Von den ehemals 35 Synagogen in Lemberg sind heute nur mehr drei erhalten; allein in der Krakauer Vorstadt sollen einst sechs Synagogen und Bethäuser gestanden haben. Mittelpunkt war die um 1633 erbaute Grosse Vorstadtsynagoge, die 1942 zerstört wurde. Von der Grossen Reformsynagoge, welche zwischen 1843 und 1846 erbaut und ebenfalls 1942 zerstört wurde, zeugt ein grosser Stein am Staryi Rynok, dem alten Markt.
Die Synagoge vom Platz aus gesehen. Aufnahme vom Dezember 2016, aus: Vanished World von Christian Herrmann. Mit freundlicher Genehmigung: G. Tengler.
Die Zeit unter Österreich 1772 bis 1918
Heute ist von diesen sechs Synagogen in der Krakauer Vorstadt nur mehr die chassidische Synagoge am Platz des hl. Theodor und am Ende der vulycja (Strasse) Ugelnje erhalten.
Wie der Name sagt, wurde in dieser Strasse Kohle und Holz gehandelt; das Viertel vom Platz des hl. Theodor bis zur vulycja Sanskaja gehörte ehemals der Lemberger Familie Moskovice.
Ihre Entstehung ist im Kontext der jüdischen Strömungen des 18. Jahrhunderts zu sehen. Galizien kam 1772 zu Österreich, welches der Bevölkerung drückende Steuern abverlangte; besonders lastete die sogenannte Judensteuer, welche aus der „Fleischsteuer“ und der „Lichtsteuer“ bestand, diese verstärkte die Verarmung grosser Teile der jüdischen Bevölkerung. Koscheres Fleisch wurde derart besteuert, dass sich dessen Preis in etwa verdoppelte. Für jedes Licht, welches in einem Privathaus oder in einer Synagoge zu religiösen Feiern angezündet wurde, musste eine Taxe von fünf bis 30 Kreuzern entrichtet werden. Daneben gab es noch verschiedene Nebensteuern, darunter eine Stempelgebühr für die Abhaltung privater Betzirkel (von der Behörde Minjanim genannt). In Galizien lebten damals vier Volksgruppen nebeneinander: Polen, Ruthenen (=Ukrainer), Juden und Deutsche. Unter dem wachsenden Einfluss der vom Westen ausgehenden Ideen der Aufklärung wurde in den jüdischen Gemeinden auch über die Aufgeschlossenheit bzw. die Ablehnung gegenüber den neuen Ideen (hebr. Haskalah) diskutiert. Dieser Konflikt betraf seit 1815 besonders auch die jüdische Gemeinde in Lemberg. Verfechter der neuen Ideen war der 1790 in Lemberg geborene Talmudgelehrte Salomon Jehuda Rapoport; er trat dem Zirkel „Freunde der Aufklärung“ bei, gegen den der Lemberger orthodoxe Rebbe Jakob Orenstein 1816 den Bann (hebr. Cherem) verhängte. Die Gebannten beschwerten sich bei der zuständigen weltlichen österreichischen Behörde in Lemberg, welche Orenstein zwang, den Cherem zu widerrufen. Das zeigt, dass Österreich auf der Seite der Haskalah stand.
Die Lage wurde noch durch den wachsenden Einfluss der chassidischen Ideen verkompliziert, die sich ausgehend von Podolien in Osteuropa rasch ausbreiteten. Der Chassidismus war eine mystische Bewegung innerhalb des Judentums, die in den Dörfern und Schtetln Fuss fasste, und grossen Wert auf strikte Observanz legte. Die progressiven Juden Lembergs waren ihnen ein Dorn im Auge, weil sie sich für eine Umgestaltung des Gemeindelebens und eine Annäherung an ihre nicht-jüdische Umgebung einsetzten. Begründer des osteuropäischen Chassidismus ist Israel ben Elieser (um 1700–1760), genannt „Baal Schem Tov, kurz „Bescht“ („Meister des guten Namens“). Innerhalb weniger Jahrzehnte verbreitete sich der Chassidismus auch in jüdischen Gemeinden Polen-Litauens, Russlands, Österreichs und Deutschlands. Der Zaddik von Komarno und Rebbe in Chedacev Yitzchak Eisik Safrin (1806 – 1874?) hatte die Idee, an der vulycja Ugelnje eine chassidische Synagoge zu bauen. Die nötigen Geldmittel versprach der Lemberger Kaufmann Jakob Glanzer, welcher bereits an der Stelle ein Haus besass, das er von Jakob Urterman und Leiba Cheschelis gekauft hatte. In diesem Haus wurden Talmud, Thora, Tanach und die Lehren des Baal Schem Tov studiert. Die Schüler wurden Cheduschim genannt. Im Jahre 1838 kam der Zaddik Israel Friedman aus Ruzyn bei Berdicev im Kreis Zitomir nach Lemberg, um sich mit dem Kreisrebben und weitbekannten Talmudgelehrten Jakob Orenstein zu treffen. Der Zaddik schlug als Leitspruch für die Synagoge folgende Worte aus den Klageliedern des Propheten Jeremias 3. Kapitel Vers 23 vor: Neu an jeglichem Morgen und gross ist deine Treue! Daraus ergab sich der Name der Cheduschim für die Beter in der neuen Synagoge.
Opferstock im Gang, der zur Synagoge führt, mit folgender Inschrift, sowohl als Wandmalerei als auch auf der Steintafel oben links. Aufnahme: Alex Nazar aus Lemberg 2016. Mit freundlicher Genehmigung: G. Tengler.
Opferstock im Gang, der zur Synagoge führt, mit folgender Inschrift, sowohl als Wandmalerei als auch auf der Steintafel oben links. Aufnahme: Alex Nazar aus Lemberg 2016. Mit freundlicher Genehmigung: G. Tengler.
Am 11.9.1840 überwies Glanzer die erste Rate für den Bau. 1841 wurde mit dem Bau der chassidischen Synagoge begonnen. Diese Aktivitäten wurden vom ortodoxen Judentum argwöhnisch beobachtet: „18.2.1842 - Der Lemberger Jude Mark Wolf Öttingher hat im Rathaus die Anzeige erstattet, dass im Haus in der Ugelnje Strasse illegale Versammlungen mit Minjam stattfinden.“ Diese Anzeige wurde am 22.7.1842 wiederholt, wobei auch die Namen der anwesenden Personen genannt wurden: Jakob Glanzer, Daniel Mund, Aron Weber und andere Mitglieder der Gesellschaft Cheduschim. Es wurde auf das Verbot hingewiesen, in Privathäusern zu beten. Um die Kläger zu beschwichtigen, hat Jakob Glanzer 40 Salatech reuskich (Goldreichsgulden) für den eben begonnen Bau des neuen Tempels der Haskalah, Reformsynagoge genannt, auf dem unweit vom Theodorplatz liegenden Stariy Rynok, dem alten Markt, gespendet. Dem Bau der Reformsynagoge war ein langer Prozess der Beschaffung von Geldern und der Suche nach Unterstützern vorangegangen. Dieses Projekt wurde nicht nur von der jüdischen Orthodoxie, sondern auch von den im 18. Jahrhundert in ganz Galizien erstarkenden Chassidim argwöhnisch beobachtet und im Laufe der 1840er Jahre immer offener bekämpft. Die Abneigung der Chassidim und der Orthodoxen gegen die Reformer wuchs mit deren politischen Einfluss – besonders, als nach dem Tode des orthodoxen Rabbiners, Jakob Orenstein, Abraham Kohn aus Hohenems in Vorarlberg als Oberrabbiner nach Lemberg kam, ein Maskilim, (Vertreter der Haskalah) der den Bau des Reformtempels unterstützte.
Durch die genannte Spende Glanzers konnte gleichzeitig zum Bau des Tempels der Bau der chassidischen Synagoge weitergehen; am 23.2.1844 wurde um die Benützungsgenehmigung angesucht, der Vorstand der jüdischen Gemeinde Lemberg gab negativen Bescheid mit dem Hinweis, dass Jakob Glanzer vor Baubeginn von einer Talmudschule und einem Beit Midrasch gesprochen hatte, das Resultat war aber eine Synagoge mit zweistöckigen Emporen, die die zweitgrösste Synagoge Lembergs war und die grösste in der Krakauer Vorstadt. Auf der anderen Seite war der Bau des Reformtempels eben erst begonnen worden und das Ende des Baues lag damals noch in weiter Ferne. Um die Ausstellung der Benützungsgenehmigung des neuen Gebäudes zu beschleunigen gab Glanzer am 17.3.1844 weitere 900 Goldreichsgulden, um den Bau des Tempels zu unterstützen. Schon am 19.3.1844 wurde die Genehmigung erteilt, die neue chassidische Synagoge zu benützen. In ihr befanden sich auch eine Jeschiwa und eine Mikwe. Im September 1846 war es mit der Reformsynagoge soweit. „Am 18. September hat mit ergreifender Feierlichkeit die Einweihung des deutsch-israelitischen Bethauses stattgefunden. Es wurden dabei deutsche Psalmen gesungen, und das Ganze hinterliess den wohltätigen Eindruck, der sicherlich ein bleibender sein wird,“ berichtete die damals in Leipzig erscheinende Allgemeine Zeitung des Judentums. Doch dieser bleibende Eindruck sollte einen bitteren Nachgeschmack erhalten. Der Streit zwischen dem progressiven Rabbiner und der Orthodoxie spitzte sich dramatisch zu. Schon am 20.6.1844 erstattete Nuchim Taubes eine neue Anzeige wegen eines „geheimen Minjams“. Folgende Namen wurden genannt: E. Tscherkover, Sara Orenstein, Aron Stavranek, Chaim Katz und andere Cheduschim. Die letzte Anzeige war vom 19.2.1848 in der man sagte, dass im zweiten Stock des Gebäudes ein geheimer Beit Midrasch untergebracht war, in welchem sich zum Gebet folgende Personen einfanden: Ischne Waxman, Jehuda Reiter, Mandel Richter, Daniel Mund und Aron Weber. Daraufhin blieb die Synagoge bis Anfang April 1848 geschlossen. Auf die Anzeige reagierte der in Lemberg bekannte Buchdrucker Abraham Josiph Madfes indem er sagte, dass die Anschuldigungen an die von Jakob Glanzer angeführten Cheduschim völlig haltlos seien: Jakob Glanzer habe schliesslich 940 Goldreichsgulden für den Bau des Reformtempels gespendet, während der Vorsteher der jüdischen Gemeinde Lemberg Rechtsanwalt Emanuel Blumenfeld nur 100 Goldreichsgulden gegeben hat.
Die zerstörte Hauptfassade 1944 nach einer Aufnahme von Vladimir Malnik im Staatsarchiv der russischen Föderation in Moskau. (Freundlicher Hinweis von Alex Nazar Lemberg). Die mit Bretterverschlag verschlossene Öffnung ist heute zugemauert. Mit freundlicher Genehmigung: G. Tengler.
Die Madfes waren in der vierten Generation Buchdrucker, die sich 1690 von Amsterdam nach Zovka nördlich von Lemberg verlegten und dort die Genehmigung erhielten, Bücher in Hebräisch zu drucken. 1782 wurde die Druckerei nach Lemberg verlegt, wo sie bis Anfang des 20. Jahrhunderts in Betrieb war. Madfes folgte dann dem Jakob Glanzer als Vorsteher der chassidischen Gemeinde. Abraham Madfes war ein grosser Bewunderer und Anhänger des Zaddik und Rebben Schalom Rochach aus Belz (heute Nordmoldawien), die „Belzer Chassiden“ hatten in Lemberg ihr Zuhause in der Glanzer Synagoge. Später kamen weitere Belzer Zaddikim nach Lemberg. Admor Isachar Dov und Rav Mordechai Pelz und andere Zadikim besuchten bei ihrer Ankunft in Lemberg als erstes die Glanzer Schul. Admor wurde als Anrede für die chassidischen Rebben verwendet und steht für Adoneinu, Moreinu we Rabbeinu, unser Meister, unser Lehrer und unser Rebbe. Bekannte Rebben dieser Synagoge waren Girsch Baraser, Mosche Welwl aus Goze in Frankreich und Naftali Herz Rapoport.
Inschrift an der Innenwand Kotel maravi = Westmauer. Aufnahme vom Dezember 2016 aus Vanished World von Christian Herrmann. Mit freundlicher Genehmigung: G. Tengler.
Sehr anschaulich ist das Bild vom Ambiente, welches Zygmunt Haupt in seiner Erzählung „Die Tauben vom Theodorplatz“, zeichnet, geschrieben in den Jahren zwischen 1932 und 1939, welche Haupt in Lemberg verbrachte:
„Man würde das Gebäude des grossen Theaters und den Betrieb der jüdischen Geschäftsviertel im Rücken haben und vor sich die grauen und ziegelfarbenen Rechtecke der Brandmauern. Schmutzbedeckte, gepflasterte Strassen, die sich im Takt der Vorsprünge und Einbuchtungen der planlos errichteten schiefen und krummen Buden brachen. Läden, Lädchen, Magazine, Tischlereien, Kalk- und Lederlager, Stände mit Sodawasser und Zigaretten, verlorene Bäumchen und Grünflächen, Ställe und Fuhrparks für Lastplattformen, grelle Kinoplakate an den Zäunen, Bäckereien und Fleischereien, Schilder für Petroleum, und Getreidehandel, Bauernfuhrwerke am Bordstein, Kohlenwagen, die finsteren Rachen der Höfe, Eis- und Matratzenfabriken, palavernde Gruppen von Altwarenhändlern, Zuhältern und Hehlern, Trödelläden und die Mauern des unierten Klosters, hinter dem Zaun Kastanienbäume, die ihre Blätter aufs Trottoir fallen lassen, und die verstaubten Synagogenfenster, die Trambahnschienen und Stroh quer über der Strasse, Flachsballen, mit Stahlbändern zusammengehalten, und das Sperrholz der Geflügelkisten, Kanalisationsrohre neben einem bei Erdarbeiten aufgeschütteten Lehmhaufen, der Himmel mit Wolkenbüscheln, Spatzen, die sich in dem vom Wind aufgewirbelten Abfallspiralen drehen, Gewimmel und Betrieb des Menschenschlags dieses Viertels, Krambuden mit erbärmlichen Kleidungsstücken und Eisenzeug und Plunder und billigem Gerät, Papier, erblindenden Spiegeln und Makulatur.“
Um 1870 wurde auf Initiative des Krakauer Rebben Schimon Schreiber eine jüdische Organisation zum Schutz der orthodoxen Lehre mit Namen Machsikei Chadas gegründet, die sich in ihrer Tätigkeit in Galizien an die chassidischen Kreise anlehnte. In Lemberg wurde Machsikei Chadas 1878 registriert, die Organisation in Galizien wurde vom Rebben der Glanzer Schul, Faibisch Awner, angeführt. Im genannten Jahr erschien in der Druckerei des Abraham Madfes die Zeitschrift Chol Machsikei Chadas; sie erschien bis Anfang 1890.
1853 wurde das Gebäude neu mit einem Blechdach eingedeckt. 1875 hat man an der Fassade auf der vulycja Sakutnaja eine 1,2 Meter breite Treppe zur Frauenempore dazu gebaut. Diese stellte sich alsbald als zu schmal heraus. 1882 wurde der Zugang zur Empore laut einem Projekt von Arch. Josef Engel neu gestaltet. Nach dem Tod von Abraham Madfes ging die Synagoge auf die jüdische Gemeinde Lemberg über. Diese veranlasste 1912 auf der Grundlage eines Projektes des Lemberger Architekten Wladimir Padgorodietzky eine Restaurierung mit der Herstellung des ursprünglichen Zustandes. Das Innere der Synagoge wurde mit neubarocken Stilelementen umgestaltet, an der Südseite des Saales wurde der Davidschild in arabesken Formen gestaltet und mit Zitaten aus der Thora versehen. Die Fassade erhielt Rokokoelemente.
Inschrift an der Innenwand aus Psalm 137 Vers 2 al aravim betokah talinu kinnorotenu =… auf Weiden darin hängten wir unsere Zithern. Aufnahme vom Dezember 2016 aus Vanished World von Christian Herrmann. Mit freundlicher Genehmigung: G. Tengler.
Während des Krieges zwischen Polen und der Ukraine wurden Ende November 1918 73 Juden Lembergs ermordet und die Krakauer Vorstadt arg verwüstet. Auch die Synagoge wurde geschändet und teilweise zerstört. 1920 konnte sie nur mehr notdürftig instandgesetzt werden, die ursprüngliche Pracht hat sie nicht mehr erhalten.
Restaurierung im Inneren der Synagoge mit dem zweigeschossigen Matroneum. Aufnahme: Alex Nazar aus Lemberg 2016. Mit freundlicher Genehmigung: G. Tengler.
Die Zeit der Bürgerkriege und der Sowjetunion
In der Zwischenkriegszeit war besonders Rav Mosche Lustig als gelehrter Rebbe geschätzt.
1942 wurde von den Nazis auch die Jakob Glanzer Schul verwüstet, sie wurde als Warenlager für den Markt am Theodorplatz benutzt. Die Synagoge nahm 1944 wieder ihren Betrieb auf.
Am 21.9.1944 hat David Sobol ein Büro für die Suche der jüdischen Mitbürger eingerichtet, es wurden 3.400 Juden gezählt, von diesen waren 820 aus Lemberg stammende, die anderen zugereiste Personen. 1945 hat David Sobol das neue Statut der jüdischen Gemeinde Lemberg ausgearbeitet. Eine Kontrolle des Geheimdienstes NKBD im Beisein des Rebben Berko Trachtenberg und Karol Schwarz am 14.6.1945 ergab keine Beanstandungen und bezeugt jüdisches Leben nach dem Krieg. Bald begann sich der MGB (Geheimdienst) für die Synagoge zu interessieren, so dass David Sobol mit einer Gruppe Lubawitscher Chassiden im Oktober 1945 Lemberg verlies. Am 1.10. 1945 hat sich die jüdische Gemeinde Lemberg an den SOVNARCOM (Parteiorgan) der UDSSR gewandt mit der Bitte, eine andere Synagoge in der Marco Wawtschok Strasse Nr. 14 beziehen zu dürfen, da die Glanzer Schul ganz heruntergekommen war. Die Gemeinde war inzwischen wieder auf 5000 Mitglieder angewachsen. Diese Petition war von den folgenden 20 Personen des Vorstandes unterzeichnet:
David Sobol Benzionovich, geb. 1891, Vorsteher der Gemeinde
Serebrianij Lew Israelewitch geb. 1897, Direktor eines Mineralwasserbetriebes
Stakelberg Isaak Judkovich geb. 1906, Vizedirektor eines Ausspeisungsbetriebes
Machnovskij Jakob Samailovich geb. 1890, Warenfrächter
Rauch Jona Arnoldovich geb. 1894, Ingenieur für Warenkontrolle OTK
Lebenberg Tachi Isaakovich geb. 1907, Bahningenieur
Adolf Raiss geb. 1919, Kriegsinvalide
Morkman A. Aronovich geb. 1890, Invalide
Silberfarb Schmuel Moschkovich geb. 1889, Rebbe und Schächter
Pikgolse Salomon geb. 1908, Kornhändler
Schiechmann Israel Moiseevich geb. 1875, Mittelloser
Schwarz Karl Susievic geb. 1885, ehem. Synagogenvorsteher
Schaller Chaim Benzionovic geb. 1894, Zimmermann
Rotter Sigmund Bernardovic geb. 1887, Invalide
Kronheim Jankel Davidovic geb. 1912, Bergbauingenieur
Zwanger Izko Perzevic geb. 1899, Arbeiter der UKRSNABSBITA
Sernik Gersch Gerschevic geb. 1918, Gerber
Panik Bolko Davidovic geb. 1877, Mittelloser
Rot Chaim Michailovic geb. 1908, Invalide
Grimald Isaak Moschkovic geb. 1908, Holzsammler
Als Vorsteher der Gemeinde wurde Serebrianij Lew Israelewitch bestellt, ein ranghoher Funktionär der staatlichen Organisation UKRTRANSTORGSNAB (zuständig für die Warenverteilung) für die Westukraine und Moldawien.1946 hat Serebrianij Lew Israelewitch ein neues Statut für die jüdische Gemeinde ausgearbeitet. Darin kam im Sinne der marxistischen Ideologie der Begriff „Religion“ oder „religiös“ nicht vor, sondern es ging um die kulturelle und materielle Unterstützung der jüdischen Bevölkerung Lembergs. Sogar manche jüdischen Namen wurden geändert, z.B. aus Jona Rauch wurde Johann Rauch und aus Stakelberg Isaak Judkovich wurde Stakelberg Aleksandr Jurevich; dieser wurde Mitglied der komunistischen Partei.
Am 5.1.1947 legte Serebrianij vor 540 Mitgliedern der Gemeinde Rechenschaft über die Tätigkeit des vergangenen Jahres ab. Die wichtigsten Punkte waren:
Kriegsinvaliden erhielten 265 Pakete mit Lebensmitteln und Kleidung
Die hinterbliebenen Familien gefallener Soldaten erhielten 89 solche Pakete
Aus dem Kriegsdienst entlassene Soldaten erhielten 158 Pakete
Ehemalige Partisanen erhielten 54 Pakete
Studenten und Invaliden erhielten 232 Pakete
Familien der Frontoffiziere erhielten 59 Pakete
Kriegswaisen erhielten 163 Pakete
Ehemalige Lagergefangene erhielten 75 Pakete
Rückkehrer nach Polen erhielten 430 Pakete
Pensionisten und Arbeitsinvaliden erhielten 112 Pakete
Andere Bedürftige erhielten 459 Pakete
Gesamtwert der Pakete 244.000 Rubl
Für die Restaurierung der Synagoge wurden 2.775 Rubl ausgegeben, für den Friedhof 5.540 Rubl und kleinere Beträge für andere Ausgaben. Mehrmals hat Serebrianij angesucht, in der Synagoge „Konzerte“ von jüdischen Kantoren Schulman und Alexandrovic halten zu dürfen, der Erlös ging teils an die Kantoren, teils wurde er für die Restaurierung der Synagoge verwendet. Die Aktivitäten in der Synagoge wurden von den Behörden argwöhnisch gesehen und am 25.3.1947 wurde Serebrianij wegen „antisowjetischer Betätigung“ und Kontakten mit Organisationen ausländischer Zionisten und Nationalisten, mit dem Ziel, Juden illegal auswandern zu lassen, verhaftet. Er wurde zu fünf Jahren Kerker verurteilt. 1956 konnte er nach Lemberg zurückkehren. Bei den Neuwahlen erhielten die meisten Stimmen: Kantorovich 63 Jahre alt, von Beruf Schochet, Schwarz, Ehrlich, ausgebildeter Pädagoge, als Kassier der Eisenbahn und Barsky, Inhaber eines Puppentheaters. Am 2.9.1947 konnte der Parteidelegierte Lembergs für Religionsfragen Cucheriavei mit Genugtuung feststellen, dass die Besucherzahl der Synagogen zurückgegangen war. Der Nachfolger als Vorsitzender der jüdischen Gemeinde Machnovezky Jakov Samuelevic hat der Armenfürsorge weniger Bedeutung geschenkt. Pakete aus dem Ausland wurden nicht mehr verteilt. Laut Machnovezky und Schwarz sollte der Friedhof und die Synagoge bald hergerichtet werden, aber es wurde der Gemeinde untersagt, Gelder zu sammeln und Handel mit koscherem Fleisch zu treiben. Am 7.10.1949 ging beim Delegierten eine Beschwerde von Machnovezky ein, er sei in der Synagoge angefeindet und geschlagen worden; er vermute einen Racheakt dafür, dass er seinerzeit die Behörde unterstützt hat, den „Verbrecher und Staatsverräter Serebrianij“ zu verhaften. Der Minister für Kultfragen der Ukraine hat dem Sekretär des Zentralkomitees der KP der Ukraine Nikita Sergejewitsch Chruschtschow am 4.11.1949 gemeldet, dass Rebbe Zilberfarb Schmuel in der Synagoge die Mitglieder zum Spenden für die Brüder in Israel aufgerufen hat.
1949 besuchten täglich 45 bis 50 Personen die Synagoge, bei hohen Feiertagen 1.000 bis 1.200 Personen. In jenem Jahr kam es wieder zu Pogromen auf dem ganzen Gebiet der Sowjetunion, so auch in Lemberg, bei dem viele Juden umgebracht wurden. An einem Feiertag kam es zu einem Zwischenfall in der Synagoge, bei dem der Beobachter des Staates von einem jüdischen Wachmann bedroht wurde. Daraufhin wurde der Rat der Zwanzig aufgelöst und verlangt, die Synagoge aus der Stadt auszusiedeln. Aus dem Bericht Cucheriavei für 1951 geht hervor, dass der Rat der Zwanzig in der Tat nicht aufgelöst war und dass die Synagoge nicht geschlossen und an einen anderen Ort verlegt worden war. Im Jahr 1950 war zu Pessach die Synagoge so voll, dass nicht alle Gläubigen Platz finden konnten; im Jahr danach waren es rund 35 Prozent weniger, weil alle jene, welche während der Arbeitszeit in den Wochentagen in die Synagoge gegangen waren, vom Dienst entlassen worden waren.
Am Abend von Jom Kippur 1952 waren es 1.500 Personen. Zu Pessach 1953 waren etwa 1.600 Personen in der Synagoge, da viele Angeklagte inzwischen rehabilitiert worden waren.
1954 wurden 3.300 Personen gezählt. Kantoren waren Icht und Aronowsky. 1955 waren es 3.600 Personen, 1956 Kantor Baruch Leb Schulmann, 1957 kamen 3.800 Personen,
1958 sogar 4.000 Personen. Die Kantoren waren in jenem Jahr Simonovich und Keplin.
Am 19.5.1958 kam der Botschafter Israels in der Ukraine Avigdo zu Besuch, er erhielt die Auskunft , dass in Lemberg zwischen 25.000 und 30.000 Juden leben, sie haben einen koscheren Schlachthof für Geflügel, es gibt eine Synagoge, eine Mikwe, jährlich zwischen 75 und 80 Beschneidungen und zwischen 35 und 40 jüdische Ehen.
Im Jahr 1954 kam es zu einer weitgehenden Amnestie und das Gesuch der Gemeinde zum Bau einer Mikwe wurde angenommen. Die Kontakte zu Israel und dem Jüdischen Weltkongress wurden immer enger. Dies hat den Missmut der Behörden verstärkt. 1960 wurde die Synagoge in Drohobych geschlossen, die Juden von dort, und anderen Orten wie Boryslav und Truskavec besuchten die Synagogen in Lemberg. 1961 ging die Besucherzahl und das gesammelte Geld um ein Drittel zurück. Die ersten Besucher wurden in der zweiten Jahreshälfte 1961 verhaftet. 16.2.1962: In der Synagoge soll laut Lemberger Pravda und Rundfunk ausländisches Geld und Gold gehandelt werden. Das war ein schweres Vergehen. Präsident Jakov Makoviezky und der Kantor Schmuel Zilberfarb mussten zurücktreten. Im März 1962 verstarb der Rebbe Gurarij und der Kantor der Synagoge Zilberfarb hat darauf sein Amt niedergelegt. Damit blieben nur mehr der „Gabe“ (= Vorsteher) Brodskij und einige wenige der 20 Vorstandsmitglieder übrig. Zu Pessach 1962 kamen nur mehr etwa 200 mutige Gläubige zum Gebet in die Synagoge. Die Mazzen wurden entweder zuhause
gebacken oder aus Czernovitz, Uzhorod, Mukaceve, Hust oder Odessa bezogen. (Zu Pessach 1956 wurden noch 17 Tonnen Mazzen gebacken). Die Synagoge wurde geschlossen und als Turnhalle für das Polytechnikum Lemberg verwendet. Die Nische für den Aron wurde zugemauert, die Galerie an der Westwand abgetragen und die Wände mit den Inschriften wurden mit Ölfarbe übermalen. Damit war in der Westukraine nur mehr die Synagoge von Cernovitz in Betrieb. Verschiedene Einrichtungsgegenstände wurden entweder zerstört oder ins Museum für Religions- und Atheismusgeschichte in Lemberg gebracht. Noch Ende 1990 sah man in einer Ausstellungsvitrine des Museums der Dominikanerkirche den Toraschrein (Aron ha Qodesch), mit silberbesticktem blauen Samtparochet, die Gesetzesrollen und silberne „Tejtl“ (=Jadajim). Sie wurden vom Veteranen der lemberger Juden Boris Michailocich Dorfman eindeutig als aus der Synagoge in der vulycja Ugelnje stammend identifiziert.
Neuanfang seit 1985
Schon Mitte der 1980er Jahre gab es erste Versuche, das jüdische Leben durch Gründung von Vereinen und kulturellen Organisationen wiederzubeleben. Der „Scholem Alejchem„ Verein, gegründet im Jahr 1989, war die erste jüdische Organisation. Der Initiator und Gründer des Vereins ist der Schriftsteller, Dichter und Journalist Aleksander Lizen. Zu Beginn der 1990er Jahre entwickelte sich das gesellschaftliche Leben sehr dynamisch. Besondere Verdienste hatte der Vizepräsident des jüdischen Kulturvereines Benzion Abramovich Kotlik. Die Scholem-Alejchem-Gesellschaft übernahm 1990 das Gebäude der Synagoge. 1993 wurde die Synagoge wieder offiziell der jüdischen Gemeinde Lemberg zurückgegeben, welche vom Rebben aus Israel Avraam Rozental geleitet wurde. Mit dem Rebben Mordechai Schlomo Bald, der 1996 nach Lemberg kam, werden in der heute einzigen offenen Synagoge in der vulica Brativ Michnovs’kich in der Nähe des Hauptbahnhofes wieder regelmässig G-ttesdienste gehalten. Die Gesellschaft hatte etwa 1000 Mitglieder und engagierte sich seit ihrer Gründung nicht nur für eine Wiederbelebung jüdischen Lebens in Lemberg, sondern bewirkte auch die Anbringung von Gedenktafeln für die zerstörten Synagogen und 1992 die Errichtung des ersten Mahnmals für die Ermordeten des Lemberger Ghettos. „In dieser Zeit entstanden neben der jüdischen Zeitung ‚Schofar‘, die bis heute herausgegeben wird, Sprachkurse für Jiddisch, das jüdische Theater ‚Maska’, die Tanz- und Gesangsgruppe und die Sonntagsschule für Kinder. Boris Grigorijewitsch Komskij ist seit fünfzehn Jahren der Redakteur von „Šofar„. Die Zeitung erscheint monatlich in russischer Sprache und beinhaltet auch eine Seite in jiddischer Sprache. Der Sitz des Vereins ist die ehemalige chassidische Synagoge. Die geringen finanziellen Mittel stellen für den Verein jedoch ein sehr grosses Problem dar. Der Verein „Scholem Alejchem„ hat einen überwiegend kulturellen Charakter.
Einen anderen Charakter besitzt der jüdische Hilfsfond „Hesed Arie„(der wohltätige Löwe, der Löwe ist das Stadtwappen Lembergs), der 1998 dank der Unterstützung amerikanischer, englischer und israelischer Juden gegründet wurde. Die Organisation hatte ihren Sitz in der chassidischen Synagoge und übersiedelte 2005 in ein neu renoviertes Haus in der vulyzja Kotlyarevskego 30 und besitzt auf drei Etagen unter anderem eine eigene Küche, einen grossen Speisesaal, Wickelräume und mehrere Spielzimmer für ältere Kinder; dort ist auch ein kleines Museum über die Geschichte und Geschicke der lemberger Juden untergebracht. Die Organisation leistet vor allem soziale Hilfe. Dazu gehören unter anderem „Essen auf Rädern„, Besuchsdienst, ärztliche Pflege sowie Kinderbetreuung. Darüber hinaus ist das vielfältige Kulturprogramm ein besonderes Anliegen des Vereins.
(Zu Scholem Aleichem und Chessed Arie aus: „Neubeginn nach der Shoah. Jüdisches Leben in Lemberg nach 1945“ von Izabela Kazejak, Agnieszka Kościelska, Daria Kwiecień, Anna Schwenck).
Am 2. August 2009 hat ein Sturm das Dach der Synagoge fortgerissen. 2012 wurden erste Schritte für eine Instandsetzung des Gebäudes und 2015 durch Unterstützung der Familie Josef Siselis erste Arbeiten am Dach und im 3. Stock des Zubaues gemacht. Weitere umfangreiche Sanierungsarbeiten folgten 2016 und dauern noch an, so dass nun der Erhalt des Gebäudes gesichert ist und wieder mit Leben erfüllt werden kann.
Glossar:
Tzedaka gedola = grosses Almosen
Matan beseter = stille Spende
Abir nischmat = für die Seele
Rabbi Meir
ba‘al ha-nes = Meister des Wunders