Paul Lendvai: Leben eines Grenzgängers, Erinnerungen, aufgezeichnet im Gespräch mit Zsófia Mihancsik. Wien, Kremayr & Scheriau 2013
256 Seiten, 16 s/w-Fotos, Euro 24,00
ISBN 978-3-218-00864-8
Paul Lendvai der 1957 nach Österreich kam, hat hier Karriere als Journalist und als Leiter des ORF Osteuropabüros gemacht. Ich wurde auf ihn aufmerksam,
als Anfang der siebziger Jahre der Wiener Europaverlag sein Buch „Antisemitismus ohne Juden“ publizierte, das sich mit „Entwicklungen und Tendenzen in Osteuropa“ beschäftigte und zwar differenziert und mit Sachkenntnis. In Österreich aber auch in Ungarn gehört Lendvai zu den bekanntesten Journalisten.
Die ungarische Kollegin Zsófia Mihancsik, die noch vor der Wende ein Buch über den ungarischen Fußball im Privatverlag veröffentlichte, hat sich schon damals mit lautstarken Manifestationen des Antisemitismus in ungarischen Stadien auseinandergesetzt. Ein Thema, das leider bis heute aktuell blieb.
Mihancsik stellt Lendvai intelligente Fragen, die mit einer Prise Ironie und gelegentlich auch Selbstkritik beantwortet werden. Die Fragen behandeln nicht nur sein Wirken als Journalist und die Politik, sondern auch sein Privatleben. Die Offenheit mit der Lendvai auf sehr heikle Fragen reagiert ist nicht alltäglich. Umso trauriger das Kapitel „Verleumdungsarie“, in dem Lendvai auf die ungeheuerliche Verleumdungskampagne, die Rechte und Rechtsextremisten in Ungarn gegen ihn führen, eingeht. Die Tatsache, dass Lendvai einer der gefragtesten Ungarnexperten ist, die in internationalen Medien mit Augenmaß und Understatement das Orbánregime kritisieren, lässt diesem anscheinend keine Ruhe. Anstatt sich mit Lendvai auseinanderzusetzen, hat man den ad personam Angriff – nicht nur in seinem Fall – als Methode gewählt, die aber wie ein Bumerang wirkt und die Denunzianten trifft.
Der Rezensent empfiehlt dieses spannende und sehr persönliche Buch, das auch als ein Beitrag zur Zeitgeschichte gelesen werden kann.