelt habe, baue ich ein Modell im Massstab 1:10, das mir erste dreidimensionale Eindrücke ermöglicht und auch zur Präsentation bei Politikern und Fördergebern dient.

DAVID: Wie kam es zur Entstehung des Vereins wir erinnern – Begegnung mit dem jüdischen Mattersburg und welche Unterstützerinnen und Unterstützer aus Politik und Öffentlichkeit standen Ihnen zur Seite?

Michael Feyer: Bei meinem ersten Kontakt mit Bürgermeisterin Ingrid Salamon, wurde mir von einer kleinen Gruppe berichtet, die sich mit der jüdischen Geschichte Mattersburgs beschäftigt und ähnliche Ziele hat. Aus dieser Begegnung entstand der Verein. Bürgermeisterin Salamon und OAR Aufner unterstützten das Projekt von Beginn an. Es war spürbar, dass es beiden ein persönliches Anliegen war. Die Kosten der Errichtung und Eröffnung wurden zur Hälfte von der Stadtgemeinde Mattersburg übernommen. Land Burgenland, Nationalfonds und Zukunftsfonds waren die anderen Förderer. 

 

DAVID: Die sieben jüdischen Gemeinden des Burgenlands verfügen über eine wechselhafte Geschichte. Ein Beispiel ist Mattersdorf, das heutige Mattersburg, wo es zu Beginn des 19. Jahrhunderts eine wichtige Jeschiwa gab. Die Nachkommen von Samuel Ehrenfeld, dem letzten Rabbiner der Stadt, pflegen die Erinnerung an die Gemeinde bis heute weiter. Es muss für Sie besonders berührend gewesen sein, dass Isaac Ehrenfeld, Oberrabbiner von Kyriat Mattersdorf in Jerusalem, bei der Einweihung der Gedenkstätte in Mattersburg anwesend war.

Michael Feyer: Etwa ein Jahr vor Baubeginn habe ich Oberrabbiner Ehrenfeld erstmals in Mattersburg getroffen und ihm von der geplanten Gedenkstätte erzählt. Dass er und seine Frau an der Zeremonie teilnahmen, war nicht nur für mich persönlich von sehr grosser Bedeutung. Bei der Bevölkerung haben sein Besuch und seine berührende Rede einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen. Sechs Generationen lang stammten die Rabbiner in Mattersdorf/Mattersburg aus seiner Familie.  

 

DAVID: Bezüglich der Gedenkstätte in Mattersburg betonen Sie, wie wichtig Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft sind. Wie kann – abgesehen von so engagierten Initiativen wie dem Verein – die Erinnerung bewahrt und weitergetragen werden?

Michael Feyer: In der Gedenkstätte in Mattersburg werden Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft in drei Stelen wiedergegeben. Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann keine Lehren für Gegenwart und Zukunft ziehen. Es erscheint mir wesentlich, dass wir uns alle, ganz besonders bei der Arbeit mit jungen Menschen, unermüdlich mit der Thematik auseinandersetzen, auch um heutigen politischen Strömungen entgegen zu wirken. Bei der Eröffnung der Gedenkstätte in Mattersburg habe ich darauf hingewiesen, dass die dritte Stele, mit dem bereits erwähnten Zitat, explizit der Jugend gewidmet ist.  

 

DAVID: Seit mehreren Jahren engagieren Sie sich im Wiener Verein Hilfe und Hoffnung , der bedürftige jüdische Gemeinden in Rumänien und Ungarn unterstützt. Welche Sachspenden werden besonders benötigt?

Michael Feyer: Vor etwa 30 Jahren hat Eeva Huber-Huber, die Gründerin des Vereins, begonnen, Juden im damaligen Osteuropa zu unterstützen. Es war ihr als Nichtjüdin wichtig, jüdischen Menschen zu helfen. Ihre ersten Reisen haben sie in die damalige Sowjetunion, Rumänien und Ukraine geführt. Die intensive Auseinandersetzung mit dem Judentum hat dazu geführt, dass sie schliesslich konvertierte. Bei einem Hilfstransport nach Rumänien sind sie und ihr Mann sehr tragisch bei einem unverschuldeten Autounfall ums Leben gekommen.

Heute betreut unser Verein etwa 20 jüdische Gemeinden in Rumänien, die jüdische Gemeinde in Budapest und auch Roma-Kinder in Rumänien, die in unvorstellbarer Armut leben. Der Verein benötigt dringend Geldspenden, um bedürftige jüdische Menschen mit Lebensmittel zu versorgen. Auch brauchen die jüdischen Gemeinden, die durch Abwanderung der Jungen oft stark überaltert sind und immer kleiner werden, finanzielle Unterstützung, um zum Beispiel Feiern anlässlich der jüdischen Feiertage zu organisieren. Mitzuerleben wie diese sehr alten Menschen etwa gemeinsam einen Shabbat verbringen, ist sehr berührend und der anschliessende Kiddusch ermöglicht es ihnen, sich satt zu essen.

Wir sammeln Heilbehelfe, Gehhilfen, Rollatoren, Rollstühle, Erwachsenenwindeln, Einwegspritzen, Bandagen, usw., kleine Haushaltsgeräte, Geschirr, und Ähnliches. Weiters auch gut erhaltene Kleidung und Schuhe. Während es in den Jüdischen Gemeinden hauptsächlich darum geht, ältere Menschen zu unterstützen, sind es in den Roma-Gemeinden Kinder, für die wir Schulbedarf, Spielsachen und Kleidung sammeln.

 

DAVID: Stichwort Zukunft. Gibt es weitere Projekte oder Initiativen Ihres Vereins Hilfe und Hoffnung?

Michael Feyer: Es ist uns nicht nur wichtig, die alten Menschen mit Geld- und Sachspenden zu unterstützen. Ende Jänner wurde zum Beispiel zum wiederholten Male, gemeinsam mit Joint Budapest und Verein Fida, ein Konzert in Budapest organisiert, zu dem Holocaust-Überlebende bei freiem Eintritt eingeladen wurden. Die Freude in den Gesichtern der alten Menschen zu sehen, wenn sie Jüdische Melodien wie „Es brennt“ oder „Jerushalaim Shel Zahav“ hören, ist besonders berührend. Auch die Gespräche nach dem Konzert bei einem Snack, zu dem wir die Besucher eingeladen haben, zum Beispiel mit einer 93-jährigen Holocaust Überlebenden, die sich in perfektem Deutsch bei uns bedankt hat, zeigt, wie wichtig es ist, diesen Menschen persönliche Wertschätzung entgegen zu bringen. 

 

DAVID: Haben Sie vielen Dank für das interessante Gespräch.