Serie, Teil 6: Markus Leidesdorf, Ritter von Neuwall
Die Familie Leidesdorf zählt zu den bedeutendsten Hofjuden im Wien des 18. Jahrhunderts. Auch in den darauf folgenden einhundert Jahren konnte sie ihre Position halten. Zu den einflussreichsten Mitgliedern gehört Markus Leidesdorf (1754 Pressburg – 26. Januar 1838 Wien) - einer der Gründungsaktionären der Oesterreichischen Nationalbank. 1817 wurde er für seine Verdienste um den Staat als Edler von Neuwall in den österreichischen Adelsstand erhoben, 1824 konnte er schliesslich auch den Ritterstand erreichen.
Links im Bild: An dieser Stelle befand sich bis 1942 die Grabstelle von Markus Leidesdorf Ritter von Neuwall und seiner Frau Judith geb. Oblath.
Mordechai Markus Leidesdorf, Ritter von Neuwall, Sohn des Menachem Mendel Leidesdorfer, wurde Mitte des 18. Jahrhunderts in Pressburg geboren. Als fünftes Kind seiner Eltern erarbeitete er sich eine bedeutende Stellung innerhalb des österreichischen Judentums seiner Zeit. Ganz wesentlich für sein Fortkommen war zunächst sein finanzielles Engagement zum freiwilligen Kriegsbeitrag seiner Heimatgemeinde in Pressburg 1807 – dies brachte ihm die Funktion eines k.k. privilegierten Grosshändlers ein. Als Kontrahent des Staates machte er sich daraufhin um die Neuorganisation des Spitalswesens, insbesondere der Feldspitäler verdient. Der Kaiser belohnte ihn, nach Fürsprache des österreichischen Feldmarschalls der Napoleonischen Kriege, Karl Fürst Schwarzenberg, schliesslich 1817 mit der Erhebung in den österreichischen Adelsstand. Im Jahr davor war Neuwall mit einem namhaften Beitrag als einer der Gründungsaktionäre der Oesterreichischen Nationalbank in Erscheinung getreten. Wiewohl er den Vertretern der jüdischen Aufklärungsbewegung (hebr. Haskala) zuzurechnen ist, engagierte er sich tatkräftig für eine religiöse Standesvertretung der Wiener Juden und war ab 1812 bis zu seinem Tod im Alter von 84 Jahren ununterbrochen in der Verwaltung der von ihm mit begründeten späteren Israelitischen Kultusgemeinde Wien tätig.
Er wurde auf dem jüdischen Friedhof Währing bestattet, neben seiner Gemahlin Jitl Judith geb. Oblath (1754 Veszprém, Ungarn - 01. März 1824 Wien) und in unmittelbarer Nachbarschaft zu weiteren Verwandten. 1942 wurde Neuwalls Grabstätte geöffnet, seine Gebeine und jene seiner Frau wurden durch die jüdische Gemeinde vor dem Zugriff „rassekundlicher Forschungen“ gerettet und zum neuen jüdischen Teil des Wiener Zentralfriedhofs verbracht, wo sie heute noch gemeinsam in der Gruppe 14a der Notgräber aus der nationalsozialistischen Zeit ruhen. Von dem imposanten Grabmonument aus Sandstein, das noch 1907 genau beschrieben wurde, fehlt seither jede Spur. Weitere Mitglieder der Familie Leidesdorf auf dem jüdischen Friedhof Währing sind Abraham Akiba, Anna geb. Uffenheim, Anna geb. Hönigsberg, Aron, Babette, Barbara geb. Leidesdorf, Carl, David, Emanuel, Ernestine geb. Trebitsch, Gitl Anna geb. Wartfeld, Ignatz, Joachim, Josef, Josef, Josef, Karl, Karolina, Löw, Ludowika geb. Mayer, Magdalene geb. Koblenz, Marie geb. Ofenheimer, Marie geb. Leidesdorf, Maximilian, Moritz, Nathan Ignatz, Rosalia, Sophie, Therese geb. Uffenheim sowie Wolfgang Leidesdorf.
Provisorische Grabplatte für das Ehepaar Neuwall am Zentralfriedhof, Tor 4, Gräbergruppe 14a.
Neben Markus Leidesdorf Ritter von Neuwall zählen noch herausragende Mitglieder der Pressburger Familien Boschan und Breisach zu den Gründungsvätern der Oesterreichischen Nationalbank, die auf dem jüdischen Friedhof Währing bestattet worden sind.
Fotos: T. Walzer 2011, mit freundlicher Genehmigung.
Der Folgeartikel dieser Serie, Teil 7, beschäftigt sich mit Familien aus Ungarn, die zu Gründungsmitgliedern der Oesterreichischen Nationalbank wurden.